Kovalainen: "Freue mich auf ein starkes Wochenende"
Heikki Kovalainen über seinen heftigen Barcelona-Unfall, die geringen Auswirkungen, die schnelle Genesung und sein Geschenk zum Muttertag
(Motorsport-Total.com) - Heikki Kovalainen kann am Sonntag beim Grand Prix der Türkei ganz normal an den Start gehen. Das ist zunächst die wichtigste und beste Nachricht des Donnerstags. Der McLaren-Mercedes-Pilot hat am Vormittag den Gesundheitscheck der FIA-Mediziner problemlos bestanden und geht guter Dinge an das Rennen in Istanbul. Im Rahmen der offiziellen FIA-Pressekonferenz ließ der Finne die Geschehnisse noch einmal Revue passieren.

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Heikki Kovalainen darf am Wochenende in den McLaren-Mercedes klettern
Frage: "Heikki, es ist schön, dich hier zu sehen. Du hast heute morgen den medizinischen Test bestanden. Was musstest du dort tun?"
Heikki Kovalainen: "Im Gunde ist es der Test, den alle Fahrer zu Beginn ihrer Formel-1-Karriere ablegen müssen. Als ich in der vergangenen Saison in Australien mein Debüt gab, habe ich diesen Test zur Erfassung meiner Grunddaten gemacht. Es ist eine Kombination von Tests und Berechnungen. Vereinfacht gesagt schauen sie, ob dein Gehirn und dein Körper normal arbeiten und wie deine Reaktionen sind. Ich habe diesen Test heute Vormittag wiederholt und konnte sogar meine Punktzahl verbessern, also hatte der Einschlag einen positiven Effekt."#w1#
Fitness in Finnland
Frage: "Hast du gemerkt, wie es nach dem Unfall stetig wieder mit dir bergauf ging?"
Kovalainen: "Ja. Am Montag nach dem Unfall hatte ich Kopfschmerzen. Aber danach ging es wirklich schnell besser. Ich bin am Donnerstag aus Spanien abgereist und ab Samstag habe ich in Finnland ganz normal trainiert. Ich bin zu einem Sportinstitut gegangen, das mit McLaren kooperiert und habe mit unserem Teamarzt gemeinsam die Vorbereitung auf das Türkei-Rennen gestartet. Seitdem läuft alles ganz normal und ich freue mich jetzt auf ein starkes Wochenende und darauf, dass ich 100 Prozent fit wieder ins Auto einsteigen kann."
Frage: "Wie hast du reagiert, als du deinen Unfall im Fernseher gesehen hast?"
Kovalainen: "Ich habe es mir später einmal angeschaut. Es war sicherlich ein ernster Unfall, bei dem ich glimpflich davonkam. Ich glaube, ich hatte ein bisschen Glück dabei. Ich muss aber auch sagen, dass all die Sicherheitsvorkehrungen der FIA erstklassig Wirkung gezeigt haben. Das Chassis hat den Aufschlag ebenso gut angefangen wie die Reifenstapel. Das medizinische Hilfsteam der FIA und die Marschalls dort vor Ort haben tolle Arbeit geleistet und mich schnell da herausgeholt. Schon nach kurzer Zeit konnte ich mich gänzlich erholen, ohne irgendwelche körperlichen Schäden. Ich glaube, wir müssen jederzeit an der Sicherheit weiter arbeiten, aber das hat sich alles sehr gut an dem Tag ausgezahlt."
Frage: "Gib uns bitte eine Einschätzung zum Sicherheitsstandard in der Formel 1 und zum Job der FIA, die dafür sorgt, dass ihr Fahrer am Wochenende sicher seid."
Kovalainen: "Wie ich schon sagte, alle Elemente haben hervorragend funktioniert. Das Auto, die Reifenstapel, das Bergen aus dem Auto, der Transport ins Medical-Center und weiter ins Krankenhaus in der Stadt - all das hat erstklassig funktioniert. Es war nicht nur Glück, dass ich diesen Unfall so überstanden habe. Da hat sich harte Arbeit bezahlt gemacht. Ich bin dafür unendlich dankbar. Wir müssen die Sicherheitsdinge dennoch immer weiter verbessern. Sobald wir neues Verbesserungspotenzial irgendwo entdecken, sollten wir es sofort angehen."
Winken ohne Wahrnehmung
Frage: "Du warst bei deinem Unfall eine Zeit lang bewusstlos. Hilft es beim Überwinden eines solchen Ereignisses, wenn man sich an die Details nicht mehr erinnern kann?"
Kovalainen: "Ich muss dazu sagen, dass ich nicht das Gefühl habe, zwischendurch bewusstlos gewesen zu sein. Die ersten Leute, die am Unfallort eintrafen haben mir gesagt, ich sei bei Bewusstsein gewesen und sie hätten mir geholfen, da heraus zu kommen. Ich habe keine Ahnung, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich denke bei einem solchen Einschlag ist es eine Art Schutzmechanismus deines Körpers, der dann etwas herunterfährt, um dein Gehirn und deine Organe zu schützen. Ich habe kein Problem damit. Es wäre schön, wenn ich irgendwann einmal die Bilder in meinem Kopf komplettieren könnte. Ich hätte zumindest kein Problem damit, aber im Moment kann ich nur über die Dinge reden, die ich im Video gesehen habe."
Frage: "Als du im ersten Moment in diesem Reifenstapel gesteckt hast. Erinnerst du dich daran, ob die Reifen auf deinen Kopf drückten oder du im Auto eingeklemmt warst?"
Kovalainen: "Ich habe im Video gesehen, dass die Reifen da über mir waren und ich die Reifenstapel quasi durchschnitten habe. Aber an den Moment erinnere ich mich nicht."
Frage: "Hattest du Spuren an deinem Helm?"
Kovalainen: "Ja, sogar eine ganze Menge Spuren. Ich denke, der Helm hat seine Wirkung gezeigt. Er hat den Einschlag abgefedert und ich habe keinerlei Kopfverletzungen. Das ist das am allerwichtigsten."
Frage: "Warst du zum ersten Mal bewusstlos und war das der schlimmste Unfall deiner Karriere?"
Kovalainen: "Ja, das trifft beides zu. Ich war nie zuvor bewusstlos. Ich hatte schon einige andere heftige Unfälle, aber keiner davon hat mich jemals so dermaßen ausgeknockt. So gesehen war es mein bislang schlimmster Unfall."
Aufwachen im Krankenhaus

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Vorsorglich flog man Heikki Kovalainen sofort in eine Klink nach Barcelona Zoom
Frage: "Was war dein erster Gedanke nach dem Unfall, als du wieder wach warst?"
Kovalainen: "Ich erinnere mich daran, dass ich auf der Intensivstation des Krankenhauses lag und um mich herum eine ganze Menge Leute waren. Ich war etwas verwirrt und fragte unseren Teamarzt, was wir dort tun würden. Er hat mir dann erklärt, was passiert war und ab diesem Moment war ich wieder voll da."
Frage: "Verstehe ich das richtig? Du hast also den Zuschauern von der Trage aus gewunken und davon gar nichts mitbekommen?"
Kovalainen: "Wie ich eben schon sagte: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich gewunken habe. Ich war die ganze Zeit hellwach, als mir die Leute da herausgeholfen haben. Ich sagte ihnen, sie sollten meinen Helm abnehmen. Ich half ihnen dadurch, dass ich sagte ich sei okay. Nur mein Kopf war etwas durcheinander und meine Festplatte hat diese Dinge nicht gespeichert, wenn man so will. Erst also sich die Lage etwas beruhigte, kam ich im Krankenhaus wieder richtig zu mir und dann war alles normal. Es ist gut für euch, dass ich gewunken habe und ich glaube, ich fühlte mich ganz gut."
Frage: "Die Reifenstapel haben gut gewirkt und deine Geschwindigkeit gut abgefangen. Auf der anderen Seite hat es recht lange gedauert, bis man dich dort herausgeholt hatte. War das ein Problem?"
Kovalainen: "Ja sicher. Das ist etwas, das wir uns noch einmal in Ruhe anschauen müssen. Wir sollten überlegen, ob wir da nicht vielleicht eine bessere Lösung finden können. Zum Glück war ich nicht verletzt und somit war keine Eile geboten, mich dort herauszuholen. Das hat mein Leben nicht irgendwie in Gefahr gebracht. So gesehen haben die Reifenstapel ihren positiven Effekt gehabt. Wenn ich mich allerdings beim Treffen auf die Barriere verletzt hätte und man mich schnell hätte bergen müssen, dann wäre das schon grenzwertig gewesen. Das ist etwas, wo wir noch einmal genauer hinschauen müssen."
Ausbau mit Augenmaß
Frage: "Würdet ihr euch noch wohler fühlen, wenn man an den Strecken so genannten Safety-Barriers istallieren würde, die man aus den USA kennt?"
Kovalainen: "Wir sollten uns die gefährlichen Kurven einzeln anschauen und einzeln handhaben. Wir müssen die kritischen Punkte ausmachen und dann nach Lösungen suchen. Jetzt einfach überall irgendwelche Barrieren aufzubauen, ist nicht Ziel führend. So einfach ist es nicht. Aus meiner Sicht haben die Maßnahmen in Kurve neun von Barcelona in meinem Fall gut gewirkt. Jetzt müssen wir schauen, ob wir etwas besser machen können und uns auch andere Ecken anschauen."
Frage: "Am kommenden Sonntag ist Muttertag. Sag uns noch ein paar Worte über die Rolle deiner Mutter in deiner Karriere."
Kovalainen: "Meine Mutter interessiert sich immer für die Dinge, die alle Kinder in unserer Familie machen. Sie hat mich immer unterstützt. Als ich am Sonntag in Barcelona fuhr, war sie bei der Arbeit. Mein Vater hat sie angerufen und ihr gesagt, dass ich einen Unfall hatte. Sie musste erst einmal Schlucken. Als sie dann nach Hause kam und im Fernsehen sah, was passiert war, da wurde sie etwas verrückt. Sie erholt sich aber jetzt wieder. Ich denke, ich sollte ihr ein besseres Geschenk zum Muttertag machen, als einen Anruf aus dem Krankenhaus mit den Worten: 'Ich hatte einen Unfall'."

