Kritik am neuen Qualifying reißt nicht ab

Noch immer ist man unsicher, ob es am Qualifying-Format weitere Änderungen geben soll - Stimmen von Todt, Stoddart und Coulthard

(Motorsport-Total.com) - Jahrelang sah in der Formel 1 das Qualifying so aus, dass innerhalb von 60 Minuten bei maximal zwölf Runden pro Fahrer der schiere Speed entschieden hat, doch diese Ära wurde vor der Saison 2003 verabschiedet. Die Beweggründe damals: Einerseits wollte man Voraussetzungen für spannendere Rennen schaffen, andererseits den kleinen Teams mehr TV-Präsenz verschaffen.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Was das Qualifying-Format angeht, gehen die Meinungen weit auseinander

Ganz so, wie man sich das vorgestellt hatte, ist dieses Format jedoch nie aufgegangen, weshalb für 2005 schon wieder eine Reform des Qualifyings ausgearbeitet wurde. Nach derzeitigem Stand der Dinge wird es am Samstag und Sonntagmorgen je ein Einzelzeitfahren geben. Die Zeiten sollen addiert und für die Startaufstellung herangezogen werden. Allerdings haben neben Puristen nun auch die TV-Stationen Bedenken angemeldet, weil sie an den Sonntagen nicht so viel Sendezeit für die Formel 1 opfern wollen.#w1#

Viele Ideen, aber keine Einigkeit...

Von Einigkeit in dieser Frage ist man freilich weit entfernt, denn nicht einmal die Teams untereinander schaffen es, einen gemeinsamen Vorschlag auszuarbeiten - und so liegen zahlreiche verschiedene Meinungen, die nicht unter einen Hut gebracht werden, auf dem Tisch. Die Ideen sind teilweise skurril: Ex-Red-Bull-Teamchef Tony Purnell schlug ein Sprintrennen vor, manche wünschen sich ein modifiziertes Einzelzeitfahren, andere eine Rückkehr zum traditionellen Format.

"Wir haben jetzt ein Qualifying und die Leute sind nicht happy damit", stellte Ferrari-Teamchef Jean Todt fest, "aber gleichzeitig muss man sagen, dass es nie eine zufriedene Mehrheit geben wird. Die Welt ist im Sport und in der Industrie immer geteilt. Was jetzt im Raum steht, ist neu. Wir werden am Samstag wie bisher ein Qualifying haben und am Sonntagmorgen eine zweite Session, wobei die Zeiten addiert werden."

Dass der Sport dadurch Schaden nehmen wird, glaubt Todt nicht, und er unterstellt vielen, die jetzt entrüstet aufschreien, dass sie sich früher beschwert haben, "weil am Sonntagmorgen nicht genug los war. Also sind wir das Problem angegangen, haben etwas verändert - und jetzt jammern wieder alle", schüttelte er den Kopf. Außerdem äußerte der 58-jährige Franzose den leisen Verdacht, dass viele nur versuchen wollen, Ferrari mit dem Qualifying so stark wie möglich einzubremsen.

Stoddart hält neues Format für zu kompliziert

Sein Kollege Paul Stoddart von Minardi möchte am liebsten zur 2003er-Version zurückkehren: "Am Freitag hatte die Presse etwas, worüber sie berichten konnte, am Samstag war dann das traditionelle Qualifying für die Startaufstellung und am Sonntag schließlich das Rennen", so der Australier. "Ob die neue Idee funktioniert, weiß ich nicht. Mit den addierten Zeiten könnte es zu kompliziert werden, denn man muss es den Fans so erklären, dass sie auch verstehen können, was gerade passiert."

"In den letzten Jahren haben wir das Qualifying öfter geändert als in all der Zeit davor, an die ich mich erinnern kann", sprach er ein weiteres Problem an. "Viele wehren sich gegen das geplante Format für 2005, weil sie einen Rückgang der Zuschauer am Samstag befürchten. Die TV-Anstalten machen sich Sorgen, weil sie ihr Programm am Sonntag voll stopfen müssen." Und: "Wir dürfen nicht auf die Wünsche der Zuschauer vergessen, denn an dem Tag, an dem das passiert, sind wir tot."

"Privilegiert, dass uns 350 Millionen Menschen zuschauen"

Stoddart betonte, die Formel 1 sei "privilegiert, dass uns 350 Millionen Menschen 19 Mal im Jahr zuschauen", und er fordert deshalb eine Forcierung jener Vorschläge, die bei den Fans am besten ankommen. Auch gegen eine Rückkehr zum 60-Minuten-Format würde er nicht blockieren: "Natürlich wollen wir, dass unsere Autos im Fernsehen gesehen werden, aber wenn im Sinne des Sports wieder alle Autos gleichzeitig auf der Strecke sein sollen, dann werden wir uns nicht in den Weg stellen."

Dies wäre übrigens die Lieblingsvariante von Todt: "Ich persönlich habe das Qualifying am interessantesten gefunden, als am Samstag zwölf Runden gefahren wurden und die schnellste davon gezählt hat. Das war meiner Ansicht nach die beste Lösung. Die Änderungen wurden beschlossen, um Ferrari einzubremsen. Wir haben dem zugestimmt, aber ich möchte wiederholen, dass ich das frühere Format besser finde", gab er zu Protokoll.

Noch ist aber ohnehin nicht das letzte Wort gesprochen, glaubt auch David Coulthard: "Nach zehn Jahren in diesem Sport weiß ich, dass Dinge, die ins Reglement aufgenommen werden, sich jederzeit ändern können", erklärte er gegenüber 'Autosport'. "Es ist noch nicht klar, ob die Regeln so bleiben werden. Die TV-Firmen wollen nicht, dass das Qualifying auf zwei Tage aufgeteilt wird. Ich glaube, dass sich da bis Melbourne noch etwas tun wird."

Keine Änderung vor Saisonbeginn laut Frank Williams

Frank Williams glaubt hingegen nicht an eine Änderung: "Das System ist entschieden. Die einzige Möglichkeit, wie es noch verhindert werden könnte, ist die, dass alle Teams, Max (Mosley; Anm. d. Red.) und Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) einstimmig ein anderes System beschließen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass hinter so einer Initiative genug Energie steckt. Wenn sich Bernie eine Änderung wünscht, würde er sicher einen Aufstand machen und sich damit durchsetzen."

Der 62-Jährige gab in diesem Zusammenhang zu, dass die Teams in solchen Fragen dem Formel-1-Zampano vertrauen: "Was die TV-Anfragen angeht, wenden wir uns immer an Bernie. Wir fragen ihn immer, was er für das Beste hält. Das ist nun einmal so." Schließlich ist es Ecclestone zu verdanken, dass die Königsklasse in den letzten Jahren zu einem lukrativen Business geworden ist - er war es, der seinerzeit die Teams dazu überredet hat, ihn alle TV-Rechte in ihrem Interesse aushandeln zu lassen.