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Kollektives Staunen über Pirellis Haltbarkeit
Von Sebastian Vettel bis Sergio Perez überhäuft der Formel-1-Paddock Pirelli mit Lob - C30 des Sauber-Teams ein echter "Reifenflüsterer"?
(Motorsport-Total.com) - Mindestens vier Boxenstopps hatten Pessimisten aufgrund des hohen Verschleißes der Pirelli-Reifen vorhergesagt, maximal drei sind es letztendlich geworden: Das Formel-1-Comeback des Bridgestone-Nachfolgers aus Italien kann getrost als Erfolg bezeichnet werden. Das war nach dem Saisonauftakt in Melbourne quer durch das Fahrerlager der einhellige Eindruck.

© xpb.cc
Pirelli wurde nach dem Saisonauftakt von allen Seiten mit Lob überhäuft
"Wir müssen Pirelli ein Kompliment aussprechen", lobt Weltmeister Sebastian Vettel, der im Vorfeld arge Befürchtungen geäußert hatte. "Es war nicht einfach, so rasch einen Reifen zu bauen. Im Winter setzten wir sie ziemlich unter Druck - auch ich. Wir befürchteten, zu viele Boxenstopps zu haben. In Melbourne waren es aber gar nicht so viele und es gab sogar eine Einstoppstrategie. Alles in allem haben sie ihre Arbeit gut gemacht."
Der Red-Bull-Pilot kam auf dem Weg zum Sieg mit zwei Reifenwechseln aus, genau wie der zweitplatzierte Lewis Hamilton. Der konnte gar nicht glauben, dass ihm die gleichen Reifen an seinen McLaren geschraubt wurden wie bei den Wintertests: "Ich hatte das Gefühl, als hätte man komplett neue Reifen hierher gebracht. Sie verhielten sich einfach fantastisch - ähnlich, wenn nicht sogar besser als die Pneus, welche ich in der Vergangenheit probieren konnte."
Hamilton angenehm überrascht
"Sie waren fantastisch. Als wir hier ankamen, rechneten wir mit bis zu vier Reifenwechseln. Im Rennen waren es schließlich nur zwei Boxenstopps", betont der McLaren-Fahrer. "Man hätte es auf die Spitze treiben und sogar nur einmal hereinkommen können, sofern man das gewollt hätte. Ganz vorne, wo die schnellsten Autos zu finden sind, konzentriert man sich aber eher auf das Tempo, das in den Fahrzeugen steckt."
Sauber-Rookie Sergio Perez war der einzige Mutige, der nach dem ersten Wechsel von Hard auf Soft durchfuhr. "Das hätte ich nie gedacht, es überrascht mich", gibt der Mexikaner zu und ergänzt: "Die schnellste Taktik ist das bestimmt nicht. Es ist aber gut zu wissen, dass die Reifen das aushalten." Immerhin reichte es für ihn (bis zur nachträglichen Disqualifikation) zu Platz sieben, gut zehn Sekunden vor Teamkollege Kamui Kobayashi, der zweimal stoppte.
"Wir hatten gedacht", wirft Sauber-Technikchef James Key ein, "dass wir vielleicht über 20 Runden mit den weichen Reifen würden fahren können - 25 vielleicht, wenn wir es wirklich ausreizen, also gegen Ende des Rennens, wenn die Strecke etwas besser und das Auto leichter ist. Wir sind genauso überrascht wie alle anderen, dass wir mit einem Stopp durchgekommen sind." Noch dazu absolvierte Perez nämlich seinen längeren Stint auf der weicheren Gummimischung.
"Ich denke, dass die Asphalttemperatur eine Schlüsselrolle gespielt hat", glaubt Key. "Wenn man wieder solche Bedingungen hat wie hier, die anständig waren, wird die Situation ähnlich sein. Was wir noch nicht wissen, ist, was passiert, wenn wir wirklich hohe Temperaturen bekommen und ob dann vielleicht das Gegenteil passiert. Das werden wir womöglich im Kuala Lumpur herausfinden. Dieses Wochenende hat sicherlich einen Einfluss darauf gehabt, wie wir die Reifen sehen."
Was passiert bei den Hitzerennen?
"Pirelli stand vor einer wirklich unangenehmen Aufgabe, schließlich hatten sie bloß sechs Monate, um aus dem Nichts einen Formel-1-Reifen zu entwickeln", fährt er fort. "Man muss fair sein, denn sie haben ja immer gesagt, dass die Wintertests nicht die besten Bedingungen für diesen Reifen bieten. Sie haben uns immer versichert, dass es besser aussehen würde, sobald wir auf eine heißere Strecke kommen - und genau das ist dann ja auch passiert. Ich denke, sie haben einen guten Job gemacht."
"Es wird wahrscheinlich variieren, denn es gibt unterschiedliche Strecken, die ganz offensichtlich die Reifen unterschiedlich fordern. Barcelona und Silverstone sind zum Beispiel ziemlich anspruchsvolle Strecken", blickt der Sauber-Technikchef schon in die Zukunft. Gerade seinem Team könnte das aber entgegenkommen, denn nach Perez' überraschender Einstoppfahrt kursiert im Paddock schon die Theorie, dass der neue C30 ein "Reifenflüsterer" sein könnte.
Key dazu: "Wir haben uns die Aufhängungsgeometrie genau angesehen, aber man weiß es ja nie genau, bevor man nicht damit gefahren ist. Wir haben schon früh bei den Wintertests erste Hinweise erhalten, dass wir in Sachen Reifen eher auf der sicheren Seite sein würden. Allerdings waren die Wintertests nicht im Geringsten so wie dieses Wochenende. Pirelli und wir haben an diesem Wochenende eine Menge gelernt, indem wir ein Rennen unter wärmeren Bedingungen hatten."
¿pbvin|512|3555||0|1pb¿Jenson Button kann sich gut vorstellen, dass Sauber zu den Teams gehört, die mit den Pirellis besser zurechtkommen als andere: "Ich glaube, es gibt große Unterschiede zwischen den Autos, wie sehr sie die Reifen verschleißen", so der Sechste von Melbourne. Für ihn selbst wäre ein Stopp "nicht möglich gewesen. Ich habe mir den ersten Satz hinter Massa ruiniert. Der letzte Satz sah nach Rennende ganz gut aus, aber 34 Runden hätte ich damit nicht geschafft. Sauber hat das gut im Griff."
Geholfen haben könnte Perez und Sauber, dass der Albert-Park-Circuit am Sonntag Gummiabrieb auf der Ideallinie aufnahm und damit immer besser wurde - ein aus Bridgestone-Zeiten bekanntes Phänomen, das bei den Wintertests selten bis nie vorgekommen war. "Man sieht nicht mehr so viel Abrieb neben der Ideallinie herumliegen wie bei den Tests", bestätigt Hamilton. "Es gibt noch immer solche Gummiwürste, aber so schlimm wie zuletzt in Barcelona ist es nicht annähernd."
Schneller als Bridgestone
Außerdem scheint Pirelli vom Speed her sehr konkurrenzfähig zu sein, denn sogar ohne Doppeldiffusor und KERS konnte Vettel im Qualifying seinen 2010 aufgestellten Streckenrekord unterbieten. Daher lobt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost: "Angesichts all der negativen Kommentare, die wir im Winter gehört haben, sollte man Pirelli zu ihrer Leistung gratulieren - besonders wenn man bedenkt, dass ein Auto in den Punkten während des Rennens nur einmal gestoppt hat."
"Wenn man sich die Zeiten aus dem Vorjahres-Qualifying anschaut", nickt Renault-Technikchef James Allison zustimmend, "und dann bedenkt, dass die Autos nun wegen des erhöhten Mindestgewichts um 20 Kilogramm schwerer sind, dann ist der Speed mit den Reifen nicht schlecht. Die Reifen waren an diesem Wochenende viel weniger ein Thema, als wir es erwartet hätten. Ich schätze, da sind alle im Fahrerlager der gleichen Meinung."
Auch McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ist voll des Lobes für den neuen Reifenhersteller: "Pirelli hat im Winter viel Kritik einstecken müssen, die größtenteils unberechtigt war. Genau vor einem Jahr haben wir uns darüber beklagt, dass sich die damaligen Reifen nicht genügend abnutzten und dass es zu wenig Unterschied zwischen den Mischungen gab. Pirelli ändert das - und plötzlich beklagen sich trotzdem alle", nimmt er Paul Hemberys Truppe in Schutz.
"Wie sich nun herausgestellt hat, funktioniert doch alles. Diese weichen Reifen haben Sergio Perez über 30 Runden lang getragen - und zwar bei ziemlichen gutem Tempo. Das war wirklich erstaunlich. Pirelli hat das wirklich gut hinbekommen. Ich glaube nicht, dass sich nun jemand beklagen sollte", so Whitmarsh, der in seiner Funktion als FOTA-Vorsitzender zu denjenigen gehört, die sich schneller verschleißende Reifen ausdrücklich gewünscht hatten.

