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  • 28.07.2016 19:14

  • von Rencken, Fischer & Sharaf

Kein Halo für 2017: Formel-1-Teams lehnen System vorerst ab

Die Strategiegruppe hat sich gegen die Einführung von Halo gestellt, obwohl vor allem Vettel und Rosberg keine Alternative sehen: "Gibt nichts, was Tod rechtfertigt"

(Motorsport-Total.com) - Halo wird 2017 nicht in der Formel 1 eingeführt werden, das hat die Strategiegruppe am heutigen Donnerstag entschieden. Damit stimmte man überraschenderweise gegen das System, das die Sicherheit für den Kopf des Fahrers deutlich verbessern sollte. Die FIA hatte das Thema in die Hände der Teams gelegt, fand damit aber keine Zustimmung, obwohl sich viele Piloten dafür ausgesprochen haben - unter anderem Sebastian Vettel.

"Wir mögen die Optik nicht, aber es gibt nichts, was den Tod rechtfertigt", ist der Ferrari-Pilot klar auf der Seite der Halo-Befürworter. Der Heppenheimer hatte mit seinen Kollegen in Ungarn eine Präsentation über die Nützlichkeit des neuen Systems gesehen und ist seitdem ein Verfechter davon. "Es liegt an uns, sicherzustellen, dass es kommen wird. Ansonsten wären wir ziemlich dumm", bezieht er Stellung.

Auch sein Landsmann Nico Rosberg sieht eigentlich keinen anderen Ausweg als Halo: "Man kann nur dafür sein", erklärt er offensiv und hat auch Motorsportchef Toto Wolff davon überzeugen wollen, damit Mercedes bei der Abstimmung für seine Position entscheidet. "Ich habe ihm meine Argumente vorgebracht. Er hat sie verstanden, der Rest liegt nicht in meiner Hand. Ich hoffe natürlich, dass sie für Halo stimmen", so der Deutsche - es war vergeblich.

Halo wirklich sicherer?

Es sind vor allem diese beiden Piloten, die sich offen für mehr Sicherheit in der Formel 1 einsetzen. Um 17 Prozent soll Halo diese in der Königsklasse verbessern, weswegen sie Lobby dafür betreiben, damit Halo auch wirklich durchkommt. Mit Pascal Wehrlein ist auch der dritte Deutsche an Bord, denn auch der aktuelle DTM-Meister ist "eindeutig" dafür: "Es ist eine sehr gute Lösung, und auch wenn es nicht schön aussieht, kann es trotzdem unser Leben retten", sagt er.

Felipe Massa, Unfall, Ungarn

Ob Halo Felipe Massa geholfen hätte, ist anzuzweifeln Zoom

Auch Piloten wie Felipe Massa und Felipe Nasr würden nach aktueller Ansicht für Halo stimmen, weil es ihnen einen besseren Schutz bietet. "Es sieht zwar nicht gut aus, auf der anderen Seite ist Sicherheit die Priorität", unterstreicht Nasr, und auch Massa schließt sich an: "Wenn es besser für die Sicherheit ist, dann bin ich dafür", so der Brasilianer, dessen Unfall in Ungarn 2009, als ihm eine Stahlfeder auf den Helm knallte, möglicherweise hätte verhindert werden können.

Die Betonung liegt aber auf möglicherweise. Denn dass die Feder ihren Weg an Halo vorbei hätte finden können, kann nicht ausgeschlossen werden. Zwar hat die FIA in ihrer Präsentation eine Reihe an Unfällen beleuchtet, doch 100-prozentige Sicherheit gibt es in der Formel 1 nicht. Andere Fahrer machen sich hingegen Sorgen, dass Halo in dem Fall sogar ein Nachteil gewesen wäre: "Wenn dich etwas trifft, kann es genau auf deinen Körper gehen, wenn es einen falschen Teil von Halo erwischt", mahnt Force Indias Sergio Perez.

Große Mehrheit dafür? Rosberg und Vettel falsch

Der Mexikaner gehört zu der Sorte der Fahrer, die dem System noch kritisch gegenüberstehen, weil es noch nicht komplett ausgereift sei, allerdings ebenfalls dafür sind. "Halo ist etwas, das man für die Zukunft des Sports einführen sollte", betont er und will die FIA entscheiden lassen, ob ein Einsatz notwendig ist. Nico Rosberg sieht ebenfalls Verbesserungspotenzial beim System, aber keine andere Wahl: "Aktuell ist Halo die beste Lösung, aber sie wissen definitiv, dass es langfristig noch Entwicklung gibt, um es besser zu machen."

Rosberg könnte sich etwa die Einführung der Cockpitkuppel vorstellen, die Red Bull vorgeschlagen hat. Doch der Mercedes-Pilot weiß, dass das für 2017 ausgeschlossen ist. Darauf warten kommt für ihn allerdings nicht infrage: "Die Fahrer wollen nicht irgendwas, sie wollen Halo", sagt er klipp und klar. Zusammen mit Vettel ist er der Meinung, dass es im Fahrerlager keine andere Meinung gibt als ihre.

"Die große Mehrheit ist definitiv für Halo", ist Rosberg überzeugt, und auch Vettel sieht hinter Halo eine große Befürworterschaft: "Wir haben unter den Fahrern abgestimmt, und 90 bis 95 Prozent haben dafür gestimmt", betont er. Allerdings kann das so nicht stimmen, wenn man sich bei den Fahrern im Paddock umhört. Zwar äußern sich viele trotz der Zweifel positiv zum System, allerdings gibt es auch viele klare Gegner, die wohl eher nicht mit "Ja" gestimmt haben dürften.

Palmer: Hätte niemandem geholfen

Zu jenen gehört auch Nico Hülkenberg, der vor allem die Attraktivität bemängelt. Zwar gibt er zu, dass das System möglicherweise in einigen Fällen Leben gerettet hätte, doch der Emmericher hält die Formel 1 derzeit schon für ziemlich sicher und meint, dass man es nicht übertreiben müsse: "Wir müssen ein Element der Gefahr behalten, um es aufregend und spektakulär zu machen", sagt er und findet in der Pressekonferenz Zustimmung bei Manor-Pilot Rio Haryanto.

"Ich denke nicht, dass Halo in den vergangenen 20 Jahren ein Leben gerettet oder auch nur eine Verletzung verhindert hätte." Jolyon Palmer

Ein weiterer Ablehner ist Toro Rossos Daniil Kwjat: "Es sieht nicht großartig aus. Ich denke, dass ich dagegen bin", sagt der Russe, und auch Jolyon Palmer hinterfragt den Sinn. "Es wurde bestätigt, dass es Felipe Massa nicht geholfen hätte, und es hätte auch Jules Bianchi nicht geholfen", so der Brite. Zwar hätte es bei den tödlichen Unfällen von Justin Wilson und Henry Surtees etwas gebracht, allerdings habe man solche Unfälle in der Formel 1 nicht, weil man nicht auf Ovalkursen fährt und meist große Auslaufzonen hat.

"Ich denke nicht, dass Halo in den vergangenen 20 Jahren ein Leben gerettet oder auch nur eine Verletzung verhindert hätte", winkt der Renault-Pilot ab. Selbst Jenson Button - eigentlich ein Pilot, der sich immer für Sicherheit einsetzt - sah Halo als nicht relevant an. Daniil Kwjat ergänzt: "Es gibt Leute, die ein wenig Oldschool sind und denken, dass es genug Sicherheit in der Formel 1 gibt. Andere sagen, dass sie so viel Sicherheit wie möglich wollen."

Letzter Strohhalm für Befürworter

Romain Grosjean gehört zur ersten Gruppe. Der Franzose ist ebenfalls ein Halo-Gegner und argumentiert mit den Grundzügen der Formel 1: "Die Formel 1 hatte immer einen freistehenden Kopf", sagt er. Zwar helfe Halo möglicherweise, doch der Rest "schmerzt so sehr", wie er sagt - unter anderem der Look. Er sagt: "Ich bin nicht gegen HANS, bessere Helme, bessere Visiere, einen besseren Kopfschutz oder Sicherheitsgurte, denn das ist alles ein Teil der Formel 1."

Fernando Alonso

Andere Sicherheitsoptionen sind heutzutage Standard in der Formel 1 Zoom

Allerdings war das alles ursprünglich kein Teil der Formel 1. HANS wurde erst 2003 eingeführt, und auch Sicherheitsgurte waren in der Anfangszeit der Königsklasse kein Feature - trotzdem sind sie heute unverzichtbar. "Na ja, wenn man heute ohne Sicherheitsgurt in die erste Kurve bremsen würde, dann würde man das Auto überholen", lacht der Franzose und meint, dass man diese außerdem gar nicht sehen würde. "Wir könnten nicht ohne Gurte fahren, aber wir können ohne Halo fahren", verteidigt er.

Das muss die Formel 1 nun vorerst auch tun, nachdem sich die Strategiegruppe gegen eine Einführung von Halo entschieden hat. "Wir müssen uns das noch genauer anschauen", sagt Bernie Ecclestone zu 'BBC'. Das Veto wundert Vettel sehr: "Wir haben immer aus Vorfällen gelernt, und es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass wir etwas gelernt, aber nichts verändert hätten", sagt der Deutsche. Noch gibt es allerdings einen Hoffnungsschimmer für ihn: Wenn die FIA Halo als Sicherheitsthema einstuft, dann ist eine Zustimmung nicht notwendig.