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Kreyer: "Haben bei Toyota einiges aufgebaut"
Im ersten Teil des Interviews mit 'F1Total.com' beleuchtet Norbert Kreyer die Hintergründe seiner Trennung vom Toyota-Team
(Motorsport-Total.com) - Im schrecklich oberflächlichen und abgehobenen Formel-1-Business gibt es heute nur noch vereinzelt echte Typen mit Handschlagqualität. Norbert Kreyer ist einer davon. Seit seiner Trennung von Toyota im vergangenen August, die in den Medien fälschlich als Entlassung dargestellt wurde, wie er im Gespräch mit 'F1Total.com' beleuchtet, verbringt er seine Zeit aber vor allem in seinem Heimatort Niederzissen.

© Toyota
Norbert Kreyer wurde nicht gekündigt, sondern hat Toyota selbst verlassen
Im ersten Teil unseres Interviews zieht der 52-Jährige nach fast einem Jahrzehnt Toyota - erst als Motorenchef, dann in der Chassisabteilung engagiert - Bilanz, erklärt, warum er im Sommer plötzlich genug hatte, und spricht über die Zukunft seines früheren Arbeitgebers. Was viele bisher nicht wussten: Kreyer hat aus freien Stücken das Handtuch bei Toyota geworfen und arbeitet seit Mitte August nicht mehr im Toyota-Werk im Kölner Stadtteil Marsdorf, obwohl er noch bis 31. Dezember unter Vertrag steht.#w1#
"Erfolg war nicht so da, wie man ihn erwartet hat"
Frage: "Herr Kreyer, ist der Blick zurück nach so vielen Jahren bei Toyota ein verbitterter oder einer mit Stolz und Zufriedenheit?"
Norbert Kreyer: "Ich habe schon 1997 angefangen bei Toyota. Wir waren in Le Mans sehr erfolgreich und dann sind wir in die Formel 1 gegangen. Wir haben schon einiges aufgebaut. Der Erfolg war natürlich nicht so da, wie man ihn erwartet hat, und er ist im Moment auch noch nicht da. Ich gehe aber schon davon aus, dass Toyota in ein paar Jahren Erfolg haben wird, aber sie haben sich das vielleicht ein bisschen einfacher vorgestellt. Da muss hart gearbeitet werden."
Frage: "Ihr Dienstvertrag läuft noch bis Jahresende. Wie ist das Verhältnis zu Toyota heute und arbeiten sie tatsächlich noch in Köln?"
Kreyer: "Nein. Ich bin freigestellt und im Moment zuhause. Der Vertrag läuft aber noch bis 31. Dezember."
Frage: "Was machen Sie im Moment? Oder genießen Sie einfach ein paar ruhige Wochen?"
Kreyer: "Im Moment verbringe ich einfach ein paar ruhige Wochen."
Frage: "Wann und wie genau haben Sie davon erfahren, dass Toyota ohne Sie für die Zukunft plant?"
Kreyer: "Das stimmt so nicht. Toyota hat das von mir erfahren. Ich habe gekündigt, wollte aufhören. Das ging nicht von Toyota aus. Ich konnte nicht mehr das umsetzen, was ich an und für sich wollte. Dann bin ich zu einem Punkt gekommen, an dem ich gesagt habe, 'Okay, wenn ich nicht mehr die Sache sehe, die ich gerne umsetzen möchte, dann müssen wir uns trennen', also haben wir uns an einen Tisch gesetzt. Ich bin dann freiwillig ausgeschieden und Toyota hat dem Ganzen zugestimmt. Unglücklich war nur, dass das zusammengefallen ist mit der Entlassung von Ange Pasquali. Dadurch ist das in der Presse falsch dargestellt worden. Das ist von Toyota ein bisschen unglücklich kommuniziert worden, aber die Entlassungen von Ange Pasquali und Norbert Kreyer waren voneinander komplett unabhängig. Das ist zwar richtig gestellt worden, aber zu spät. Ich hatte einfach meine Freiheiten nicht mehr, also haben wir uns zusammengesetzt und einen Auflösungsvertrag gemacht."
Kreyer fragte sich, "ob das überhaupt noch Sinn macht"
Frage: "Interpretiere ich Sie da richtig, dass das damit zu tun hat, dass Sie von Ihrer ursprünglichen Position in der Motorenabteilung abgezogen worden sind?"
Kreyer: "Nein. Das hat damit nichts zu tun. Unser Technischer Direktor war damals Andre de Cortanze, der dann aber entlassen worden ist. Von da an war ein Japaner unser neuer Technischer Direktor. Zwei Leute von der Motorenabteilung sind in die Chassisabteilung rüber, denn der Motor lief gut, die Organisation funktionierte, aber in der Chassisabteilung sollten wir beim Aufbauen mithelfen. Das hat vom Erfolg her nicht ganz so geklappt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Die Chassisorganisation war nicht so erfolgreich wie die Motorenorganisation."
Frage: "Der Eindruck, dass sie sich in der neuen Position nicht mehr so wohl gefühlt haben, stimmt aber schon?"
Kreyer: "Nein, ich konnte nur einfach nicht mehr das umsetzen, was ich mir vorgestellt hatte. Wir haben einen neuen Technischen Direktor bekommen, der andere Vorstellungen hatte. Irgendwann habe ich dann gesagt, 'Es geht nicht mehr', denn man will eben manchmal etwas in diese oder jene Richtung probieren. Wenn man dann aber nur hört, 'Das machen wir nicht so', dann fragt man sich irgendwann, ob das alles überhaupt noch Sinn macht. Und so bin ich zum Punkt gekommen, wo ich gesagt habe, dass ich etwas anderes machen muss."
Frage: "Waren Sie bis zum Schluss voll in alle Entwicklungsgeheimnisse eingeweiht?"
Kreyer: "Ja, klar. Bis ich aufgehört habe. Im August haben wir uns zusammengesetzt. Bis dahin war ich an allen Entwicklungen beteiligt. Das ist aber auch klar. Die Sache ist ja von mir angestoßen worden."
Frage: "Das heißt, der Dienstvertrag läuft noch bis 31. Dezember, aber Sie sind schon seit August freigestellt. Verstehe ich Sie da richtig?"
Kreyer: "Wir sind Mitte August auseinander gegangen. Ich hätte eigentlich einen längeren Vertrag mit Toyota gehabt, aber wir haben uns geeinigt, den abzukürzen. Jetzt läuft er eben nur bis 31. Dezember."
"Kurusu kann nicht Technischer Direktor sein"
Frage: "Von den Führungspersönlichkeiten der ersten und zweiten Stunde des Teams sind viele nicht mehr dabei. Ich denke etwa an Ove Andersson, der von John Howett abgelöst wurde, Andre de Cortanze, aber auch Gustav Brunner, dem Mike Gascoyne vor die Nase gesetzt worden ist..."
Kreyer: "Das kann man so nicht formulieren, glaube ich. Ove Andersson war ja Präsident von uns. Er ist aus Altersgründen ausgeschieden. Japan ist da ein bisschen strikter als wir in Deutschland. Als er 65 Jahre alt war, kam an seiner Stelle John Howett. Sicher hätte man das ein bisschen eleganter lösen können, aber dazu möchte ich mich jetzt nicht äußern. Ove hat noch einen Vertrag als Berater, der dieses oder nächstes Jahr ausläuft. Was Gustav Brunner angeht, war er immer Chefdesigner, nie Technischer Direktor. Er war anfangs dem Kurusu unterstellt, der gleichzeitig Vizepräsident ist und den Job als Technischer Direktor übernommen hat. Der Gustav und ich haben praktisch parallel gearbeitet, aber Gustav war nie als Technischer Direktor eingesetzt. Kurusu, der wie gesagt auch Vizepräsident der Firma ist, kann in meinen Augen nicht Technischer Direktor sein. Der ist dazwischen eingeschoben worden, bis Mike Gascoyne gekommen ist."
Frage: "Mike Gascoyne gilt als 'harter Hund' in der Branche. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?"
Kreyer: "Ich würde nicht unbedingt 'harter Hund' sagen, um ehrlich zu sein. Es gab aber klarerweise Meinungsverschiedenheiten, also habe ich gesagt, 'Okay, ich mache da nicht mehr mit', weil ich glaube, dass man mehr Erfolg hätte haben können. Aber gut, das ist seine Entscheidung und die muss man respektieren. Ich würde nicht sagen 'harter Hund'. Dass es untereinander Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, ist klar. Er hat den Job als Technischer Direktor bekommen und muss seine Arbeit ja auch verantworten können."
Frage: "War die Atmosphäre im Team harmonisch, als sie Toyota verlassen haben?"
Kreyer: "Ich weiß nicht. Wenn man Erfolg hat, lässt es sich einfacher arbeiten, das ist ganz logisch. Deswegen ist aber das Team nicht schlecht. Das Team arbeitet schon zusammen und man kann nicht sagen, 'Herrje, da ist die Hölle los'. Das ist nicht der Fall. Die Leute waren schon engagiert und haben wirklich ihr Bestes gegeben, aber manchmal ist eben nicht mehr drin, wenn die Technik nicht mehr zulässt. Die Harmonie im Team war da, das ist nie ein Problem gewesen."
Ein Fahrerproblem sah Kreyer bei Toyota nie
Frage: "Alleine an der Fahrerwahl für nächstes Jahr kann man erkennen, dass Toyota 2005 Großes vorhat. Was trauen Sie Toyota zu?"
Kreyer: "Gut, die Fahrer waren letztes Jahr auch nicht schlecht. Es gibt keine schlechten Fahrer und Panis und da Matta haben einen guten Job gemacht. Aber ich gebe Ihnen schon Recht, dass man diesmal wirklich nach Top-Fahrern Ausschau gehalten hat. Im Endeffekt ist es einfach so, dass man alles hundertprozentig beisammen haben muss, wenn man nach vorne will, und dazu gehören auch die besten Fahrer. Der Erfolg hängt genauso von den Fahrern ab wie von der Technik und der Teamorganisation. Früher ist Toyota da immer ein bisschen konservativer vorgegangen. Da haben sie sich bei den Fahrern gefragt, ob sie einen Top-Mann überhaupt schon wollen und sich das leisten können. Ich finde, man hätte diese Philosophie schon früher ändern sollen, dann wäre man vielleicht besser gefahren. Ich muss aber noch einmal sagen, dass Panis und da Matta mit diesem Auto meines Erachtens einen guten Job gemacht haben."
Frage: "Und was trauen Sie dem Team 2005 konkret zu?"
Kreyer: "Hoffentlich mehr. Ich hoffe, dass das Auto besser wird. Schwierig wird es sicher mit den technischen Änderungen. Wenn man die ganzen Änderungen der Aerodynamik sieht, wird es schwierig sein, das neue Auto mit dem diesjährigen zu vergleichen. Das ist aber für alle Teams gleich. Man muss jetzt einmal abwarten, wie man das Paket hinkriegt. Ich gehe davon aus, dass die Flügel inzwischen geändert wurden, und damit fährt sich ein Auto natürlich ganz anders. Toyota braucht ein neues Auto, das ist klar. Es ist vielleicht ein bisschen unglücklich gelaufen, dass gerade jetzt ein neues Reglement kommt. Jetzt muss in die Entwicklung auch das neue Reglement eingebunden werden. Wie man das hinkriegt, muss man abwarten."

