• 17.09.2003 12:17

Logistische Generalstabsarbeit bei Sauber

Durch innovative Methoden beim Transport des Materials nach Übersee ist der US-Grand-Prix für das Sauber-Team kein Problem

(Motorsport-Total.com) - Rund 150.000 Kilometer legt jedes der zehn Formel-1-Teams während einer Saison in der Luft und zu Land zurück, reist also fast vier Mal rund um die Erde. Neben Hunderten von Leuten bewegen die Teams auch Tonnen von Material, was vor allem bei Überseerennen zu einer logistischen Herausforderung wird. Innovative Methoden helfen Sauber-Petronas, diese Aufgabe zu meistern.

Titel-Bild zur News: Sauber-Box in Sepang

Ein Übersee-Rennen bedeutet viel Arbeit für die Teams

Es versteht sich von selbst, dass der von März bis Oktober meist im 14-Tage-Rhythmus zu organisierende Transport von Personal und Material minuziöser Vorbereitung bedarf, die zu logistischer Generalstabsarbeit auswächst, wenn Rennen in Übersee anstehen.

Zu den Obliegenheiten der einzelnen Teams gehören die Reservierung von Unterkünften und Mietautos sowie die Sicherstellung der Verpflegung. Bei Gastspielen in Australien, Asien, Nord- und Südamerika kommen das luftfrachtgerechte Verpacken des Materials, dessen Überführung an den Abflugort und geeignete Maßnahmen zur Abdeckung der infrastrukturellen Bedürfnisse auf der Rennstrecke hinzu.

Spezielle Frachtcontainer bei Sauber

Zum bevorstehenden Grand Prix in Indianapolis am 28. September fliegt das Sauber-Petronas-Team mit 51 Personen und 24 Tonnen Material in die USA. Die organisatorischen Fäden laufen bei Urs Kuratle, seines Zeichens auch Chefmechaniker, zusammen. Unter der Regie des 35-jährigen, seit 1989 in Hinwil beschäftigten Bündners, hat das Schweizer Team den ihm zugewiesenen Part des Materialtransports optimiert. Statt Dutzende von Kisten ganz unterschiedlicher Größe mit Fahrzeug-Bestandteilen, Werkzeug, Boxeneinrichtungs-Gegenständen und Ersatzteilen zu füllen, wird neuerdings fast alles in vier riesige Container verteilt, deren Masse und Form auf den Querschnitt des eiförmigen Frachtraums der Transportflugzeuge abgestimmt ist.

Kuratles Innovation bringt nicht nur erheblichen Zeitgewinn beim Verpacken des Materials, sondern trägt auch zur Senkung der Transportkosten bei, die nach Volumen und Gewicht berechnet und nur bis zu einem gewissen Limit von der FOM (Formula One Management) übernommen werden. Das den Teams zugestandene "Freigepäck" reicht indes bei Weitem nicht aus.

Zur Standardausrüstung in Übersee gehören drei komplette Autos, ein Reservechassis, sechs bis acht Ersatzmotoren, ebenso viele Unterböden, acht Heckflügel, sechs Frontflügel, 60 Felgen, zwei komplette Hinterachsen mit Getriebe, ein separates Getriebe und weitere Ersatzteile wie Querlenker und Radträger, dazu Reinigungs-, Presse- und Marketing-Material. Im wahrsten Sinne des Wortes besonders ins Gewicht fallen beispielsweise die vier mit Werkzeug gefüllten "Lista-Boys"-Schränke mit total fast drei Tonnen, die Boxeneinrichtung inklusive Beleuchtung mit 1,5 Tonnen, die Computer mit ebenfalls 1,5 Tonnen sowie die zwei Schnelltankanlagen mit einer halben Tonne.

Vor Ort werden Gabelstapler, Rollis, Schränke, Kopiermaschinen, Wasser, Druckluft, Stromgeneratoren, Möbel und Telefonleitungen zugemietet. Die Reifen und so genanntes Gefahrengut wie Benzin, Motoren- und Getriebeöl, Leim und Bremsflüssigkeit werden ebenfalls von den technischen Partnern angeliefert.

Die FOM organisiert den Transport

Einen Teil der einschlägigen Aufgaben erledigt die FOM. Ansprechpartner der Teams bezüglich des Transports sind Alan Woollard und dessen Sohn Adam. Die beiden FOM-Funktionäre chartern sechs Maschinen vom Typ Boeing 747 oder MD 11. Vier davon werden in London beladen, zwei in München (für die außerhalb Großbritanniens ansässigen Teams Toyota, Minardi und Sauber-Petronas). Ferrari organisiert sich seit geraumer Zeit selbständig. Zwei Wochen vor dem Abflug sind der FOM Volumen und Gewicht des zu verladenden Materials zu beziffern. Als Rückmeldung gelangt der auf die Minute genau definierte Termin der Bereitstellung zu den Teams.

In Hinwil wurden die für den Grand Prix der USA nach Indianapolis zu schickenden Container unmittelbar nach der Rückkehr aus Monza gefüllt. Der beanspruchte Raum ist dank Saubers neuem System zur festen Größe geworden. Nach dem Wägen und der Erstellung des entsprechenden Frachtbriefs mit Zolldeklaration bringt eine Transportfirma das Material je nach FOM-Disposition am Freitag oder Samstag des Vorrennwochenendes mit drei Lastwagen nach München, wo es in eines der beiden Flugzeuge verfrachtet wird.

Urs Kuratle fliegt sonntags mit sieben Chauffeuren nach Chicago, fährt anderntags nach Indianapolis und entlädt die bereits auf der Rennstrecke eingetroffenen Container. Am frühen Dienstag Abend sind die Boxen betriebsbereit, 24 Stunden später auch die Büroräume eingerichtet sowie allfällige Nachlieferungen aus Hinwil in Empfang genommen. Nach und nach treffen die übrigen, gestaffelt reisenden, Teammitglieder ein, als letzte in der Regel Teamchef Peter Sauber und einige Kaderleute.

Keine Pause ? nach dem Rennen ist vor dem Rennen

Nach dem Fallen der Zielflagge in Indianapolis beginnt schon die Vorbereitung des Rennens in Suzuka. Überholungsbedürftige Teile wie Hinterachsen und Aufhängungskomponenten werden in die Schweiz zurück transportiert. Bis Montag Mittag gilt es, die Motoren zu wechseln, die in Reserve gehaltenen Hinterachsen zu montieren, kleinere Revisionen vorzunehmen und alles wieder in den Containern unterzubringen, die anschließend direkt zum Saisonfinale nach Japan transportiert werden.

Das Gros des Personals des Schweizer Teams kehrt diesmal zwischen den beiden Grands Prix nach Europa zurück - im Gegensatz zum Vorjahr, als es sich zusammen mit den Belegschaften anderer Rennteams eine Ferienwoche in Hawaii gönnen durfte.

Das Programm der laufenden Saison umfasst 16 Rennen - zehn in europäischen Ländern und je eins in Melbourne, Kuala Lumpur, São Paulo, Montreal, Indianapolis sowie Suzuka. Der Grands Prix außerhalb Europas werden künftig noch mehr, wenn sich die Formel 1 in Zukunft zunehmend nach Osten orientiert. Bahrain und Shanghai kommen schon 2004 zum Zug, die Türkei 2005 und Indien sowie Russland halten sich bereit, in weitere Breschen zu springen.

Mit der Verlagerung der Grand-Prix-Schauplätze nach Übersee wird auch der logistische Aufwand steigen, der schon jetzt ein ordentliches Mass an Organisationstalent, Einfallsreichtum, diplomatischem Geschick, Disziplin und Nervenstärke erfordert. Urs Kuratle und sein Team werden auch diese Aufgaben meistern.