Kluft wird wieder größer - Herstellerserie unvermeidlich?
Minardi-Teamchef Paul Stoddart fürchtet, dass die Hersteller ernst machen werden - Dennis beruhigt Aufregung um Williams-Unterschrift
(Motorsport-Total.com) - Nachdem es in den letzten Wochen vorsichtige Annäherungen zwischen Bernie Ecclestone und der FIA einerseits sowie den zur GPMA zusammengeschlossenen Automobilherstellern andererseits gegeben hat, scheint die Kluft nun doch wieder größer zu werden. Darauf lassen zumindest die jüngsten Äußerungen des neutralen Beobachters Paul Stoddart schließen.

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Eigentlich könnte es ihm egal sein: Stoddart bleibt nur noch 2005 an Bord
Der Australier ist bekannt dafür, dass er gerne einmal seinen Mund aufmacht, hielt sich zuletzt aber vornehm zurück, da er sein Minardi-Team am 1. November ohnehin an Red Bull übergeben wird. In Japan wurde ihm das brave Schweigen aber zu bunt: "Es ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt für mich, politisch zu werden, aber es fällt mir schwer, das alles stillschweigend zu beobachten und nichts zu sagen", erklärte er in Bezug auf die aktuelle Situation.#w1#
Selbst Stoddart kann sich schon zwei Serien vorstellen
"Ich denke, dass wir jetzt auf zwei Rennserien zusteuern. Das wird immer offensichtlicher", sagte er weiter. "Die Hersteller haben ein klares Statement abgegeben, dass sie sich eine gerechte Formel 1 wünschen. Ich kann Max Mosley aber nicht nachgeben sehen, und ich kann auch die Hersteller nicht nachgeben sehen. Daraus schließe ich, dass es wahrscheinlich zu den zwei Rennserien kommen wird, vor denen alle Angst haben."
Das große Problem ist, dass die FIA zuletzt in einigen Fragen Kompromissbereitschaft signalisiert hat, doch die GPMA reagierte darauf mit einem neuerlichen Treffen in München, nach dem eine Pressemitteilung herausgegeben wurde, in der es hieß, dass man die Pläne einer eigenen Rennserie weiterhin vorantreiben werde. Obendrein betonte GPMA-Chef Burkhard Göschel, dass man "fast an einem Punkt angelangt" sei, an dem man nicht mehr zurückkehren kann.
Diplomatische Bemühungen müssen in den Mittelpunkt rücken
Stoddart schließt daraus: "Ich möchte nicht derjenige sein, der eine Handgranate auswirft und es für die beiden Seiten unmöglich macht, sich zu einigen, denn nur das kann langfristig für die Formel 1 gut sein. Wir brauchen eine Versöhnung! Im Moment bin ich wahrscheinlich die optimistischste Person, was die Formel 1 angeht, aber selbst ich bin schon recht pessimistisch, dass es nicht zu einer Spaltung kommen wird", sagte er.
Außerdem findet der kettenrauchende 50-Jährige, dass die Diplomatie "kläglich versagt" hat, obwohl es ihm ein Anliegen gewesen sei, gerade in der ersten Saisonhälfte zwischen den beiden Streitparteien zu vermitteln. Stoddart steht ja als Minardi-Teamchef irgendwo zwischen Ecclestone/FIA und der GPMA, war aber bei allen Treffen der Hersteller anwesend und ratifizierte meistens auch deren offizielle Aussendungen.
Große Hoffnungen setzt er nun in das Treffen der Formel-1-Kommission nach dem Saisonfinale in China: "Das wäre eine angemessene Möglichkeit, Änderungen herbeizuführen", so der Australier. "Die Versuchung, in diesem Meeting viel zu sagen, wird groß sein. Es gibt zwei Philosophien für dieses Meeting: Einerseits sollte man die Dinge, die nie gesagt worden sind, zur Sprache bringen, andererseits sollte man aber auch ruhig sein, um der Diplomatie eine Überlebenschance zu geben."
Verwirrung: Hat Frank Williams unterschrieben oder nicht?
In dem Wirrwarr um die Zukunft der Formel 1 ist es auch nicht weiter hilfreich, dass neuerdings die Fronten nicht einmal mehr eindeutig geklärt sind: Ferrari, die beiden Red-Bull-Teams und Midland stehen auf Ecclestones Seite, während Renault, McLaren-Mercedes, Toyota, Honda und BMW die GPMA voll und ganz unterstützen. Doch was ist mit Williams? Das aktuelle Dokument von München hat die Truppe aus Grove jedenfalls nicht unterschrieben...
McLaren-Teamchef Ron Dennis spielte dies heute jedoch herunter: "Es gibt Verwirrung über das, was in München herausgekommen ist", teilte er mit. "Das Dokument wurde nur von den Herstellern unterschrieben, musste aber nicht von den anwesenden Teams gutgeheißen werden. Williams hat nicht unterschrieben, aber wir auch nicht - von keinem Team wurde dies verlangt. Es sollte nur die Hersteller stark aneinander binden."
Laut Dennis geht es den Herstellern nicht nur um Geld
Überhaupt ist der Brite nicht damit einverstanden, wie der Konflikt hinter den Kulissen öffentlich dargestellt wird, denn die gängige Meinung ist, dass es der GPMA neben mehr Transparenz und mehr Einfluss auf die Regelgebung in erster Linie um mehr Geld aus dem TV-Einnahmentopf geht. Laut Dennis sei dies aber nur zu 30 Prozent wichtig, während die restlichen 70 Prozent rein administrative Themen beträfen.
Ein "Point of no Return" ist jedenfalls noch nicht erreicht, auch wenn dies zwecks Säbelrasseln seitens der Hersteller zum Teil suggeriert wird. Tatsache ist, dass weder die GPMA noch Ecclestone nachgeben können, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren, weshalb hinter verschlossenen Türen auf dem Verhandlungstisch eine saubere Lösung gefunden werden muss. Denn über eines sind sich alle im Klaren: Zwei voneinander unabhängige Serien würden dem Grand-Prix-Sport das Genick brechen...

