Kanada: Schumacher gewinnt mit Foto-Finish

Michael Schumacher hat in einem der knappsten Grand Prix' der Geschichte in Kanada vor seinem Bruder Ralf und Montoya gewonnen

(Motorsport-Total.com) - Im Qualifying hatte Michelin noch einen unübersehbaren Reifenvorteil auf trockener Strecke, doch im heutigen Rennen meldeten sich Bridgestone und Ferrari trotz Schönwetters zurück. Weltmeister Michael Schumacher entschied den achten WM-Lauf 2003 mit drei Piloten im Windschatten für sich und übernahm damit erstmals in dieser Saison die Führung in der Fahrerwertung.

Titel-Bild zur News: Michael und Ralf Schumacher

Michael Schumacher revanchierte sich heute für 2001 an seinem Bruder

Am Start verteidigten die BMW-Williams-Piloten mit Erfolg ihre erste Startreihe, dahinter fädelten sich Schumacher, Alonso und Barrichello ein. Letzterer fuhr dem vor ihm liegenden Renault ins Heck und verlor ein paar Meter später den Frontflügel, musste deshalb früh zu einem ungeplanten Boxenstopp reinkommen. Auch Montoya sorgte für Aufsehen, als er sich in der Zielschikane drehte und somit einige Positionen verlor.

Nach der turbulenten Anfangsphase, in der auch Pizzonia (Jaguar-Cosworth) und Trulli (Renault) kollidierten und die Minardis phasenweise mit wenig Benzin in den Top 10 aufgeigten, fädelte sich das Feld langsam ein. Vorne setzten sich indes die beiden Schumacher-Brüder deutlich vom Rest ab, stets binnen weniger Zehntel, aber der verfolgende Weltmeister wagte keinen einzigen Überholversuch. Montoya lag zu dem Zeitpunkt nach einem Überholmanöver gegen Alonso schon wieder an dritter Stelle.

Vorentscheidung beim ersten Boxenstopp

Die Vorentscheidung fiel dann beim ersten Boxenstopp, weil der Williams-Schumacher um eine Runde früher reinkommen musste und dabei die entscheidenden Sekundenbruchteile verlor, wegen derer sich sein Bruder an die Spitze setzen konnte. Am längsten konnte von den Spitzenpiloten Fernando Alonso draußen bleiben, für den Sieg wurde der Spanier trotz beeindruckender Rundenzeiten aber nie wirklich gefährlich.

Die zweite Serie der Boxenstopps brachte keine Verschiebungen, doch im letzten Renndrittel rückte alles zusammen: Michael Schumacher konnte sich mit leichten Bremsproblemen seinen Bruder nur knapp vom Hals halten, Montoya schloss mit Riesenschritten auf und in den letzten fünf Runden übte sogar Alonso noch Druck auf die Führenden aus. Vor der letzten Schikane lagen die besten Vier ? die beiden BMW-Williams übrigens kurioserweise mit losen Rückspiegeln ? innerhalb von 1,5 Sekunden, erst ein Abbremsen von Alonso auf der Zielgerade verzerrte einen der knappsten Zieleinläufe der Geschichte. Angriffe gab es trotz der Windschattenschlacht aber nicht.

Mittelfeld: Duell zwischen Barrichello und Räikkönen

Auf Platz fünf kam Barrichello (Ferrari) nach unauffälliger Fahrt ins Ziel, der sich nach seinem Frontflügel-Stopp zu Beginn stets im Bereich von Räikkönen fuhr. Letzterer übte bis zur Ziellinie Druck auf den Brasilianer vor ihm aus, weil er von der Box aus mit vollem Tank ins Rennen gegangen war und somit nur einmal an die Box kommen musste ? übrigens unmittelbar nach einem Reifenschaden auf den letzten Metern vor der Einfahrt in die Boxengasse.

Mark Webber (Jaguar-Cosworth) geigte in der Anfangsphase groß auf, fiel dann aber ein wenig zurück, wurde jedoch mit Platz sieben für ein solides Wochenende belohnt. Toyota-Pilot Panis, 1997 in Montreal schwer verunglückt, rettete einen WM-Punkt, den er in den letzten Runde durch einen Defekt seines Teamkollegen da Matta erbte. Jos Verstappen (Minardi-Cosworth) kam nach bravouröser Vorstellung als guter Neunter ins Ziel, Justin Wilson schied kurz vor Schluss aus.

Villeneuve wieder mit Pech beim Heimrennen

Lokalmatador Jacques Villeneuve (BAR-Honda) spielte im ausfallsreichen Grand Prix nie eine Rolle und verabschiedete sich ebenso mit einem Defekt wie später sein Teamkollege Jenson Button. Doppelt k.o. ging auch das Sauber-Team, ebenfalls mit technischen Defekten. Ganz schlimm erwischte es Eddie Jordan, der seine beiden Fahrzeuge innerhalb von wenigen Minuten verlor. David Coulthard (McLaren-Mercedes) hätte Fünfter werden können, bog aber 23 Runden vor Schluss mit Getriebeschaden unerwartet in die Garage ab.

Obwohl es heute kaum zu Überholmanövern kam, war es eines der spannenderen Formel-1-Rennen dieser Saison, weil alle Top-Teams und die beiden Reifenhersteller offenbar ähnlich konkurrenzfähig waren, wie das Endresultat beweist. Für die vielen Defekte ist die materialmordende Charakteristik des 'Circuit Gilles Villeneuve' verantwortlich, auf dem es heute überraschenderweise nicht zur fast schon traditionellen Safety-Car-Phase kam. Auch der Start verlief reibungslos.

Michael Schumacher freute sich am Podium übrigens nicht nur über den Sieg in Montreal, sondern auch über die WM-Führung, die er erstmals in diesem Jahr für sich beanspruchen darf. Bei den Konstrukteuren hat Ferrari wieder das Zepter vor den "Silberpfeilen" übernommen, die nun unter Druck stehen, möglichst bald mit dem neuen MP4-18 auch im Rennen anzutreten. Ob es schon am Nürburgring in zwei Wochen zum Debüt kommen wird, steht aber noch in den Sternen.