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  • 04.07.2011 18:42

  • von Dieter Rencken

Interview: Toto Wolff über den Renault-Vertrag

Williams-Teilhaber Toto Wolff erläutert die kommerziellen Hintergründe der Partnerschaft mit Renault und sieht großes Potenzial für Kooperationen

(Motorsport-Total.com) - Williams und Renault sind nach zwölf Jahren Pause wieder vereint: 1999 letztmals mit als Supertec "getarnten" Renault-Motoren unterwegs, war das britische Team zwischenzeitlich mit BMW, Cosworth und Toyota liiert, ehe es ab 2012 zur Neuauflage der erfolgreichsten Partnerschaft der Formel 1 der 1990er-Jahre kommen wird. Williams-Teilhaber Christian "Toto" Wolff erklärt im Interview mit 'Motorsport-Total.com', was hinter der heutigen Bekanntgabe steckt.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff

Toto Wolff freut sich auf die kommerziellen Synergien des Renault-Vertrags

Frage: "Toto, es sind aufregende Neuigkeiten, dass Williams wieder mit Renault zusammenarbeiten wird. Wie ist dieser Deal zustande gekommen und was waren die Beweggründe dafür?"
Toto Wolff: "Um in der Formel 1 konkurrenzfähig zu sein, muss man versuchen, das Puzzle zusammenzubauen. Der Motor ist ein entscheidender Teil davon. Wir glauben, dass Renault sehr gute Motoren baut, mit denen man offensichtlich Weltmeister werden kann. Das ist ein Grund: dass wir unsere Leistung verbessern wollen."

Formel 1 nur ein Kooperationsbereich

"Damit sage ich nicht, dass unser derzeitiger Motor nicht gut genug ist, aber es eliminiert ein Fragezeichen, wenn man weiß, dass man den Weltmeistermotor im Auto hat. Abgesehen davon schauen wir auf Kooperationsmöglichkeiten, die über die Lieferung von Motoren hinausgehen. Dabei denken wir sogar bis hin zu Straßenautos. Da gibt es viele Synergien im Hybridbereich. Beide Parteien werden versuchen, sich gegenseitig zu befruchten."

Frage: "Interessant, dass du den Hybridbereich erwähnst, denn ihr habt ja auch schon einen Deal mit Jaguar gemacht. Da passt es ins Bild, eine Kooperation mit einem weiteren Automobilhersteller anzustreben. Aber werdet ihr nächstes Jahr mit den Renault-Motoren euer eigenes KERS verwenden oder einfach eines ankaufen?"
Wolff: "Patrick (Head; Anm. d. Red.) hat in der heutigen Pressekonferenz einen Satz gesagt, den ich wiederholen möchte, weil er lustig ist, aber genau trifft, was gemeint ist: 'Nach Absprache mit Rob White von Renault haben wir uns entschieden es so zu handhaben: Sie präsentieren unser Teil als ihres und wir präsentieren ihr Teil als unseres.'"

"Im Ernst: Das bedeutet, dass beide Firmen an einem Austausch von Technologie und Know-how interessiert sind, sich beide vorhandenen Systeme anschauen werden. Das ist definitiv eine der wichtigsten Säulen dieser Kooperation: nicht einfach den Renault-Motor ins Heck zu stecken und unser KERS dranzubauen, sondern vielleicht gibt es Komponenten unserer Technologie, von denen Renault und seine Kunden profitieren könnten. Daher freuen wir uns darauf, auch in diesem Gebiet eng zusammenzuarbeiten."

¿pbvin|512|3844||0|1pb¿Frage: "Artikel 13.3 des Sportlichen Reglements besagt, dass ein Motorenhersteller ohne Zustimmung der FIA nicht mehr als drei Teams beliefern darf. Habt ihr diese Zustimmung?"
Wolff: "Ja. Bevor man einen Vertrag unterschreibt oder bekannt gibt, muss man die Hausaufgaben machen. Wir haben die FIA um Zustimmung gebeten und haben diese vor einigen Wochen erhalten."

Frage: "Ihr hattet einen Zweijahresvertrag mit Cosworth, sodass ihr ohne Probleme wechseln könnt, richtig?"
Wolff: "Ja. Wir sehen Cosworth mit großem Respekt. Cosworth ist ein alterwürdiges Unternehmen und sie haben uns in den vergangenen beiden Jahren einen guten Motor zur Verfügung gestellt - gut im Sinne des Umfelds und der Möglichkeiten von Cosworth, die man in Betracht ziehen muss."

Kein schlechtes Wort über Cosworth

"Wenn man mit einem Hersteller antritt, hat man mehr Möglichkeiten, etwa wenn man in die Marketingstrategie eines Motorenherstellers einbezogen wird und nicht nur eine alleinstehende private Firma ist. Ja, wir hatten einen Zweijahresvertrag mit Cosworth, aber wir schätzen sie sehr und wir haben verschiedene andere Anknüpfungspunkte mit Cosworth, etwa die Entwicklung des Jaguar-Supersportwagens C-X75. Unsere Kooperation endet nicht mit der Kündigung des Motorenvertrags für die Formel 1."

Frage: "Die FIA hat die V6-Turbo-Formel ab 2014 erst vergangene Woche bekannt gegeben. Renault war gegen den alten V8 und hat sogar mit Ausstieg gedroht, falls die Formel 1 nicht 'grüner' werden sollte. Hättet ihr diesen Deal trotzdem gemacht, auch wenn der V8 geblieben wäre und Renault sich nach 2012 zurückgezogen hätte?"
Wolff: "Nein. Ich finde, Renault hat sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass sie aus der Formel 1 aussteigen werden, wenn es nicht in sehr naher Zukunft ein neues Motorenformat gibt, sei es nun 2013 oder auch 2014."

"Unser Vertrag, der schon seit einiger Zeit diskutiert wurde, hing dadurch in der Luft, denn wir wollten eine langfristige Kooperation und nicht nur einen Zweijahresvertrag ohne Zukunftsperspektive. Daher war uns sehr wichtig, dass Renault auch nach 2013 weiterhin in der Formel 1 engagiert bleibt. Im Moment sieht das gut aus, würde ich sagen. Daher war es uns wichtig, ihre Position zu verstehen."


Fotos: PK zur Williams-Renault-Reunion


Frage: "Es gibt verschiedene Arten von Motorenverträgen, zum Beispiel volle Werksverträge oder Kundenverträge, was die Vereinbarungen in puncto Kosten und Service und so weiter angeht. Wo fällt dieser Vertrag rein? Ist es ein voller Werksmotor oder seid ihr ein Renault-Kunde?"
Wolff: "Ich glaube, jeder muss auf die geschäftliche Seite der Dinge schauen, und ich denke, Renault tut das auch. Man kann nicht sagen, dass es ein reiner Werksvertrag ist, aber man kann auch nicht sagen, dass wir einer von vier Kunden sind."

Ziel: Nicht nur Kunde sein

"Es geht nicht ums Geld, sondern es geht um die Kooperation, die wir mit ihnen zum Beispiel im Bereich der Energierückgewinnungs-Systeme beginnen wollen. Heute sind wir einer von vier Renault-Kunden, aber wir bei Williams arbeiten hart daran, Systeme und Know-how zu liefern, die Renault dazu bewegen, uns für die neuen Regeln eine Stufe höher einzuordnen. Das könnte ein Ziel sein."

Frage: "Als Williams noch mit Toyota-Motoren gefahren ist, war Toyota auf dem Auto fast nicht vorhanden - verständlich, denn als Kunde macht es keinen Sinn, Werbung zu machen, solange es keinen finanziellen Anreiz gibt. Wird auf den Williams-Autos nächstes Jahr mehr Renault-Branding zu sehen sein?"
Wolff: "Jeder versucht, eine große Sache aus dem Branding zu machen, und ich weiß, woher diese Frage rührt: Ist unser Team gut genug, um ein Branding auf dem Auto zu rechtfertigen oder nicht? Ich denke nicht, dass das der Blickwinkel ist, aus dem wir die Sache betrachten wollen."

"Wir reden derzeit noch nicht über das Branding für nächstes Jahr, nicht einmal unter uns. Wir sind stolz darauf, mit Renault in Verbindung zu stehen, und ich denke, sie haben ebenfalls Freude daran - nicht nur wegen unserer Geschichte mit Renault. Wir finden, dass Williams-Renault gut klingt und wir glauben, dass es uns in Zukunft helfen wird, Partner zu finden und wirklich gute Geschäfte abzuschließen, zum Beispiel im KERS-Bereich, wie wir zuvor diskutiert haben. Das Branding werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt anschauen."

Alain Prost

1993 wurde der Franzose Alain Prost Weltmeister auf Williams-Renault Zoom

Frage: "Als Williams letztmals einen Werkspartner hatte, war je ein Cockpit mit einem Fahrer besetzt, der dem Partner sehr nahe stand, genauer gesagt Ralf Schumacher bei BMW und Kazuki Nakajima bei Toyota. Rechnet ihr damit, einen Fahrer verpflichten zu müssen, der enge Verbindungen zu Renault pflegt?"
Wolff: "Wir haben noch nicht einmal damit angefangen, über die Fahrerpaarung für nächstes Jahr nachzudenken."

"Renault ist natürlich ein französisches Unternehmen und man könnte sagen, dass wir uns französische Fahrer anschauen sollten, aber ich glaube, es geht letzten Endes alles ums Geschäft und um Performance. Williams wird den geeignetsten Fahrer auswählen, was die kommerzielle und sportliche Seite angeht. Heute sind wir aber sehr glücklich mit Pastor und Rubens und wir haben wie gesagt noch nicht einmal damit angefangen, die Fahrersituation zu diskutieren. Wir haben vollstes Vertrauen in die zwei Fahrer, die wir momentan haben."