Juan-Pablo Montoya: Portrait und Kurzinterview
Juan-Pablo Montoya über seine Saisonziele, den neuen Qualifying-Modus und wie er mit eigenen Fehlern umgeht
(Motorsport-Total.com) - BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger erinnert er bisweilen "an Mike Tyson", Frank Williams verlieh ihm einmal das seltene Prädikat "Weltklasse" und verglich seinen Kampfgeist mit dem von Weltmeister Nigel Mansell, dem "Löwen". Eine längst nicht mehr nur kolumbianische Fan-Gemeinde unterstützt Juan-Pablo Montoya farbenfroh und skandierend in der ganzen Welt. Er ist auf dem besten Weg, der kommende Superstar der Formel 1 zu werden. Die Zuschauer lieben den 27Jahre alten Kolumbianer aus dem BMW-Williams-Team vor allem wegen seiner spektakulären Fahrweise, die Kontrahenten fürchten ihn wegen seiner verwegenen Überholmanöver.

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Montoya: Ein harter Rennfahrer, der aber auch Spaß versteht
"Ich will immer der Beste sein und irgendwann Weltmeister werden", verdichtet Montoya seine Ziele. Er geht in seine dritte Formel-1-Saison im BMW Williams Team. Seine Körpersprache ist aggressiv und fordernd. In den Kurven legt er seinen Kopf zur Seite, ganz so, wie er es in der US-Cart-Serie getan hat. Demonstrativer Einsatz vom Scheitel bis zum Gasfuß.
In der US-CART-Serie sollte Montoya lernen, sich durchzuboxen. Das hat er glänzend getan. Auf Anhieb gewann er 1999 die Meisterschaft, ein Jahr später setzte er mit seinem Triumph bei den legendären 500 Meilen von Indianapolis noch einen drauf ? und bekam das ersehnte Formel-1-Cockpit. Im BMW-Williams-Team löste er 2001 den Briten Jenson Button ab und wurde Teamkollege von Ralf Schumacher (Kerpen).
Schon seit seinem ersten Test für Williams im Jahr 1997 war das Team überzeugt, dass der Kolumbianer seinen Instinkt für Zweikämpfe und seine herausragende Fahrzeugbeherrschung auch in der Formel 1 beweisen würde. Die Frage war nur: Wie lange würde er brauchen, um sich mit den Anforderungen der Formel 1 zurechtzufinden?
Eine erste Antwort brachte das dritte Rennen der Saison 2001: Montoya kämpfte sich in Interlagos mit seinem FW23 in einem viel beachteten Manöver an Michael Schumacher vorbei und nahm damit bereits Kurs auf seinen ersten F1-Sieg. Nach Podiumsplätzen in Barcelona und auf dem Nürburgring war er in Hockenheim erneut auf Siegeskurs, musste sich aber letztlich bis Monza gedulden, ehe er sich in die Liste der Grand-Prix-Sieger eintragen konnte.
Eine steile Lernkurve im Qualifying mündete in Hockenheim zudem in die erste von drei Polepositions, die er in seiner Debütsaison erzielte. Damit hatte er bewiesen, dass er auch ein Formel-1-Auto auf seinen spektakulären Fahrstil abstimmen kann.
Weltrekord im Qualifying
2002 holte er sieben Polepositions ? exakt so viele wie Weltmeister Michael Schumacher. Nachdem Montoya Mitte der Saison gleich fünf Mal in Serie vom ersten Startplatz ins Rennen gegangen war, schwärmte BMW Motorsport Direktor Gerhard Berger vom "Montoya-Faktor". In Monza fuhr Montoya die schnellste Qualifyingrunde der Formel-1-Geschichte und brach damit einen 17 Jahre alten Rekord. In der Endabrechnung 2002 wurde er hinter Weltmeister Michael Schumacher (Ferrari) und dessen Teamkollegen Rubens Barrichello (Brasilien) Dritter. Für manchen ist Montoya der Geheimtipp im Titelkampf der Saison 2003.
Die englische Tageszeitung Times bezeichnete ihn einmal als "beliebtesten Exportartikel Kolumbiens nach Kaffee und Kokain", das deutsche Magazin Stern porträtierte ihn als "Guerillero unter Gentlemen". Beliebt ist Montoya vor allem in Amerika. Tausende Fans feierten den Kolumbianer in Indianapolis mit Fahnen und Sprechchören. Zum wiederholten Mal nahm er im Vorjahr bei David Letterman in der Late Show Platz und plauderte mit dem Kult-Talker am New Yorker Broadway über Gott und die Rennsport-Welt. Nach der Saison 2002 wurde er zu Lateinamerikas Motorsportler des Jahres gewählt, noch vor Ferrari-Pilot Rubens Barrichello.
Rookie-Sieger bei den Indy 500
Montoyas Rennkarriere vor seinem starken Formel-1-Entrée ist nicht weniger eindrucksvoll. Im Mai 2000 wurde er der erste siegreiche Indianapolis-Neuling seit 1966, damals hatte Graham Hill das 500-Meilen-Rennen auf dem berühmten Oval gewonnen. Dass er sich die Ideallinien neuer Rennstrecken schnell einprägen kann, ist eine Stärke von ihm. "Er ist ein Naturtalent", sagte Mo Nunn, sein damaliger Renningenieur bei Chip Ganassi Racing in den USA.
Montoya siegte souverän auf dem Brickyard. Er dominierte das Rennen mit den meisten und bei weitem schnellsten Führungsrunden. Nach dem Zieleinlauf und dem obligatorischen Glas Milch für den Sieger streute er mit lockeren Sprüchen Salz in die Wunden seiner Gegner: "Ich hatte viel Spaß und habe mit meinem Teamchef Chip Ganassi über Funk Witze gemacht."
Mit dem gleichen Team und in der gleichen überfallartigen Manier hatte sich Montoya 1999 in der Champ-Car-Serie zum Meister gekrönt. Mit sieben Siegen und zwei weiteren Platzierungen unter den ersten Drei wurde er der beste Rookie, den die Serie je gesehen hatte und egalisierte außerdem
Nigel Mansells Rekord von sieben Polepositions. Der Brite war 1993 zwar Neuling in der amerikanischen Königklasse, aber bereits mit 13 Jahren Formel-1-Erfahrung ausgestattet.
Fern der Heimat, nah der Familie.
Computerspiele-Freak Montoya, Sohn eines erfolgreichen Architekten, kann sich in seiner geliebten Heimat Bogota nur noch mit Bodyguards in der Öffentlichkeit bewegen. Seine Familie lebt längst in Miami. Und mit seiner Frau Connie, die er Ende Oktober in Cartagena kirchlich geheiratet hat, siedelte Montoya nach Monte Carlo um.
Seine Ausbildung zum Lenkradkünstler begann klassisch im Kartsport ?
im Alter von fünf Jahren in Kolumbien. Onkel Diego hatte das Handwerk in die Familie eingeschleppt, Höhepunkt dessen Karriere war Platz acht 1983 in Le Mans am Steuer eines Sportwagens mit BMW Motor. Die Familie ist für Montoya bis heute Dreh- und Angelpunkt. Sein Vater Pablo unterstützte die Ambitionen seines Sohnes von der ersten Runde an und ist auch in der Formel-1-Box meist an seiner Seite.
Montoya, am 20. September 1975 in Bogota geboren, sammelte bis 1992 fleißig Karterfolge und -titel. Es folgten Einsätze in verschiedenen Formel- und Tourenwagenklassen in Südamerika, dann wurde die Karriere in Europa fortgesetzt. 1995 bestritt er sein erstes Formelrennen in Europa und beendete die Saison als Dritter der britischen Formel-Vauxhall-Meisterschaft. 1996 fiel er in der britischen Formel 3 mit zwei Siegen auf sowie mit einem vierten Platz bei der inoffiziellen Formel-3-Europameisterschaft in Zandvoort (NLD). So empfahl er sich für die internationale Formel 3000.
Als er dort 1997 auf Anhieb Zweiter wurde, lud Frank Williams ihn zusammen mit drei anderen Fahrern zum Formel-1-Test ein. Montoya ließ keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten. Williams sorgte in Zusammenarbeit mit Super Nova Racing dafür, dass er 1998 einen Platz in der Formel-3000-Meisterschaft bekam.
Ende 1998 hatte er den F3000-Titel in der Tasche und Rekorde bei der Anzahl von Saisonsiegen und Punkten aufgestellt. Prompt setzte ihn Williams ins Formel-1-Cockpit ? zunächst als Testfahrer. 2001 debütierte Juan-Pablo Montoya als Stammfahrer, 2002 schlug
er erstmals seinen Teamkollegen Ralf Schumacher. 2003 will er mit dem BMW-Williams-Team seinem Ziel näher rücken, dem Weltmeistertitel.
Fragen an Juan-Pablo Montoya:
Frage: "Was halten Sie vom geänderten Qualifyingmodus?#b
Montoya: "Das Einzelzeitfahren begünstigt mental starke Fahrer, die im entscheidenden Moment alle Kräfte frei- und umsetzen können. Ich glaube, das kann ich. Der Faktor Glück bezüglich des Wetters etc. ist kein Kopfzerbrechen wert."
Frage: "Sie tauchen immer mit Gefolge auf. Wie wichtig ist das für Sie?"
Montoya: "Ich hatte und habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie ? zu meinem Vater, meiner Mutter, meinen beiden Schwestern und meinem Bruder. Auch mein Onkel Diego ist mit seiner Frau manchmal dabei. Meine Familie, ein paar sehr enge Freunde und natürlich Connie kommen einfach gern mit zu den Rennen. Und ich habe sie, speziell Connie, sehr gerne um mich."
Frage: "Kolumbien hat durch Kriminalität nicht den besten Ruf. Sie kennen auch die Schokoladenseiten. Fühlen Sie sich als Botschafter?"
Montoya: "Ich bin ein Botschafter! Ich finde es toll, wenn ich die kolumbianischen Flaggen auf den Tribünen sehe. Ich denke, ich kann meinem Land etwas geben. Ich gebe den Menschen einen Grund zur Freude. Wenn ich Rennen fahre, sind sie wie paralysiert. Dann steht dort wirklich alles still."
Frage: "Wie gehen Sie mit fremden und eigenen Fehlern um?"
Montoya: "Es ist viel leichter für mich, wenn es um Fehler von anderen geht. In der Formel 1 hängt so viel davon ab, wie gut man mit dem Team zusammenarbeitet. Ich stelle mich nicht über die Mannschaft. Wenn jemand einen Fehler macht, müssen wir ihn analysieren, daraus lernen und die Sache abhaken. Bei eigenen Fehlern gehe ich mit mir sehr hart ins Gericht. Höchstens ein oder zwei Mal habe ich gesagt: Da habe ich jetzt aber gute Arbeit geleistet. Normalerweise denke ich immer, dass es besser gegangen wäre. Sogar, wenn ich eine Poleposition eingefahren habe."
Frage: "Was ist Ihr Ziel für 2003?"
Montoya: "Mein letzter Sieg datiert auf September 2001 ? ich bin hungrig. Ich will GP gewinnen und hoffe, dass ich die technischen Möglichkeiten dazu habe."

