Kwjat: "Wenn ich scheitere, habe ich nicht hart gearbeitet"

Toro-Rosso-Rookie Daniil Kwjat erklärt, wieso sein niedriges Alter ein Vorteil ist, er eine harzige Saisonvorbereitung befürchtet und er mit "giftigen" Autos rechnet

(Motorsport-Total.com) - Daniil Kwjat ist Red Bulls große Zukunftshoffnung. Der erst 19-jährige Pilot aus Helmut Markos Juniorkader hat bei den Freien Trainings in Austin und Interlagos im Toro Rosso mit starken Zeiten eine Visitenkarte abgegeben. 2014 wird er beim Rennstall von Franz Tost beweisen müssen, dass die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt waren und er das Zeug hat, in Weltmeister Sebastian Vettels Fußstapfen zu treten.

Titel-Bild zur News: Daniil Kwjat

Daniil Kwjat fällt für sein junges Alter mit einer äußerst nüchternen Einstellung auf Zoom

Ein Rennen wird der Russe - sollte nichts dazwischen kommen - auf jeden Fall gegen den Deutschen gewinnen. Wenn er in Melbourne am Start steht, dann wird Kwjat 19 Jahre und 324 Tage alt sein. Vettel war bei seinem Formel-1-Debüt in Indianapolis 2007 um genau 25 Tage älter. Kwjat zuckt aber bloß mit den Schultern: "Das ist nicht der wichtigste Rekord, den ich knacken will."

Es handelt sich um einen Rekord, der Risiken birgt: Denn in der Vergangenheit mussten sich schon oft Teams den Vorwurf gefallen lassen, junge Talente zu verheizen, sie zu früh der knallharten Formel 1 ausgesetzt zu haben. Kwjat sieht sein niedriges Alter allerdings positiv: "Es ist gut, dass ich früh genug in der Formel 1 bin. Dadurch habe ich mehr Zeit als jemand, der mit 23 Jahren einsteigt. Ich möchte diese Zeit zu meinem Vorteil nutzen, aber es nicht leicht nehmen und sagen: Ich habe jetzt Zeit, bis ich 25 Jahre alt bin, um Weltmeister zu werden. Man sollte immer angreifen und versuchen, so schnell wie möglich zu lernen."

Kwjat lernt schnell

Dass er schnell lernt, hat Kwjat bereits im Vorjahr zu Saisonende bei Toro Rosso bewiesen: "Ehrlich gesagt habe ich nicht viel Zeit benötigt, um mich an das 2013er-Auto zu gewöhnen - in Austin und in Brasilien habe ich mich schon ziemlich wohl gefühlt." Ihm ist aber bewusst, dass seine Ausgangssituation schwieriger ist als zum Beispiel bei Lewis Hamilton 2007, der auf Anhieb um den WM-Titel fuhr.

"Jetzt haben wir nur sechs Testtage vor der Saison - und man sieht ja, wie wenig alleine am ersten Testtag gefahren wird." Daniil Kwjat

"Klar, an Lewis kann man sich schon ein Beispiel nehmen, aber man darf nicht vergessen, dass damals das Testen und ein paar andere Dinge noch erlaubt waren", spielt er auf die Testbeschränkungen in der aktuellen Formel 1 an. Dazu kommt, dass die neuen Boliden noch nicht zuverlässig sind und die Piloten vermutlich bei den diesjährigen viel Zeit in der Garage verbringen werden: "Jetzt haben wir nur sechs Testtage - und man sieht ja, wie wenig alleine am ersten Testtag gefahren wird", seufzt Kwjat. "Hoffentlich finden wir den richtigen Weg, hoffentlich können mein Ingenieur und ich das Maximum aus diesen sechs Tagen herausholen."

Die Reglement-Revolution könnte für Kwjat aber auch Vorteile haben: Alle Piloten müssen sich dieses Jahr auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen, nicht nur der Neuling bei Toro Rosso. Das will er aber nicht überbewerten: "Ehrlich gesagt spielt das für mich keine Rolle. Ich muss einfach mein Bestes geben."

Neue Autos schwer zu fahren?

Aufgefallen ist ihm im Simulator aber bereits, dass die neuen Autos giftig sind. "Wir haben etwas Abtrieb verloren, und das Auto ist durch das hohe Drehmoment ziemlich schwer zu fahren", verrät er. "Das Auto ist nervöser." Er will aber noch abwarten, bis er selbst seine ersten Eindrücke in der Realität gewonnen hat.

"Im Simulator war das Auto durch das hohe Drehmoment ziemlich schwer zu fahren." Daniil Kwjat

Für ihn liegt nun der Focus darauf, die Balance aus Ehrgeiz und Gelassenheit zu finden. "Man sollte es nicht zu eilig haben, muss aber gleichzeitig sicherstellen, dass man so konkurrenzfähig ist wie möglich", erklärt er. Kwjat vertraut auf sein eigenes Können, will sich auch von der Tatsache nicht verrückt machen lassen, dass der Großteil der Red-Bull-Junioren in der Versenkung verschwunden sind, und bislang nur Vettel und mit deutlichen Abstrichen Daniel Ricciardo den Durchbruch geschafft haben.


Präsentation des Toro Rosso STR9

"Ich setze mich nicht mit der Vergangenheit auseinander", lässt ihn das Schicksal von Christian Klien & Co. kalt. "Wenn ich es nicht nach oben schaffe, dann bin ich nicht gut genug gewesen und habe nicht hart genug gearbeitet", sieht er seine eigene Perspektive nüchtern.

Vorurteile gegen Kwjat? Antworten gibt es nur auf der Strecke

Und auch die Tatsache, dass das russische Milchgesicht erst 19 Jahre alt ist und er dadurch womöglich von so manchem Kollegen unterschätzt wird, kann ihm nichts anhaben: "Es liegt nur an mir, dass sie mich nicht unterschätzen. Dafür kann ich ausschließlich auf der Strecke sorgen - und nicht durch Aussagen oder etwas anderes. Ich wurde so erzogen, dass ich meine Antworten auf der Strecke gebe. Wenn man gut genug ist und zeigen kann, dass man ein guter Fahrer ist, dann ist das erledigt."

"Ich wurde so erzogen, dass ich meine Antworten auf der Strecke gebe." Daniil Kwjat

Klar ist: Wenn Kwjat den Durchbruch schafft, dann könnte er für die Formel 1 zum Heilsbringer werden, denn die Königsklasse versucht seit einigen Jahren, den russischen Markt zu erobern. Bislang mit mäßigem Erfolg. Dieses Jahr sollte mit der Premiere des Grand Prix von Russland ein weiterer Schritt getan werden - wird Kwjat tatsächlich zum Formel-1-Star, dann könnte er den Eroberungsplänen des Sports als Drehzahl-Beschleuniger dienen.

"Die Formel 1 befindet sich in Russland im Wachstum und ist auf dem Weg, dort ein wirklich populärer Sport zu werden", sieht Kwjat, der "stolz" darauf ist, Russland in der Formel 1 zu repräsentieren, die Entwicklung in seiner Heimat positiv. "Ich hoffe, dass es so weiter geht, zumal der Russland-Grand-Prix eine große Hilfe ist. Auch die Tatsache, dass ein russischer Fahrer am Start ist, sollte helfen. Ich weiß derzeit nicht, was man erwarten kann, hoffe aber, dass es ein Erfolg wird."