• 29.10.2011 16:33

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Indien: Leichtes Spiel für die Reifen

Pirelli würde sich bezüglich der Auswahl der Mischungen rückblickend anders entscheiden: Die weichen Pneus halten lange - Viel Lob für die Streckenführung

(Motorsport-Total.com) - Die Reifen waren im Verlauf der diesjährigen Saison oft ein entscheidender Faktor in den Rennen. Die meist schnell abbauenden Pirelli-Pneus sorgten für unterschiedliche Taktiken, "Reifenflüsterer" wie Jenson Button konnten sich mit schonenden Runden mehrfach einen Vorteil erarbeiten. Beim anstehenden ersten Grand Prix in Indien wird dies anders sein. Die weiche Mischung aus dem Hause der Italiener hält viel länger durch als erwartet.

Titel-Bild zur News: Paul di Resta

Auch Paul di Resta wird wohl am Sonntag lange Zeit auf weichen Reifen bleiben

"Der Verschleiß ist hier deutlich geringer als wir angenommen hatten. Mit den weichen Reifen kann man lange fahren, bei der härteren Mischung hat man fast gar keinen Verschleiß. Es wird Zwei- und Dreistopp-Strategien geben", fasst Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery nach dem Qualifying im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' zusammen. Die Zahl der Reifenwechsel wird in Noida so gering sein wie auf kaum einer anderen Strecke im Kalender.

"Wir wussten, dass unser weicher Pneu hier recht gut halten müsste, aber wir mussten für Notfälle eine härtere Mischung in der Hinterhand haben. Das haben wir für den Fall gebraucht, dass es hier richtig hohe Temperaturen hat. Zu dieser Jahreszeit kann man so etwas nicht ausschließen", argumentiert Hembery. "Jetzt würden wir hier wahrscheinlich mit der mittelweichen und der superweichen Mischung anreisen. Aber das sagt sich im Nachhinein immer leicht."

"Hätten wir hier jetzt 35 Grad oder mehr, dann würden die weichen Pneus nach nur zwei Runden hinüber sein. Nun müssen eben alle mit unserer aktuellen Auswahl zurechtkommen", stellt der Brite klar. Bevorzugtes Produkt wird der "Option"-Reifen sein, also die weichere der beiden Mischungen. In Sachen Performance fällt die härtere Variante zu deutlich ab. "Es war auch uns aufgrund der Simulationen klar, dass der weiche Reifen hier einen deutlichen Vorteil bringen würde. Aber mit einem Unterschied von zwei Sekunden pro Runde hätten wir auch nicht gerechnet."


Fotos: Großer Preis von Indien, Samstag


Ebenso wie die Teams hatten die Pirelli-Simulationen einen Unterschied von rund einer Sekunde zwischen den beiden Varianten versprochen - die Realität sieht anders aus. "Wir gehen davon aus, dass es maximal drei Stopps geben wird", sagt Hembery. "Die Teams werden versuchen, möglichst wenig mit der härteren Mischung zu fahren. Ob man die nicht ganz so schnelle Mischung am Anfang oder am Ende benutzt, hängt wohl vom Gefühl des jeweiligen Teams ab."

Abgesehen von der möglicherweise wenig interessanten Auswahl von Mischungen ist der Pirelli-Sportchef vom Wochenende auf der brandneuen Strecke begeistert. "Ich bin überrascht, wie stark die Höhenunterschiede ausfallen. Natürlich kennt man die Daten vorab und kann sich ein Bild machen. Aber wirklich wahrnehmen kann man es erst, wenn man es mit eigenen Augen in echtem 3D vor Ort sieht", sagt er. "Ich bin wirklich erstaunt, dass so etwas heutzutage gebaut wurde."

Felipe Massa

Auf diesem Foto wird es recht gut sichtbar: Kuppen und Senken in Indien Zoom

"Aus Reifensicht ist der Kurs interessant. Es gibt schnelle Passagen, Kurven mit hohen Fliehkräften und harte Bremszonen - eine schöne Strecke. Sie wäre auch als Testareal sehr interessant", lobt Hembery das Layout von Streckenarchitekt Hermann Tilke. "Die Strecke vertraut insofern auf ein ganz neues Konzept, als dass sie in den Bremszonen und überall dort, wo man überholen kann, erheblich breiter ist. Das ermöglicht verschiedene Linien und Verteidigungsmechanismen, daher auch verschiedene Überholstrategien. Ich halte das für eine gute Lösung", sagt Michael Schumacher.

"Wenn die Strecke einmal eingefahren ist - was sie jetzt noch nicht ist, denn neben der Ideallinie ist sie noch sehr schmutzig -, wird das sehr gut funktionieren. Die Kombination aus langsamen Kurven zum Überholen, langen Geraden und einem Infield mit herausfordernden Highspeed-Kurven ist sehr schön", lobt der Mercedes-Superstar. Allerdings sorgt der Dreck für Sorgen. "Das Verhalten der Reifen war ziemlich interessant. Nicos Runde in Q2 war sehr gut, aber die ist er mit einem gebrauchten Reifen gefahren. Mit neuen Reifen in Q3 spürte er auch nicht mehr Grip als in Q2", berichtet Teamchef Ross Brawn.

"Ich gehe davon aus, dass sich die Strecke noch weiter verbessern wird, wenn sie erst einmal richtig saubergefahren ist. Das ist bei brandneuen Strecken ein ganz normaler Effekt", erklärt Pirelli-Mann Hembery. "Am Freitag war dieser Effekt am größten, heute fiel er schon deutlich geringer aus. Wenn aber morgen im Rennen alle 24 Autos gleichzeitig ihre Runden drehen, dann wird es wieder eine schnellere Entwicklung geben."