Klien: "Sind das Schlusslicht der Mittelklasseteams"

Christian Klien im 'F1Total.com'-Interview über die sportliche Krise bei Red Bull Racing, den Newey-Faktor, seine Perspektiven für 2007 und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Mit nur einem Punkt und zwei Zielankünften aus sechs Rennen ist die Saison 2006 bisher nicht so verlaufen, wie Christian Klien ursprünglich gehofft hatte: Der Österreicher wollte in seinem zweiten Jahr bei Red Bull Racing eigentlich weitere Fortschritte machen und gelegentlich sogar am Podium schnuppern - was er inzwischen nicht mehr für realistisch hält.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Erlebt momentan die Schattenseiten der Formel 1: Red Bulls Christian Klien

Einige Tage vor dem Grand Prix von Monaco traf sich der 23-Jährige im oberösterreichischen Wels mit 'F1Total.com', um die derzeitigen Probleme seines Teams zu analysieren. Angesichts der eher mäßigen Resultate kümmert ihn die Fahrerfrage momentan - zumindest nach außen hin - eher wenig, wenngleich ihm bewusst ist, dass entweder er selbst oder David Coulthard am Saisonende gehen muss. Darüber und über vieles mehr sprach Klien im folgenden Interview.#w1#

Klien mit bisherigem Saisonverlauf unzufrieden

Frage: "Christian, das letzte Mal haben wir uns im Januar in Jerez de la Frontera unterhalten. Wärst du damals zufrieden gewesen, wenn ich dir gesagt hätte, dass du nach sechs Rennen nur einen WM-Punkt haben wirst?"
Christian Klien: "Absolut nicht! Wir sind mit dem, was wir bisher erreicht haben, sicher nicht zufrieden. Nach sechs Rennen nur zwei Punkte für das gesamte Team, das ist sicher nicht das, was wir wollten. Es kamen natürlich viele technische Defekte dazu. Ich bin in den sechs Rennen erst zweimal ins Ziel gekommen. Die ganzen Probleme, die wir bei den Wintertests hatten, haben uns natürlich zurückgeworfen - und hängen uns jetzt immer noch nach, speziell mit der Standfestigkeit."

"Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen einige Dinge ans Auto bekommen werden, die uns um drei, vier Zehntel schneller machen sollten." Christian Klien

"Es ist offensichtlich, dass wir im Moment große Probleme haben. Auch von den Zeiten her sind wir momentan nicht dazu in der Lage, in die Top 8 zu fahren, aber ich glaube, dass wir in den nächsten paar Wochen einige Dinge ans Auto bekommen werden, die uns sicher um drei, vier Zehntel schneller machen sollten, die wir im Moment dringend brauchen. Im Moment sind wir - man hat es in Barcelona gesehen - eher das Schlusslicht der Mittelklasseteams."

Frage: "Die Standfestigkeit war wegen der Kühlung im Winter euer größtes Problem, inzwischen habt ihr aber mehrere Baustellen, nicht wahr?"
Klien: "Die Kühlung ist sicher nicht mehr das Problem, aber deswegen haben wir anderthalb Monate an Testzeit verloren. Das schmerzt uns einfach jetzt noch. Es sind immer wieder kleinere Probleme, die uns stoppen."

Frage: "Ferrari hatte bei den Überseerennen auch mit dem Motor Probleme. Wie sieht es diesbezüglich jetzt aus?"
Klien: "Das funktioniert jetzt eigentlich gut. Der Motor ist standfest, sicher nicht mehr das Problem. Er ist auch schnell - und wir bekommen für jedes Rennen neue Ausbaustufen. Da geht schon richtig was vorwärts. Am Motor liegt es ganz sicher nicht mehr."

Problem liegt in der Aerodynamik begraben

Frage: "Wie du schon angesprochen hast, wart ihr in Barcelona zwar im Freien Training schnell, aber es fehlt euch grundsätzlich schon an Speed. Ist die Balance schlecht, hapert es an der Aerodynamik? Wisst ihr überhaupt, woran es liegt?"
Klien: "Uns fehlt sicher aerodynamisch Zeit. Das Auto hat relativ viel Untersteuern. Das ist eigentlich das Hauptproblem - speziell für das Qualifying und für die erste Runde mit viel Benzin. Das ist im Endeffekt sicher ein aerodynamisches Problem, weshalb wir jetzt viel um den Frontflügel herum und an der Vorderachse gearbeitet haben, um das besser zu machen."

"Im Freien Training kannst du mit weniger Benzin fahren oder eher schon mehr auf das Qualifying hinarbeiten." Christian Klien

"Wir waren zwar in Barcelona im Freien Training gut dabei, aber das ist halt immer so eine Sache: Im Freien Training kannst du mit weniger Benzin fahren oder eher schon mehr auf das Qualifying hinarbeiten. Das hat zwar dort gut ausgeschaut, aber dann im Qualifying kommt dann immer wieder die Realität zurück, wenn alle auf gleicher Spritmenge sind und alle den Motor voll ausdrehen. Dann siehst du erst, wo du genau liegst. Im Endeffekt waren wir dann 14."

Frage: "Die nächsten Strecken sind nun Monaco, Silverstone, Montréal und Indianapolis. Von der Papierform her müsste euch Monaco am ehesten liegen, nicht wahr?"
Klien: "Eigentlich Monaco, ja. Dort ist das Auto von der Aerodynamik her nicht so stark gefordert. Schauen wir mal! Hoffentlich sind wir dort etwas besser dabei. In Silverstone sollten wir dann schon ein neues Aerodynamikupdate bekommen, welches uns ein bisschen helfen müsste. Ich denke, ab Mitte der Saison bekommen wir ein, zwei gute Sachen ans Auto, die uns um eine halbe Sekunde schneller machen sollten. Da muss man jetzt aber ein bisschen abwarten."

Frage: "Ihr bekommt für Monaco eine neue Vorderradaufhängung. Das ist wahrscheinlich noch nicht die endgültige Weisheit von Adrian Newey, oder?"
Klien: "Nein, noch nicht. Wir haben in Le Castellet eine neue Radaufhängung getestet, die uns mechanisch vorne ein bisschen mehr Grip geben sollte. Das ist sicher gut für Monaco, wo es enge Kurven gibt und wo das Auto mechanisch gut abgestimmt sein muss. Man braucht dort an der Vorderachse guten Grip, um schnell um die engen Gassen herumfahren zu können."

Newey-Faktor wird sich erst ab Silverstone auswirken

Frage: "Das heißt, den Adrian Newey wird man erstmals mit dem von dir angesprochenen Aerodynamikpaket spüren?"
Klien: "Ab Silverstone, ja."

Christian Klien

Der RB2 funktioniert noch nicht so, wie sich Christian Klien das vorstellt... Zoom

Frage: "Wie sehr spürt ihr den Faktor Adrian Newey schon - und ich meine nicht so sehr am Auto, sondern ist in der Fabrik schon irgendetwas anders geworden?"
Klien: "Das braucht seine Zeit. Wir haben 350 Leute in unserem Team in England. Es kann nicht ein Mann von heute auf morgen das ganze Team ändern. Sicher merkt man, dass er da ist, und es kommen sicher gute Sachen. Es geht schneller etwas vorwärts, aber man kann nicht das ganze Team von heute auf morgen umkrempeln, zumal er das Auto ja nicht selbst gebaut hat. Das kam eigentlich von Mark Smith. Er muss sich erst einarbeiten, dann schauen, wie das Auto funktioniert, und dann kann er seine Ideen in das Auto einbringen. Bis das umgesetzt ist und die ganzen Teile hergestellt sind, dauert das natürlich. Daher bekommen wir für Silverstone erstmals ein Update von ihm. Ansonsten ist es aber schon ein positiver Faktor, ihn zu haben."

Frage: "Adrian Newey wird nach außen hin manchmal als sehr schüchterner und eigener Typ dargestellt. Wie kommst du persönlich mit ihm zurecht?"
Klien: "Er ist ein sehr netter Typ - und er legt auch extrem wert auf die Fahrer oder das Feedback von den Fahrern, weil er über den Fahrer das Feedback 1:1 bekommt. Er ist vielleicht in der Öffentlichkeit ein ruhiger Typ, aber wenn man mit ihm spricht, dann merkt man, dass in seinem Hirn immer etwas vorwärts geht. Er hat extrem viele Ideen."

Frage: "Für nächstes Jahr heißt es immer: Christian Klien oder David Coulthard bei Red Bull Racing. Du hast nun eine Minute lang die Möglichkeit, für dich selbst Werbung zu machen..."
Klien: "Man muss sich die Leistungen ansehen. Das kann jeder selber beurteilen. Im Moment ist es schwierig, da etwas zu sagen, denn wir haben intern so viele Probleme, dass die Fahrerwahl nur ein sehr kleiner Teil ist. Das ist pressemäßig vielleicht anders, aber..."

Frage: "Aber du wirst dich ja damit beschäftigen, nehme ich an?"
Klien: "Schon. Für mich ist einfach wichtig, dieses Jahr schneller zu sein als David. Das ist mir bis jetzt relativ gut gelungen, obwohl er dreimal ins Ziel gekommen ist und ich erst zweimal."

Klien will sich über Leistungen bei Red Bull behaupten

"Im Endeffekt zählt die Leistung auf der Strecke, am Sonntag, wer mehr Punkte holt." Christian Klien

Frage: "David Coulthard hat angeblich einen Bonus, weil er die Angel nach Adrian Newey mit ausgeworfen hat. Machst du dir über solche Dinge auch Gedanken?"
Klien: "Nein. Das glaube ich nicht. Im Endeffekt zählt die Leistung auf der Strecke, am Sonntag, wer mehr Punkte holt. Das ist sicher das Wichtigste. Das kann man jetzt schwer beurteilen - und es ist teamintern bei uns auch überhaupt kein Thema. Vor Sommer oder Ende Sommer wird da sicher keine Entscheidung kommen."

Frage: "Du fühlst dich intern also nicht unter Druck gesetzt?"
Klien: "Überhaupt nicht, nein."

Frage: "Man hört immer wieder, dass Red Bull über die Omnipräsenz deines Vaters nicht allzu glücklich ist. Was ist da wirklich dran?"
Klien: "Es hat einen Artikel gegeben, in dem das geschrieben wurde, aber keine Ahnung, woher das kam. Es kommt auch nicht immer wieder vor, sondern es ist nur einmal vorgekommen. Das ist absoluter Unsinn. Ich weiß nicht, wie sie auf das gekommen sind."

Frage: "Du wirst aber nicht Däumchen drehen und auf die Red-Bull-Entscheidung warten. Steckt ihr eure Fühler vorbeugend auch schon in andere Richtungen aus?"
Klien: "Für mich ist es das absolute Ziel, im nächsten Jahr im Red-Bull-Team weiterzufahren. Wir haben - zum Beispiel mit Adrian Newey - viele starke Leute bekommen. Wir sollten nächstes Jahr schon konkurrenzfähig sein. Ziel ist einfach, in einem Team zu sein, wo ich weiter vorne fahren kann. Da sehe ich bei Red Bull gute Möglichkeiten. Ich werde dieses Jahr alles dafür geben, dass ich bei diesem Team bleiben kann, und ich werde versuchen, mit guten Leistungen weiterzukommen. Im Moment ist die Fahrerfrage noch kein Thema. Ansonsten muss ich mich mit guten Leistungen beweisen."

Kontakte zu anderen Teams sind eher loser Natur

"Das gilt natürlich auch für die anderen Teams: Sicher schauen die auch, denn man ist jedes Rennwochenende im gleichen Paddock. Man hört sich ein bisschen um und schaut auch, was andere Teams machen und wo es freie Plätze gibt, aber das Hauptaugenmerk liegt für mich sicher bei Red Bull, wo ich die besten Chancen sehe."

"Jetzt bin ich drei Jahre in der Formel 1. Da will ich nicht im vierten Jahr als Testfahrer agieren." Christian Klien

Frage: "Rein hypothetisch gesprochen: Wäre für dich die Route eines Alexander Wurz vorstellbar, bei einem Topteam Testfahrer zu werden?"
Klien: "Nein, absolut nicht. Ich will ganz klar Rennfahrer sein. Jetzt bin ich drei Jahre in der Formel 1. Da will ich nicht im vierten Jahr als Testfahrer agieren."

Frage: "Zurück zur Saison: Am kommenden Wochenende geht es in Monaco weiter, auf einer Strecke, die euch liegen müsste. Was wäre dort ein realistisches Ziel?"
Klien: "Monaco ist immer ein Rennen, wo es wichtig ist, ins Ziel zu kommen, weil es sehr viele Ausfälle gibt. Wichtig ist auch, im Qualifying weit vorne zu stehen, denn Überholen ist unmöglich. Wir müssen schauen, dass wir das Qualifying optimal hinbekommen. In Monaco ist alles möglich. Wenn wir ein gutes Rennen fahren und wenn das Auto standfest ist, können wir auch in die Punkte fahren. Das werden wir sicher versuchen."

Frage: "Habt ihr euch auf das Qualifying speziell vorbereitet? Der neue Modus ist ja ohnehin schon chaotisch genug, aber in Monaco..."
Klien: "Nein. Man kann sich nicht wirklich vorbereiten. Man muss einfach freie Runden haben. Das wird in Monaco ganz klar ein Chaos, und da wird es nach dem Qualifying einige Diskussionen geben. Wenn du vor dir ein Auto hast: Selbst wenn dich der andere vorbeilässt, verlierst du jedes Mal Zeit, weil es dort so eng ist. Es ist sicher eine Glückssache, im Qualifying in Monaco vorne zu stehen."

Frage: "Nelson Piquet hat vor Jahren Monaco damit verglichen, mit einem Hubschrauber im Wohnzimmer zu fliegen. Michael Schumacher bringt immer wieder den Sicherheitsaspekt ins Gespräch. Wie siehst du das?"
Klien: "Ich sehe das eigentlich nicht so. Sicher: Es gibt keine Auslaufzonen und so weiter. Sicher ist Monaco gefährlicher als andere Strecken, aber no Risk, no Fun!"

Saison 2006 leidet unter den Vorbereitungen auf 2007

Frage: "Bei euch wird immer schon vom ersten Newey-Jahr 2007 gesprochen. Leidet darunter die Entwicklung in der laufenden Saison?"
Klien: "Das kann man schon sagen. Die Entwicklung leidet insofern ein bisschen darunter, weil man sich sicher schon auf das nächste Jahr fokussiert. Trotzdem müssen wir schauen, das Auto auch dieses Jahr weiterzubringen, denn hinter den Top 10 zu fahren, ist sicher nicht unser Ziel. Eines ist sicher auch, dass wir auch Sachen für Toro Rosso machen."

Frage: "Beeinflusst das auch eure Weiterentwicklung, dass ihr etwas für die Scuderia Toro Rosso macht?"
Klien: "Nein, würde ich nicht wirklich sagen, aber hauptsächlich schon, dass man sich schon auf das 2007er Jahr fokussiert. Darunter leidet die Entwicklung sicher, aber für 2007 sollte das doch ein deutliches Plus sein."

Christian und Johannes Klien mit Scott Speed

Christian Klien mit Vater Johannes und Scott Speed in der "Energy Station II" Zoom

Frage: "Im Winter gab es diese Geschichte um eine angebliche Schlägerei mit deiner Beteiligung, was sich ja als unwahr herausgestellt hat. Vielleicht kannst du das für unsere Leser noch einmal aus deiner Sicht erzählen, bitte!"
Klien: "Darüber wurde so viel Quatsch geschrieben. Die Sache ist erledigt, schon lange her. Das war im Februar, ist nicht mehr aktuell."

Frage: "Angeblich wackelt euer Teamchef, Christian Horner, ein bisschen. Wie kommst du mit ihm zurecht?"
Klien: "Ich komme mit ihm recht gut zurecht. In der Formel 1 gibt es immer so viele Diskussionen und so viele Sachen in der Presse, die auf den Internetseiten stehen und dann weiterverbreitet werden. Wenn man selber in der Formel 1 ist, hört man auf solche Sachen gar nicht mehr so viel, denn wichtig ist, dass man sich auf die teaminternen Sachen konzentriert - und teamintern ist das im Moment kein Thema. Man darf sich auf Sachen, die irgendwo geschrieben stehen, gar nicht einlassen. Am Donnerstag in Barcelona hat irgendwo eine Internetseite geschrieben, dass Doornbos statt mir fahren soll. Kompletter Unsinn!"

Frage: "Letzte Frage: Dein Saisonziel war ursprünglich ein Podium. Bleibst du nach heutigem Stand dabei?"
Klien: "Wenn wir mit viel Glück in Monaco auf das Podium fahren, dann schon, ansonsten ist das eher unrealistisch."