• 08.09.2011 22:05

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Kollegen meinen: Es gibt keinen "Harakiri-Hamilton"

Während Lewis Hamilton mit einigen aggressiven Aktionen in die Diskussion geriet, nehmen ihn die Fahrerkollegen eindeutig in Schutz: Normaler Racer mit Pechsträhne

(Motorsport-Total.com) - "Irgendwie ziehe ich den Ärger derzeit magnetisch an" - Mit diesen Worten reagiert Lewis Hamilton auf seine Serie von Zwischenfällen im Verlaufe dieses Jahres. Der britische McLaren-Star war vor allem aufgrund zweier Aktionen am vergangenen Rennwochenende in Spa-Francorchamps von vielen Seiten kritisiert worden. Am Samstag in Belgien geriet er mit Pastor Maldonado aneinander, am Sonntag flog er durch einen Crash mit Kamui Kobayashi aus dem Rennen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Kampfspuren sind am McLaren von Lewis Hamilton keine Seltenheit

"Ich habe an den Einschlag in die Wand kaum Erinnerungen. Vielleicht war ich sogar kurz weggetreten", schildert der Champion von 2008 im Rückblick auf den Topspeed-Abflug am Belgien-Sonntag. "Ich weiß noch, dass ich in die Kurve einlenken wollte, aber danach ist alles etwas vernebelt in der Erinnerung. Der Crash war heftig. Ich war am Ende der Geraden mit 320 Sachen unterwegs. Zwischen der Berührung und dem Einschlag wurde das Auto nur wenig verzögert. Es wirkten heftige Kräfte."

"Im ersten Moment war mir nur klar, dass ich getroffen worden war. Ich war nicht sicher, ob es mein Fehler war oder nicht", sagt Hamilton, der seine Schuld erst nach dem Rennen via Twitter eingestand. "Das Team schickte mir Infos und Videos. Als ich das sah, war sofort klar, dass es meine Schuld war. Ich wollte mich dann ganz schnell auf diesem Wege bei Kamui und beim Team entschuldigen. Das war mir sehr wichtig."

Beim Japaner kam das nachträgliche Schuldeingeständnis seines Kollegen gut an. "Er ist in Ordnung", so der Sauber-Pilot. "Ich denke, man muss vielleicht auch etwas aggressiv sein, wenn man Rennen fährt", ergänzt er und nimmt Hamilton in Schutz, über dessen aggressiven Fahrstil zuletzt heftig diskutiert wurde. "Alles prima", sagen die Ferrari-Piloten Fernando Alonso und Felipe Massa unisono über das Verhalten von Hamilton.

"So aggressiv ist er doch gar nicht. Er ist okay. Er hatte in den vergangenen Rennen nur einen schwierigen Stand", winkt Mark Webber etwas belustigt ab. "Ich wüsste nicht, was ich in Spa als aggressiv einordnen würde. Er war nicht aggressiv und hat sich lediglich falsch verteidigt. Dabei hat er den Abstand zum Auto neben ihm falsch eingeschätzt. Dieser war nicht groß genug und jemand anderes war neben ihm. Ehrlich gesagt, habe ich mit dieser Einstellung kein Problem. Das gehört dazu", meint Michael Schumacher.


Fotos: Großer Preis von Italien, Pre-Events


Hamilton fühlt sich durch diese Worte der Kollegen in seiner Herangehensweise bestärkt. "Ich ändere gar nichts, ich bleibe aggressiv. Ich versuche aber, mich aus dem Ärger herauszuhalten", verspricht er vor dem Highspeed-Rennen in Monza. "Ich werde so weiterfahren, aber auch vorsichtig sein. Wenn ich Leute überhole, dann lasse ich in Zukunft vielleicht etwas mehr Platz", signalisiert Hamilton, dass der Crash mit Kobayashi womöglich einen Lerneffekt hatte.

"Ich bin vielleicht für die Öffentlichkeit momentan ein leichtes Ziel, weil ich zuletzt wirklich oft in Problemen steckte", sagt er. "Es war bisher diesbezüglich so ziemlich mein schlimmstes Jahr. 2007 und 2008 hatte ich aber auch meine Zwischenfälle, nur diese hat man nach meinem Titelgewinn offenbar vergessen. Jetzt möchte ich dafür sorgen, dass alle einen guten Grund haben, etwas Positives über mich zu berichten. Ich habe die negativen Stories zwar nicht gelesen, aber davon gehört."

¿pbvin|512|4054||0|1pb¿Der McLaren-Pilot will nicht mit Begriffen wie "Crashpilot" oder "Harakiri-Hamilton" in Verbindung gebracht werden. Er wünscht sich eine neutrale Betrachtung der Vorfälle. "Der Crash mit Kamui hatte nichts mit Aggressivität zu tun", schildert er. "Ich wusste einfach nicht, dass er dort neben mir war. Ich war dort nicht zu aggressiv. Die Leute greifen mich dafür an, aber es hatte wirklich nichts damit zu tun. Ich bin dort genauso wie immer gefahren."

"Lewis ist eben Lewis", schmunzelt sein McLaren-Teamkollege Jenson Button angesichts der Diskussionen. "Er hat sich im Vergleich zum Vorjahr überhaupt nicht verändert. Er ist ein sehr schneller, sogar extrem schneller Fahrer, der sehr gern überholt. Ich wüsste nicht, was ich sonst dazu sagen sollte." Der Champion von 2009 kann mit dem Verhalten seines Teamkollegen auf der Strecke gut leben, allerdings hat er bezüglich der öffentlichen Diskussionen andere Ansichten als Hamilton.

"Wir sind eben alle unterschiedlich. Lewis hat da eher eine unverblümte Art. Ist das falsch? Ich weiß es nicht", erklärt Button. "Manchmal muss man seine Meinung kundtun. Wenn man ein Problem hat, dann will man das mitteilen. Wir sind diesbezüglich unterschiedlich. Ich regele solche Dinge lieber über das Team und nicht durch die Medien. Aber das ist eben meine Art. Wir sind beide leidenschaftliche Racer, nur in mancherlei Hinsicht eben auf unterschiedliche Art."