Lowe und das Augenmaß für die Regeln für 2009
McLaren-Techniker Paddy Lowe über die Auswirkungen des neuen Reglements auf die Formel 1 im Jahr 2009
(Motorsport-Total.com) - Wir dürfen uns auf eine ganz neue Generation von Formel-1-Autos freuen. Die Regeländerungen zum kommenden Jahr sind derart tiefgreifend, sodass sich nicht nur die Optik der Fahrzeuge, sondern vor allem auch deren Verhalten auf der Rennstrecke deutlich verändern wird. Das neue technische Reglement gründet auf Vorschlägen der so genannten "Overtakting Group" um die Fachleute Rory Byrne (ehemals Ferrari), Pat Symonds (Renault) und Paddy Lowe (McLaren-Mercedes). Ziel der Arbeitsgruppe war es, die Überholmöglichkeiten in der Königsklasse und so gleichzeitig die Show in der Formel 1 zu verbessern.

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Auch wenn das Hybridzeitalter (KERS) unter den Hauben versteckt platziert wird, so werden viele Änderungen jedoch deutlich sichtbar sein. Zunächst einmal kehren die profillosen Reifen, also die Slicks zurück. Zusätzlich wird die Aerodynamik umgekrempelt und aufgeräumt. Ein breiter Frontflügel mit um bis zu sechs Grad verstellbaren Elementen wird Teil des neuen Pakets sein. Fans müssen sich wohl an den Anblick kleinerer Heckflügel gewöhnen, außerdem verschwinden alle Luftleit-Element an den Fahrzeugseiten und der Diffuser wird gekappt.#w1#
Ziel war es, das Abtriebsniveau um 50 Prozent zu reduzieren. Diesen Wert wird man offenbar nicht ganz erreichen, jedoch gilt als sicher, dass Überholmanöver durch weniger verwirbelte Luftströme einfacher werden. Einige Versuche im McLaren-Simulator haben deutliche Hinweise darauf gegeben. "Auf Grundlage eines 2006er Autos musste man ein um zwei Sekunden pro Runde schnelleres Auto haben, um in der ersten Kurve von Barcelona vorbeiziehen zu können", beschrieb Lowe die Ausgangslage.
Diesen speziellen spanischen Knick hatte man sich als Referenz gewählt, weil er die beste Möglichkeit in Barcelona darstellt, gleichzeitig aber als schwieriger Überholpunkt im Formel-1-Kalender gilt. "Unsere Messungen haben ergeben, dass der Wert mit neuer Aerodynamik auf eine Sekunde absinkt. Das ist aus meiner Sicht ein sehr großer und wichtiger Schritt", erklärte Lowe im Interview mit 'formula1.com'. "Wir würden sagen, das ist ausreichend."
Man könne sich vorstellen, dass eine Reduzierung der nötigen Geschwindigkeits-Differenz auf Null absoluter Nonsens sei, so der McLaren-Fachmann weiter. Das Überholen für Piloten in schnelleren Autos dürfe man auch nicht zu einfach gestalten: "Wenn wir den Wert auf zwei Zehntelsekunden herabgesenkt hätten, würde das bedeuten, dass ein schnelles Auto an einem langsameren fast ohne Zeitverlust vorbeigehen könnte. Das wären auch langweilige Aussichten."
Lowe erklärte, dass es trotz der genauen Vorgaben im Bereich Aerodynamik noch genügend Entwicklungs-Spielraum für die Techniker gebe. Die Angst vor identisch aussehenden Fahrzeugen sei unbegründet. Als große Herausforderung gilt das Konzept der verstellbaren Frontflügel-Elemente, die vom Piloten zwei Mal pro Runde angepasst werden dürfen. Die Verstellschritte werden von der Standard-Elektronik überwacht. Entsprechende Tests seien bei den Teams bereits angelaufen.
Erste Prototypen der neuen Frontflügel wird man nach Ansicht von Lowe aber wohl erst im Winter sehen. Dann werden die Rennställe normalen Testbetrieb aufnehmen, öffentliche Überholsimulationen auf den Teststrecken sollen wohl ausbleiben. Die neuen Justierungs-Möglichkeiten bieten auch auf anderem Terrain eine Herausforderung, denn die Lenkräder der Formel 1 sind schon jetzt mit Knöpfen und Reglern überladen. "Dort noch einen guten Platz für Schalter zu finden ist genauso schwierig wie im Cockpit einer 747", lachte Lowe angesichts des neu hinzukommenden Bedienelements.

