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  • 11.12.2008 07:08

  • von Pete Fink

Leute mit Biz: Allianz-Markenchef Christian Deuringer

Neu in unserer Business-Reihe: Allianz-Markenmann Christian Deuringer, der die globalen Allianz-Drähte im Bereich Werbung und Sponsoring zieht

(Motorsport-Total.com) - "Die Formel 1 ist alle zwei Wochen für zwei Stunden Sport, aber dazwischen knallhartes Business", hat der große Frank Williams einmal gesagt. Für 'Motorsport-Total.com' Grund genug, eine Artikelserie ins Leben zu rufen, die sich mit dem Businessaspekt des Motorsports beschäftigt. In dieser stellen wir Persönlichkeiten vor, die sich im Motorsportbusiness durchgesetzt haben und mit Biss an ihre Sache herangehen - "Leute mit Biz" eben. In der sechsten Edition: Dr. Christian Deuringer, Leiter der weltweiten Markenkommunikation im Hause Allianz.

Titel-Bild zur News:

Dr. Christian Deuringer ist der Leiter der weltweiten Allianz-Markenkommunikation

Williams ist gleichzeitig auch einer der großen Formel-1-Bezugspunkte für die Allianz, denn beide verbindet eine nunmehr zehnjährige Partnerschaft. Warum Williams? "Dort findet man noch 'pure racing'", lächelt Deuringer und erklärt: "Die Allianz ist eine sehr puristische Firma. Wir machen wenige Dinge, aber die dafür dann richtig."#w1#

"Für uns", sagt er, "sind Werte wichtig, wie auch für Frank Williams. Natürlich hat er nicht das größte Budget, aber er hat den größten Spirit. Das finden wir einfach toll und deswegen halten wir dem Team auch die Treue", versichert Deuringer. Der Vertrag mit Williams wurde erst vor wenigen Wochen um weitere zwei Jahre bis Ende 2010 verlängert.

Drei große Marketingsäulen

In seiner Funktion als Leiter der weltweiten Allianz-Markenkommunikation zeichnet der 40-Jährige verantwortlich für die Themen Werbung, Medieneinkauf und Sponsoring. Die globale Sponsoringstrategie der Allianz stützt sich dabei auf drei große Säulen: die Formel 1, die Allianz-Arena und den FC Bayern München.

Allianz Arena FC Bayern München rot

Wenn der FC Bayern München spielt, leuchtet die Allianz-Arena rot Zoom

Soll in der globalen Welt von heute ein lokaler roter Faden hergestellt werden, so trifft dies sicherlich auf München zu: Die Allianz ist ein Münchner Unternehmen, Deuringer ein gebürtiger Münchner, der an der Ludwigs-Maximilians-Universität studiert und seinen Doktortitel an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg bei München erworben hat.

Über Procter and Gamble kam zunächst der Ruf von BMW und deren Frage, "ob ich nicht in die Produkt- und Markenstrategie einsteigen möchte". Sein Aufgabengebiet war damals die Markteinführung des neuen MINI - sowohl in München, als auch im mittelenglischen Birmingham.

Deuringer war damals verantwortlich für das Thema Markenstrategie von MINI und erinnert sich noch heute gerne an diese Zeit: "Es war natürlich ein Traum für jeden Marketingmann, eine 40 Jahre alte Kultmarke neu zu beleben und neu zu interpretieren."

Schon immer ein Williams-Partner

Den Mix aus glorreicher Vergangenheit gepaart mit dem Blick in die Zukunft bezeichnet der Stratege mit einem nicht zu übersehenden Lächeln als "schlafende Prinzessin, die wachgeküsst werden musste. Der Sprung bestand in Stückzahlen von 5.000 auf heute weit oberhalb der 200.000er-Marke. Das ist natürlich eine ganz andere Dimension."

Die BMW-Williams-Truppe und der FW26

Die Allianz war bei BMW Williams von Anfang an mit von der Partie Zoom

Spätestens seit dieser Zeit trat die Faszination Auto in das Leben Deuringers: "Das ist spannend und anfassbar. John Cooper die Hand zu geben und mit ihm auf ein Pint zu gehen, das vergisst man so schnell nicht." Diese Faszination blieb auch, als der Marketingspezialist von BMW zur Allianz wechselte.

So gesehen waren die Ereignisse des Jahres 2000 logisch, als die Allianz zusammen mit BMW bei Williams in die Formel 1 einstieg: "BMW ist ja wie die Allianz auch ein Münchner Unternehmen." Deuringer legt dabei großen Wert auf die Feststellung, dass "die vertragliche Komponente seit jeher bei Williams lag. Das wissen viele vielleicht gar nicht, aber wir waren schon immer Partner von Williams."

Aber warum gerade 2000? Der Marketingfachmann muss etwas ausholen: "Die Allianz wurde 1890 gegründet und war die ersten 100 Jahre lang eine sehr gut funktionierende deutsche Versicherungsmaschinerie." Deuringer hat übrigens auch keine Probleme damit, das frühere Image der Allianz als "eher trocken" zu bezeichnen.

Eine Plattform, viele Märkte

"Auch wenn wir vielleicht ein wenig langweilig wahrgenommen werden, heute sind wir froh darüber", meint er mit einem süffisanten und aktuellen Seitenhieb: "Im Vergleich zu vielen anderen Finanzdienstleistern sind wir heute über unser Geschäftsmodell sehr glücklich."

Die Formel 1 besetzt weltweit sehr wichtige Schlüsselmärkte Zoom

Aus dieser deutschen Versicherung wurde also ein globaler Finanzdienstleister: "Wir haben das Geld, das wir verdient haben, auch in den Kauf einiger Firmen investiert und uns auf diesem Weg ein ganzes Portfolio an Marken angesammelt. Irgendwann stellten wir dann fest, dass dieses Portfolio geführt werden muss. Genau in diesem Zuge kam die Überlegung, die Marke stärker in den Vordergrund zu stellen."

Die Aufgabe lautete also, die Marke Allianz stärker zu definieren und globaler aufstellen. Deuringer: "Dann schaut man sich an, welche Plattformen es denn gibt, um eine globale Marke zu positionieren. Da gibt es nur eine und das ist die Formel 1." Denn der große Marketingvorteil der Formel 1 ist: "Man muss nicht in jedem einzelnen Land Aufbauarbeit betreiben, sondern kann mit einer einzigen Plattform die wichtigen und zentralen Märkte bearbeiten."

Natürlich wäre der Formel-1-Einstieg der Allianz auch bei anderen Teams denkbar gewesen: "Wir haben alle Optionen geprüft, aber da spielen natürlich viele Variablen eine Rolle. Wo gibt es eine Vakanz? Mit welchen Teams kann man sich in puncto Werte assoziieren? Was ist im betriebswirtschaftlichen Sinne sinnvoll? Wo gibt es über das reine Sponsoring hinaus noch Gemeinsamkeiten?"

Auf einem Bein steht man schlecht...

Deuringer bezeichnet daher die Option BMW Williams als eine "natürliche Wahl. Es hat schon gepasst, dass zwei große und starke Münchner Firmen Dinge gemeinsam machen. Wir haben dies ja auch im America's Cup wiederholt, als wir mit BMW Oracle unterwegs waren."

Perfekte Plattform: Die Allianz weitete ihr Formel-1-Engagement sukzessive aus Zoom

Doch damit nicht genug, denn die Formel 1 bot noch viele andere Marketingmöglichkeiten, oder wie es Deuringer ausdrückt: "Wir haben gelernt, dass es sich auf nur einem Bein schlecht stehen lässt", was schnell zum Thema Streckensponsoring als Ergänzung führte. "Über die Bandenwerbung bei verschiedenen Grands Prix wird sichergestellt, dass eine Präsenz unabhängig von der Teamperformance vorhanden ist."

Es folgte ein komplettes Programm, das als 'Inside Grand Prix' mittlerweile in über 90 Ländern ausgestrahlt wird. Auch das Allianz Zentrum für Technik, ein "Vorreiter in der Unfallforschung und Straßenverkehrssicherheit", wollte Deuringer nicht unerwähnt lassen.

"Diese Kompetenzen wurden nach und nach eingebaut und können so die Frage beantworten, warum sich die Allianz in der Formel 1 engagiert. Denn so verfolgen wir das Thema Performance in der Formel 1 bis zum Thema Sicherheit im Straßenverkehr."

Das Auto ist zu teuer

Warum zog sich die Allianz dann sukzessive vom Williams-Auto direkt zurück? Deuringer verwendet den Ausdruck eines "Entwicklungspfades. Wir waren, wie es fast alle Sponsoren zu Beginn machen, sehr prominent auf dem ersten BMW Williams vertreten. Wenn man sich die Zahlen jedoch aus einer professionellen Distanz heraus ansieht, dann kommt man schnell zu dem Schluss, dass die Platzierung auf dem Auto überbezahlt ist."

Allianz Arena München

Die Allianz Arena in München ist mittlerweile ein weltweites Symbol Zoom

Denn was letzten Endes wirklich wirkt, sind die Themen Bande und Aktivierung: "Gehe über die normale TV-Berichterstattung hinaus, produziere spezielle TV-Programme, packe das Engagement in Werbekampagnen, veranstalte Safety-Roadshows, konzipiere das spannendste Hospitaility-Programm und nutze Nico Rosberg als Markenbotschafter."

So wurde man darüber hinaus nach DHL auch der zweite "Global Partner" der Formel 1: "Damit haben wir zum Beispiel die Möglichkeit, mit dem Safety-Car zu werben und können so eine Geschichte erzählen, die ganz konkret zur Allianz passt."

Also ein ganz ähnliches Prinzip, wie es bei der Allianz-Arena angewendet wurde: "Unsere langfristigste Plattform. Hier erleben wir hochemotionalen Fußball der beiden Münchner Vereine, machen unsere Marke aber auch in einem ganz anderen Kontext erlebbar, und das in der ganzen Welt. Dort waren wir zudem in der sehr schönen Situation, dass wir das Ganze von Anfang an selbst mitgestalten konnten."

Denn nicht erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft ist das neue Münchner Stadion ein eigener Markenname geworden. Wobei sich Deuringer speziell beim Thema WM eine kleine Schadenfreude nicht verkneifen kann: "Es durfte 2006 ja offiziell nicht Allianz-Arena heißen, aber jeder sprach davon."

Mehrere Messtools

Doch wie misst man die Wirkung des Sponsorings? "Wir haben unterschiedlichste Mechanismen, um das zu messen. Eine davon ist der tatsächliche Mediawert, den wir über die Bandenwerbung - und früher auch direkt über das Auto - generieren."

BMW-Williams FW26

Ein Logo auf einem Formel-1-Boliden alleine ist nicht sehr spannend Zoom

"Dabei bekommen wir tatsächlich auf die Sekunde genau die Sichtbarkeit unserer verschiedenen Komponenten und das Ganze weltweit über alle Live-Feeds, Freien Trainings und die Qualifikation", so Deuringer. Diese Daten stehen allen Sponsoren zur Verfügung.

Das zweite Instrument ist ein Inhouse-Tool, wie Deuringer verrät: "Wir messen den Imageeffekt der Formel 1 auf die Marke Allianz über eine eigene Marktforschung, die wir dreimal im Jahr in sechs repräsentativen Ländern der Welt durchführen."

"Daran erkennen wir wunderbar, wie sich das Thema Bekanntheit der Marke Allianz in der Formel 1 auswirkt. Aber fast noch interessanter ist die Frage, wie sich das Engagement auf die Kaufbereitschaft der Kunden auswirkt. Denn wir hören ja nicht selten, dass unsere Produkte zu teuer wären, weil wir soviel Geld für die Formel 1 ausgeben."

Die Markenbindung funktioniert

Deuringer bezeichnet dies als eine "eindimensionale Logik", denn "nun haben wir treffende Gegenargumente. Die Leute, die wissen, dass die Allianz ein Formel-1-Sponsor ist, haben eine deutlich erhöhte Kaufbereitschaft gegenüber denjenigen, die das nicht wissen."

Nico Rosberg Bernd Maylaender

Nico Rosberg und Safety-Car-Pilot Bernd Mayländer als Markenbotschafter Zoom

Es gibt also tatsächlich den Effekt der Markenbindung, nach dem ein Kunde das Produkt dem der Konkurrenz vorzieht, mit der Begründung, es handle sich um ein Produkt mit Formel-1-Bezug? "Absolut, es wirkt sich positiv auf das Geschäft aus. Und es hat auch noch den angenehmen Nebeneffekt, dass man moderner und innovativer wahrgenommen wird als andere Unternehmen." Eine klare Aussage.

Heute ist die Allianz weltweit in 70 Ländern aktiv und hat über 85 Millionen Kunden. Aber wie blickt Deuringer in die Zukunft? Als erstes sieht er die Formel-1-Expansion in Richtung interessanter Märkte positiv: "Bahrain, Abu Dhabi, Singapur sind wichtige Märkte für die Allianz. Und ganz besonders freuen wir uns auf das Rennen in Indien - der stärkste Wachstumsmarkt der Allianz."

"Wir stellen auch fest, dass die Formel 1 fast schon zu gut funktioniert. Das heißt, dass die Leute überall auf der Welt mit dem Namen Allianz etwas anfangen können. Nur in vielen Teilen wissen sie noch nicht, was sich dahinter verbirgt." Die Lösung des Problems ist nachvollziehbar: "Deswegen haben wir damit begonnen, auf der Bandenwerbung selektiv den Begriff 'Financial Services' zu führen."

Formel 1 als Bugwelle

Deuringer bezeichnet diesen Effekt als "Bugwelle, die die Formel 1 vor uns herschiebt und damit unseren Landesgesellschaften den Markenaufbau erleichtert." Zum Beispiel in Bahrain: "Als wir dort unser Geschäft starteten, kannten schon viele unseren Namen, ohne zu wissen, was genau dahinter steckt."

Safety Car Allianz Werbung

Ein Allianz-Logo auf dem Safety-Car wäre Deuringers größter Wunsch Zoom

Er selbst bezeichnet sich heute als "interessierten Beobachter. Ich werde von der Formel 1 nicht komplett ausgesogen und finde das auch wichtig, denn ansonsten könnte ich wohl keine vernünftigen Verträge aushandeln." Diese faszinierte Distanz wird auch noch einige Zeit anhalten, denn Deuringer ist um die Zukunft der Formel 1 nicht bange.

"Die Formel 1 wurde aus verschiedenen Gründen schon 1.000 Mal totgesagt, sie hat sich aber immer wieder neu erfunden. Es kamen immer wieder neue Märkte, neue Fahrer, neue Technologien, neue Konstellationen. Und genau das fasziniert die Allianz an der Formel 1. Dass diese Marke so ziemlich alles überlebt hat, was wir bisher gesehen haben."

Und wenn er noch einen Wunsch frei hätte? "Dann würden wir sehr gerne das Safety-Car haben. Darauf würde ich gerne unser Allianz-Logo sehen, aber mal schauen ... Auch wenn wir das Medical-Car bekämen, würde ich nicht nein sagen. Das ist unser Geschäft - immer wenn etwas passiert, sind wir dabei. Aber am liebsten versuchen wir, genau das zu verhindern."

Dr. Christian Deuringer im Kreuzverhör:

Geburtsdatum: 2. Juni 1968
Geburtsort: München
Wohnhaft in: München
Familienstand: verheiratet, 3 Kinder
Erstes Fahrzeug: VW Golf
Aktuelles Fahrzeug: MINI Cooper
Erlernter Beruf: Diplom-Kaufmann
Im Motorsport involviert seit: 2004
Größter beruflicher Erfolg: Markenstrategie MINI, Markenkultur Allianz
Größtes Ziel: Love, Peace and Happiness
Lieblingsfahrer in der Formel 1: Nico Rosberg
Online oder Print? Tradigital (traditionell und digital)
Business- oder Economy-Class? Economy - wo es Sinn Macht
Boulevard oder Feuilleton? Am Wochenende Feuilleton
Festgeld oder Optionsschein? Allianz Aktien
T-Shirt oder Sakko? Anzug
Opernball oder Oktoberfest? Oktoberfest
Arbeit oder Hobby? Balance
Lebensmotto: A bisserl was geht immer ...
Lieblingslektüre: Welt am Sonntag
Person, die ich am meisten bewundere: Meine Kinder
Person, mit der ich mal auf ein Bier gehen möchte: Dalai Lama
Geld bedeutet für mich: No comment.
Motorsport fasziniert mich, ... weil er Mensch und Technik verbindet