Ist der Grand Prix von Monaco noch zeitgemäß?

'F1Total.com'-Experte Marc Surer ist der Meinung, dass ein klassischer Grand Prix wie Monaco für die Formel 1 unabdingbar ist

(Motorsport-Total.com) - Heute in einer Woche findet der Grand Prix von Monaco statt, das traditionsreichste und berühmteste aller Autorennen. Märchen, Mythen, Monte Carlo - 2005 zum ersten Mal ohne Fürst Rainier, der seit Jahrzehnten jedem Sieger mit den Worten "Ich bin glücklich, dass sie es sind" die Trophäe überreicht hat. Der letzte Fahrer, dem Fürst Rainier auf diese Weise gratuliert hat, war 2004 der damalige Renault-Pilot Jarno Trulli.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

In Monaco donnert die Formel 1 nur einige wenige Meter am Meer vorbei...

Dieses Jahr wird erstmals Fürst Albert in der mit Panzerglas gesicherten Fürstenloge bei Start und Ziel Platz nehmen. Der Wechsel an der Spitze des Zwergstaats der Cote d'Azur ist auch Anstoß, über die Zeitmäßigkeit des Formel-1-Roulettes in den Häuserschluchten Monte Carlos nachzudenken. Ralf Schumacher meinte vor einigen Jahren, die Strecke sei zu unsicher, vor allem angesichts der Perspektive eines Unfalls im Tunnel. Daran ändere auch die von Jahr zu Jahr verbesserte Sicherheit nichts.#w1#

Seit 1994 viele schwere Unfälle ohne ernsthafte Folgen

Umgekehrt liegt der letzte schwerwiegende Unfall in Monaco schon mehr als zehn Jahre zurück: 1994 fiel Karl Wendlinger nach einem Crash am Hafen mehrere Wochen ins Koma. Danach kam es immer wieder zu Unfalldramen, aber nie zu Tragödien - etwa 1995, als sich Taki Inoue außerhalb der Trainingszeiten bei einer Kollision mit einem Streckenfahrzeug überschlug, oder 1998 und 2002, als Alexander Wurz beziehungsweise Takuma Sato am Hafen ihre Autos zerlegten, aber überlebten.

'F1Total.com'-Experte Marc Surer hält die Sicherheitsstandards jedenfalls für ausreichend: "Die Autos sind inzwischen so sicher, dass ein Alonso unverletzt aussteigen kann, wenn er sein Auto im Tunnel zerschmettert. Letztes Jahr gab es diesen Horrorunfall mit Fisichella im Rauch von Sato, aber auch da ist nichts passiert. Der Grand Prix von Monaco war noch nie so sicher wie heute", so der Schweizer, der selbst fünfmal im Fürstentum angetreten ist und 1981 sogar Sechster wurde.

"Wenn man sieht, wie sicher die Autos sind, muss man sagen, dass ein bisschen Spektakel der Formel 1 nicht schadet", spinnt er den Faden weiter. "Niemand will, dass ein Fahrer verletzt wird, aber verletzt werden kann man überall. Mit den Auslaufzonen, wo alle weiterfahren und nur ein paar Sekunden verlieren, wird es langweilig. Zur Show gehört eben auch, dass ein Auto gecrasht werden kann. Es müsste heutzutage wirklich dumm hergehen, dass dabei tatsächlich etwas passiert."

Man sieht oft nicht einmal in die nächste Kurve hinein...

Der Leitplankentunnel, der den Fahrern nicht den geringsten Fehler erlaubt, weil man sonst sofort anschlägt, ist zwar insofern gefährlich, als es keinerlei Auslaufzonen und somit auch kaum Ausweichmöglichkeiten gibt, doch andererseits passieren dadurch die meisten Unfälle in einem recht günstigen Einschlagwinkel. Dafür besteht die Gefahr, dass ein an eine Unfallstelle heranstürmender Fahrer an unübersichtlichen Stellen wie Rascasse nicht sieht, wenn ein Wrack hinter der Kurve steht.

Auch der Tunnel am Hafen wird von vielen als nicht mehr zeitgemäß erachtet: "Wenn es dort einmal kracht, gibt es Tote", befürchten viele Formel-1-Insider. Die Organisatoren haben sich dies zu Herzen genommen und wenigstens die Lichtverhältnisse verbessert, indem natürliches Außenlicht via Reflektoren ins Tunnelinnere geleitet wird. Davor hatten viele Fahrer Sehprobleme beim sekundenschnellen Wechsel vom Tageslicht in den dunklen Tunnel beziehungsweise umgekehrt.

Monaco ist - das steht außer Frage - eine Gratwanderung zwischen Faszination und Leichtsinn, zwischen Geschwindigkeitsrausch und verrücktem Risiko. Doch ist es nicht genau das, was die Formel 1 in ihren goldenen Jahren ausgezeichnet hat und was ihr heute fehlt? Sterile Strecken wie in Bahrain, China oder Malaysia verfügen über tolle Anlagen und modernste Standards in jeder Hinsicht, doch was die Königsklasse ausmacht, sind die Monacos, Spas und Silverstones dieser Welt.

Surer: "Monaco trennt die Spreu vom Weizen"

Am kommenden Sonntag wird aller Wahrscheinlichkeit nach der beste Fahrer gewinnen, denn in Monaco trennt sich die Spreu vom Weizen, wie Surer sagt: "Es ist eine der wenigen Strecken, wo es keinen doppelten Boden gibt, also keine Auslaufzonen. Der Fahrer ist dadurch gezwungen, auf der Strecke zu bleiben, und kann es sich nicht leisten, einfach durch den Sand zu rodeln oder auf den Asphaltflächen neben der Strecke rumzukurven. In Monaco muss zwischen zwei Leitplanken gefahren werden."

Im Konzept der Stadtrennen sieht der 53-Jährige übrigens einen positiven Trend, zumal ja auch über Rennen in London, Wien und New York nachgedacht wird: "Mit dem Zuschauerrückgang müssen wir wieder mehr in die Städte kommen. Die künstlichen Strecken außerhalb werden irgendwann nicht mehr voll zu bekommen sein. Daher wird man mit der Formel 1 wieder mehr auf die Leute zugehen und in die Städte kommen. Das hat Zukunft", meint Surer.

Bleibt noch die Frage offen, wer für den klassischen Grand Prix im Fürstentum als möglicher Sieger in Frage kommt. Unser 'F1Total.com'-Experte will sich mit seiner Antwort nur zum Teil festlegen: "Man muss für Monaco unbedingt McLaren favorisieren. Ein Michael Schumacher ist in Monaco auch immer ein heißer Tipp, wenn die Reifen auf eine Runde gut genug sind. Das muss man abwarten. Alonso wird stark sein, wie immer. Toyota wird dort möglicherweise nicht ganz so gut sein", prophezeit Surer.