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Jean Todt im "goldenen Gefängnis" von Ferrari
Jean Todt über seine neue Rolle als Ferraris Managing Direktor, alte Zeiten, die Gegenwart und Zukunft bei Ferrari
(Motorsport-Total.com) - Bereits elf Jahre ist es her, als Jean Todt in Magny-Cours das erste Mal für Ferrari an der Boxenmauer in der Formel 1 stand. 1993 war jedoch nicht nur der erste Arbeitstag des Franzosen für Ferrari in der Formel 1, es war für ihn auch der erste Arbeitstag in der Formel 1 überhaupt. Er hatte also viel zu beweisen. Jetzt ist er an einen Punkt angekommen, an dem er diesen Beweis längst nicht mehr zu erbringen braucht.

© xpb.cc
Jean Todt ist gefangen im "goldenen Gefängnis" von Ferrari
An jenem Wochenende zog er es vor, sich nicht in den Ablauf des Teams einzumischen, stattdessen machte er in sein Notizbuch, das er immer mitführt, fleißig Notizen. Es brauchte viel Zeit, bis aus der chaotisch organisierten italienischen Truppe erneut ein siegfähiges Formel-1-Team wurde. Dies ist schon an sich eine große Leistung, aber vielleicht ist es noch erstaunlicher, dass wenn sich Jean Todt am kommenden Wochenende dazu entscheiden würde, erneut ausschließlich Notizen zu machen, Ferrari immer noch so stark wie eh und je wäre, weil man mittlerweile so gut organisiert ist.#w1#
Jean Todt sieht seine neue Rolle gelassen
Vielleicht sieht Jean Todt aus diesem Grund seine neue Rolle als Managing Direktor von Ferrari gelassen. Seit 1. Juni ist der Franzose nicht nur für den Formel-1-Auftritt der italienischen Traditionsmarke verantwortlich sondern auch für die PKW-Abteilung: "Bisher war ich der Chef einer Abteilung und nun bin ich der Manager eines Unternehmens", so Todt.
"Es gibt auf jeder Ebene des Unternehmens ein paar großartige Leute, denn Ferrari ist heute nicht mehr mit dem zu vergleichen, das ich vorfand, als ich vor elf Jahren zum Unternehmen stieß und es in der Formel 1 schlecht lief. Nun habe ich eine größere Verantwortung, aber über Dinge, die gut laufen. Wir produzieren im Jahr rund 4.500 Autos, die schönsten Autos der Welt. Alles in allem läuft es gut."
Es geht immer noch besser...
Doch wer den kleinen Franzosen kennt, der weiß, dass gut noch lange nicht gut genug ist: "Dies soll nicht heißen, dass ich nicht immer danach schaue, die Dinge noch besser zu machen. Ich denke, dass wir ein paar interessante Herausforderungen vor uns liegen haben, die Marke Ferrari noch stärker auszubauen." Als Beispiel nennt der 58-Jährige das Lizenz- und Merchandising-Geschäft, den Aufbau einer Partner- und Sponsoring-Abteilung. Das Ziel soll es sein, dass sich die Gestione Sportiva ausschließlich darauf konzentrieren kann, das Formel-1-Programm durchzuführen.
Todt mag zwar jetzt für den bekanntesten Sportwagenhersteller der Welt verantwortlich sein, aber es ist wohl wahrscheinlicher, dass seine Arbeit bei Ferrari in der Formel 1 den Leuten länger im Gedächtnis bleiben wird. Nach 21 Jahren ohne WM-Titel hat der Franzose das Team in eine dominante Kraft verwandelt, wie sie die Formel 1 zuvor noch nie gesehen hat.
Von Rekorden hält Todt wie Schumacher nicht viel
Doch Todt, da scheint er mit Michael Schumacher eine weitere Gemeinsamkeit zu haben, interessiert sich nicht sehr für diese Rekorde: "Es stimmt schon, dass wenn man sich die Zeit nimmt, darüber nachzudenken, in dieser Zeit eine Menge außergewöhnlicher Dinge passiert sind. Aber ich denke immer darüber nach, was in der Gegenwart passiert und was in der Zukunft geschehen wird, das hindert einen daran zurückzuschauen, was in der Vergangenheit passiert ist."
Wenn der Ferrari-Rennleiter auf seine bisherige Karriere im Motorsport zurückschaut, gerät er ins Schwärmen: "Was ich insgesamt im Motorsport gemacht habe, war außergewöhnlich: Ich war ein Rallye-Co-Pilot, ich war der Chef eines Rallye-Teams, das ich aufgebaut habe, ging in die Sportwagenszene und bin nun in der Formel 1. Für jemanden, der den Rennsport liebt, ist dies fantastisch."
Die Gegenwart und die Zukunft, das zählt für den Franzosen
"Ich hatte das Glück, dass ich immer etwas vor mir liegen hatte, ich konzentriere mich aus diesem Grund auf die Gegenwart und Zukunft, ohne das unterzubewerten, was in der Vergangenheit passiert ist. Dabei habe ich die ständige Angst, sicherzustellen, dass die Dinge gut laufen. Das hindert mich daran, mich mit dem zufrieden zu geben, was zuvor geschehen ist."
Es ist schon ein wenig pervers, aber Jean Todt zieht es vor, sich an die harten Zeiten zu erinnern: "Es stimmt, es gab ein paar großartige Zeiten aber auch ein paar schwierige. Wenn man zurückblickt, dann erinnert man sich oft nur an die großartigen Momente, die Schlüsselmomente sind jedoch die Schwierigen. Dies sind diejenigen, die ihre Spur hinterlassen."
Auch Jean Todt war mal ein "Nobody"
Wenn man sich heute im Formel-1-Lager umschaut, dann fällt es schwer zu glauben, dass die Teamchefs selbst früher einmal Nobodies waren. "Ich kann mich noch dran erinnern, dass ich früher sehr häufig auf dem Kurs von 'Jean Behra' war. Ich bin sogar auf der alten Strecke Rennen gefahren und nahm an einem Kurs der 'Winfield Racing School' teil. Das erinnert mich an die Vergangenheit."
In der Gegenwart setzt sich Todt zusammen mit Michael Schumacher und den Organisatoren des Rennens in Frankreich für ein medizinisches Institut ein, das Gehirn- und Rückenmark-Erkrankungen erforscht. Todt und Schumacher sind die Mitbegründer des 'ICM'. Im Rahmen einer Aktion können Zuschauer eine Fahrt um den Kurs mit Michael Schumacher und Rubens Barrichello gewinnen.
Frankreich und die Formel 1
Viel zu jubeln haben die französischen Fans vor Ort nicht, denn es fehlt ein Superstar wie Alain Prost. Mit Olivier Panis ist nur ein Landsmann am Start: "Die Formel 1 hatte immer schon solche Perioden", so Todt. "Aber wenn man bedenkt, dass wir zwei Autokonstrukteure in Frankreich haben, einer davon in der Formel 1 ist und der andere in der Rallye-Weltmeisterschaft, dann scheint das gut ausbalanciert zu sein. Wir haben zwei Reifenhersteller, einer davon ist französisch. Vielleicht kommt Frankreich in Bezug auf die Fahrer zu kurz. Ein Fahrer hat jedoch seiner Generation und dem Sport den Stempel aufgedrückt. Das war Alain Prost und man findet einen Alain Prost nicht jeden Tag."
Todt und das "goldene Gefängnis"
Hat Jean Todt dieses Wochenende Zeit, sich nostalgische Gedanken zu machen oder sich mit alten Freunden zu treffen? "Nein, es ist eines der frustrierenden Dinge, dass ich mein Leben in einem goldenen Gefängnis der Arbeit für Ferrari gewidmet habe. Meine Verantwortlichkeiten haben sich in dieser Beziehung nicht verändert, abgesehen davon, was die Vertretung angeht. Ich habe schon begonnen, mir die Leute um mich herum anzusehen, um es mir zu erlauben, einen breiteren Überblick über das Unternehmen zu gewinnen. Die Leute, die zusätzliche Verantwortung übernehmen werden, sind schon seit langem bei Ferrari, dank der Stabilität, die wir über die letzten Jahre erreicht haben."

