• 08.08.2007 16:43

  • von Harry Miltner

Kovalainen: In der Ruhe liegt die Kraft

Heikki Kovalainen hatte einen holprigen Start in seine Formel-1-Karriere, ist nun aber auf dem Weg ganz nach oben - und seine innere Ruhe soll ihm dabei helfen

(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Rookie Heikki Kovalainen erlangte spätestens mit seinem Sieg beim Race of Champions 2004 in Paris, als er im Semifinale Michael Schumacher ausschaltete, internationale Bekanntheit. Nach einem durchwachsenen Saisonstart in der Formel 1 ist der Finne auf dem Weg an die absolute Weltspitze. Dennoch ist er bescheiden geblieben.

Titel-Bild zur News: Heikki Kovalainen

Kommender Formel-1-Star ohne große Starallüren: Heikki Kovalainen

Sein Weg in die Königsklasse war eigentlich schon von seinen ersten Worten an vorgezeichnet: "Das erste Wort, das ich sagen konnte, war zum großen Missfallen meiner Eltern nicht 'Papa', sondern 'Auto'."#w1#

Im Kindesalter auf dem Moped

Erste Schritte machte der sympathische Blondschopf beim Tunen seines Mopeds, auch wenn "ich dann ohne Hilfe meines Vaters nicht mehr alle Teile richtig zusammensetzen hätte können." Seine ersten Karrierehighlights waren der Vizetitel 1999 in der Finnischen Kartmeisterschaft und der dritte Platz bei der Kart-Europameisterschaft. Dem Motorsport war er bereits seit frühester Kindheit verbunden: "Als ich noch sehr, sehr jung war, wollte ich immer schon Rennfahrer werden. Ich verfolgte aber zuerst viel Rallye, denn das war der Sport in meiner Region."

Manchmal fragt sich Kovalainen noch heute, wieso er damals mit sechs Jahren in ein Go-Kart stieg um auf Rundstrecken zu fahren, und nicht dem Rallyesport weiter nacheiferte: "Dabei wäre es bei uns am Land so leicht gewesen, einfach auf den Seitenstraßen zu üben. Natürlich wäre es illegal, aber das machen hier alle." Vorbilder hatte er aber keine, auch als Kind nicht: "Natürlich habe ich viel Sport im TV geschaut und auch zum Beispiel Formel 1 zu der Zeit, als Mika Häkkinen gerade bei McLaren anfing. Aber Helden hatte ich nicht." Dennoch hegt der Renault-Pilot großen Respekt für Sportler "wie Valentino Rossi. Aber er sein möchte ich nicht. Ich bin ganz froh, ich selbst zu sein."

Junge vom Land

Kovalainen, der aus einer ländlichen Gegend, genauer gesagt aus Suomussalmi, stammt, liebt die Ruhe und Gelassenheit, die ihn dort immer erwartet: "Ich bin genauso entspannt wie die Leute aus meiner Gegend. Ich bin offen und zugänglich und ich unterhalte mich gerne. Das tun alle Leute aus meiner Gegend." Diese Qualität spricht er übrigens auch seinem besten Rennfahrerkollegen, Kimi Räikkönen, zu, der weithin ja als 'stummer Fisch' gilt: "Das ist gar nicht wahr. Die meisten Leute kennen eben nur den Rennfahrer Räikkönen, der völlig auf seinen Job fokussiert ist. Abseits der Strecke ist Kimi ein echt cooler Typ, hat lustige Sprüche drauf, ist offen und ehrlich. Leider sehen wir uns nicht so oft, weil er ja in der Schweiz wohnt und ich in England."

"Ich bin genauso entspannt wie die Leute aus meiner Gegend." Heikki Kovalainen

Kovalainen liebt die Gesellschaft von Menschen, ganz besonders seiner Familie und seiner Freunde von zuhause. Dennoch hat er auch seine "asozialen Phasen", wenn er stundenlang vor Computerspielen sitzt und sich an der PlayStation vergnügt: "Ich habe alle möglichen Lenkräder und sogar ein voll ausgestattetes Flugzeugcockpit. Schließlich habe ich ja auch eine Lizenz zum Helikopterfliegen. Da ist es naheliegend, dass ich gerne Flugsimulatoren spiele." Bei aller Spielsucht - auf der virtuellen Formel-1-Piste findet man Kovalainen nicht: "Das ist nicht meins. Fliegen oder Rallyefahren, das bin ich."

Neuer Paradefinne

Sportlich wird Kovalainen bereits als Nachfolger der Paradefinnen Keke Rosberg, Mika Häkkinen und Kimi Räikkönen gehandelt. Doch die Saison 2007 lief bisher noch nicht wirklich nach Wunsch: "Vor dem Saisonauftakt in Australien dachten wir, wir wären viel näher an der Spitze und könnten um Siege fahren. Die Rennen Down Under, in Malaysia und Bahrain haben uns dann klar aufgezeigt, dass wir zu langsam sind. Persönlich wollte ich natürlich alles zerreißen und gleich im ersten Jahr um den Titel mitfahren. Aber das war dann wohl zu sehr Wunschdenken."

Mit 16 Punkten liegt der Finne derzeit auf Rang acht der Gesamtwertung, zwar nur einen Zähler hinter Teamkollege Giancarlo Fisichella, aber meilenweit hinter WM-Leader Lewis Hamilton (80 Punkte). "Wir müssen den Kahn wieder in die richtige Richtung steuern, den Wagen schneller machen. Ich selbst muss sehen, dass ich so wenige Fehler wie möglich mache. Denn das Ziel heißt, BMW noch als dritte Kraft abzufangen - und das kann uns gelingen", so der 25-Jährige.

Cockpit fast verschenkt

Kovalainen kam 2002 zu Renault und hatte eigentlich Glück, noch in den Nachwuchskader aufgenommen zu werden: "Sie fragten mich Ende 2001 und ich lehnte ab, denn ich wollte in die Formel 3. Als mir dann dort die Felle davonschwammen, rief ich kleinlaut bei Renault an und hoffte, dass sie sich noch an mich erinnern würden. Sie nahmen mich schlussendlich und ich bin heute der Einzige vom damaligen RDD-Programm, der noch dabei ist. Fast hätte ich es aber verbockt." Anschließend arbeitete er sich konsequent nach oben, wurde 2005 in der GP2-Serie hinter Nico Rosberg Gesamtzweiter und bekam von Renault-Teamchef Flavio Briatore 2006 einen Testfahrervertrag. 2007 wurde er zum Einsatzpiloten bestellt.

"Als mir dann dort die Felle davonschwammen, rief ich kleinlaut bei Renault an und hoffte, dass sie sich noch an mich erinnern würden." Heikki Kovalainen

"Ich habe schon jetzt viel gelernt. Fahrerisch habe ich mir einiges selbst eingebrockt, denn wenn man im Qualifying hinten steht, dann lernt man automatisch, wie man sich durch den Verkehr nach vorne arbeitet. Aber im Ernst, der Saisonstart war nicht großartig, aber nun beginnt es zu laufen", sagte er. Dabei hatte sich der Finne akribisch vorbereitet, sich erstmals in seiner Karriere einen eigenen Physiotrainer geleistet: "Er kam über Weihnachten zu mir nach Finnland und wir trainierten wie verrückt. Das Rennen in Australien war dann ein Reinfall, aber nicht wegen meiner Vorbereitung."

Finnische Ruhe gegen Formel-1-Stress

Mittlerweile hat sich Kovalainen in der Formel-1-Welt eingelebt und punktet regelmäßig. Dennoch ist ein Besuch in der Heimat immer eine willkommene Pause: "Mein Leben in Finnland ist völlig anders. Mein Vater war immer selbstständig, fährt heute noch Bus oder Taxi, und meine Mutter arbeitete lange beim Wetteramt. Dort ist es egal, wenn ich keine Topklamotten trage und ich kann seelenruhig durch die 3.000-Einwohner-Stadt spazieren. Natürlich kennen mich die Leute, aber sie lassen mich in Ruhe." Dabei hat er immer ein offenes Ohr für Fans, lässt sich ablichten oder gibt Autogramme: "Keine Frage; die Leute unterstützen mich ja, also versuche ich auch immer Zeit für sie zu haben. Aber manchmal geht es eben nicht."

Finnland ist sein Refugium, um sich vom Formel-1-Stress zu erholen: "Wenn ich zuhause ankomme, ist alles auf einen Schlag ruhig. Dann treffe ich mich mit Freunden, wir gehen im Wald grillen und ich lade meine Batterien auf." Neben seiner finnischen Heimat hat ihn im WM-Zirkus Japan am meisten beeindruckt, ganz besonders Tokio: "Tokio ist eine ganz eigene Stadt. Riesig und doch so familiär. Die Leute sind unglaublich nett, holen dir einen Adapterstecker vom anderen Ende der Stadt." Kovalainen liebt Japan, auch wenn er Sushi nicht ausstehen kann: "Roher Fisch und mein Magen passen einfach nicht zusammen." Was der Finne auch nicht mag, sind Leute, die ihn anlächeln und dann hinter seinem Rücken schlecht über ihn sprechen: "Man muss den Mut haben, so etwas direkt anzusprechen."

Nicht zu nett sein

Überhaupt gilt Kovalainen als "nett". Aber das ist ihm gar nicht immer so recht, denn "zu nett darf man in der Formel 1 nicht sein. Sonst bist du gleich verschrien, dass dir der Mumm fehlt, hart zu fahren und zu gewinnen. Dennoch glaube ich nicht, dass man ein böser Junge sein muss, um erfolgreich zu fahren." Und so hält er es auch mit seinem Teamkollegen Fisichella: "Wir kommen gut miteinander aus, aber wenn wir reden, sprechen wir meistens über andere Dinge, nicht die Autos oder die Rennen", denn, so Kovalainen, darüber spräche man am besten mit seinem Renningenieur. "Mit den Fahrern plaudert man viel eher über das vergangene Wochenende oder die Partys."

"Zu nett darf man in der Formel 1 nicht sein." Heikki Kovalainen

Mit seinen Mechanikern verbringt Kovalainen viel Zeit: "Nach dem Qualifying muss man die Rennstrategie ausarbeiten, vielleicht noch den Reifendruck oder die Flügeleinstellungen ändern", damit für das Rennen alles passt. Vor der Punktejagd ist der Finne nie aufgeregt, "auch wenn eine leichte Anspannung da ist, aber die ist nötig." Rituale kennt er auch keine, denn "was ist, wenn ich das dann einmal vergesse? Dann denke ich das ganze Rennen daran und fahre bestimmt einen Blödsinn zusammen." Laut Kovalainen ist Rennfahren einfach das Beste, der Kampf mit den anderen Piloten, das an die Grenzen gehen, "aber es gibt keine Abkürzung in die Formel 1. Man muss hart an sich arbeiten und immer sicherstellen, dass man Sponsoren hat, die einen eine Saison lang unterstützen. Nur wer Titel gewinnt, macht auf sich aufmerksam."

Bescheidenheit behalten

Auf sich aufmerksam gemacht hat Kovalainen durch seine Leistungen, aber auch durch seine menschliche Art: "Ich bin ein ganz normaler Typ. Ich mag Sprachen, besonders Englisch, mag R'n'B, Rockmusik (besonders Finnlands Export Him) und wünsche mir ein Tattoo auf der Schulter. Allerdings habe ich noch nicht das richtige gefunden." Mathe und Physik hat er nie gemocht, "aber dafür haben wir ja unsere Techniker im Team", lacht er. Gewünscht hat er sich auch ein neues Helmdesign, und sein derzeitiges bezeichnet er als das bisher beste: "Das allererste Design habe ich 2000 selbst gemacht, aber ich bin da kein großes Talent. Daher habe ich nun einen Designer, der mir das macht und ständig adaptiert. Das jetzige passt sogar hervorragend zu unserem Auto, obwohl wir damals die Farben noch gar nicht kannten."

Was Kovalainen auch nicht kennt, ist Großspurigkeit. Obwohl er bei Renault einen Millionenvertrag unterschrieben hat, "habe ich mich mit meinem ersten Gehaltsscheck nicht beschenkt. Ich spare lieber für schlechte Zeiten. Höchstens für meinen PC habe ich Geld ausgegeben." Am ehesten schwebt ihm der Kauf eines Hauses in Nordfinnland vor: "Meinen Eltern würde ich ja auch was kaufen, aber die haben alles, was sie brauchen. Aber eigentlich bin ich ja noch gar nicht so reich", scherzt der Finne.

Das kommt noch - genauso sicher, wie der sportliche Erfolg...