• 24.05.2008 19:21

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

"Katastrophal": Ursachenforschung mit Heidfeld

Nick Heidfeld steckt in der Krise und ortet das Problem bei den Reifen, sagt aber: "Das Team weiß, dass ich schnell bin"

(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal seit Hockenheim 2006 verpasste Nick Heidfeld heute in Monaco den Einzug in ein Top-10-Qualifying. Der BMW Sauber F1 Team Pilot landete auf dem 13. Platz und verpasste den Cut um mehr als eine halbe Sekunde. Wenn Stallgefährte Robert Kubica gleichzeitig erster Verfolger der beiden Topteams ist, besteht Handlungsbedarf.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Für die Kamera zu schnell, für die Gegner zu langsam: Nick Heidfeld in Monaco

Timo Glock bezeichnete seinen elften Startplatz als "beschissen". Als Heidfeld mit dieser Aussage konfrontiert und gefragt wurde, ob er seine eigene Situation ähnlich sieht, entgegnete er nur: "Such dir ein schlimmeres Wort aus!" Als Alternative bot er die Formulierung "katastrophal" an. Gerade im Kurvengeschlängel an der Côte d'Azur ist ein guter Startplatz nämlich immens wichtig, weil Überholen auf der Strecke als so gut wie unmöglich gilt.#w1#

Coulthard-Unfall zählt nicht als Ausrede

"Normalerweise müsste ich zu dem Zeitpunkt schon längst in Q3 sein." Nick Heidfeld

Dass er seinen letzten Run im zweiten Qualifying wegen des Unfalls von David Coulthard nicht zu Ende fahren konnte, will Heidfeld nicht als Ausrede gelten lassen: "Es hätte wahrscheinlich knapp gepasst, wenn nicht die gelben Flaggen wegen Coulthard rausgekommen wären, aber das ist eine Position, in der ich eigentlich gar nicht sein sollte. Normalerweise müsste ich zu dem Zeitpunkt schon längst in Q3 sein", stellte er klar.

Und er lieferte eine Erklärung nach, die anno 2008 nicht ganz neu ist: "Ich habe nach wie vor Probleme, die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Ich möchte das nicht als Entschuldigung sagen, denn offensichtlich geht es ja, wie man bei Robert sieht. Aber wenn ich alles analysiere und das dazunehme, was ich im Auto spüre, merke ich einfach, dass die Reifen nicht arbeiten. Das muss ich irgendwie hinbekommen", so der 31-Jährige.

"Unter einer bestimmten Temperatur", erläuterte der BMW Sauber F1 Team Pilot, "arbeiten sie nicht voll. Wenn sie unter dieser Temperatur sind, bauen sie nicht den vollen Grip auf." Das sei am Donnerstagnachmittag nicht so schlimm gewesen, aber heute Morgen und im Qualifying bekam er nicht genug Hitze in seine Bridgestone-Gummis rein. Und: "Im Longrun ist das Problem kleiner, aber es verschwindet nicht. Auch da würde ich mir weichere Reifen wünschen."

Kubicas Fahrstil passt besser zu den Reifen

"Die Reifen haben eine andere Konstruktion. Auch wenn der Unterschied minimal ist, kann das den Ausschlag geben." Nick Heidfeld

Der Hintergrund ist vermutlich, dass durch die Regeländerungen 2008 ein anderer Fahrstil favorisiert wird als noch im Vorjahr - Kubica, der 2007 im Tief steckte, fährt plötzlich von Erfolg zu Erfolg, während "Quick Nick" auf einmal gar nicht mehr so quick ist. Aber woran liegt das? "Die Reifen vorne haben eine andere Konstruktion", antwortete Heidfeld. "Auch wenn der Unterschied minimal ist, kann das den Ausschlag geben. Und das Auto ist natürlich auch anders."

Seine im Vergleich zu Kubica viel sanftere Fahrweise sei früher "manchmal ein Vorteil" gewesen, "weil die Reifen weniger abgebaut haben, aber im Moment ist es eher ein Nachteil. Es ist sehr schwierig für mich, meinen Fahrstil so zu ändern, wie Robert fährt. Robert lenkt aggressiver ein und fährt eine andere Linie. Das umzustellen, ist nun mal nicht so einfach. Auch mit dem Setup haben wir schon einiges probiert, ohne eine Lösung zu finden."

Heidfeld kann zwar noch nicht definitiv sagen, dass die Reifentemperatur das Übel ist, über das er momentan regelmäßig stolpert, aber eigentlich wartet er diesbezüglich nur noch auf einen Beweis in Form von belegbaren Daten: "Ich bin mir sehr sicher, dass das der Grund ist, aber ein kleiner Zweifel ist noch da. Ich habe es noch nicht schwarz auf weiß. Und ich weiß nicht, wie wir das Problem ändern sollen", seufzte er.

Erinnerungen an Panis 1996

Nick Heidfeld

Nick Heidfeld: Ab ins Hotel, am besten den heutigen Tag vergessen... Zoom

Zu seinem Rettungsanker könnte an diesem Wochenende das Wetter werden, denn Olivier Panis hat 1996 auf nasser Strecke bewiesen, dass man im Autoroulette von Monaco auch mal mit geringem Einsatz Glück haben kann, um es in der Spielersprache darzustellen. Ein Chaos wie damals könnte Routinier Heidfeld morgen retten: "Ich hoffe auf ein Regenrennen", sagte er, "aber auf das Wetter kann man sich leider nicht verlassen."

Dass er im Qualifyingduell gegen Kubica mit 0:6 im Rückstand liegt und obendrein auch noch um vier WM-Punkte weniger auf dem Konto hat, obwohl die Rennen früher immer seine Bastion waren, ärgert den in der Schweiz lebenden Deutschen doppelt und beschäftigt ihn jeden Tag. Aber er kann der Situation - mit einem Schuss Galgenhumor - auch etwas Positives abgewinnen: "Wenn wir jetzt schon um den Titel kämpfen könnten, wäre es noch schlimmer. Dann wäre es der Super-GAU!"

Von der schlimmsten Zeit seiner Karriere will Heidfeld nicht sprechen: "Die schwierigsten Zeiten", winkte er ab, "waren die, als ich im Winter nicht wusste, was nächstes Jahr passiert. Das ist momentan besser, weil ich die Rückendeckung vom Team habe. Sie wissen, dass ich schnell bin, wie man in den letzten Jahren gesehen hat. Ich habe ja nicht auf einmal das Fahren verlernt. Aber so wie jetzt habe ich das noch nie erlebt, seit ich in der Formel 1 bin, geschweige denn in den Serien davor."