• 28.10.2011 20:15

  • von Stefan Ziegler

Indien: Die Formel 1 ist erst der Anfang

Ein vermeintlich schlafender Riese erwacht: Indien entdeckt nicht nur die Formel 1, sondern ganz allmählich auch viele neue Geschäftszweige für sich

(Motorsport-Total.com) - Schon lange stand Indien auf der Agenda von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, doch lange konnte sich der 81-jährige Brite den Wunsch eines Grand Prix' auf dem in Asien gelegenen Subkontinent nicht erfüllen. An diesem Wochenende ist es aber schließlich doch so weit, denn unweit von Neu Delhi entstand in den vergangenen Monaten eine neue Rennstrecke, die nun ihr Formel-1-Debüt erfährt.

Titel-Bild zur News:

Die Formel 1 soll in Indien künftig einen immer größeren Stellenwert gewinnen

So sehr sich Ecclestone über diesen Coup auch freuen mag, der Königsklasse des Motorsports weht auch Kritik ins Gesicht, weil sie sich in ein Land der Gegensätze gibt. Passt die so moderne Formel 1 überhaupt zu einer Nation, in der viele Menschen unter der Armutsgrenze leben? Eine erste Antwort auf diese Frage gibt es wahrscheinlich nach dem Premieren-Rennen auf der brandneuen Strecke.

Vijay Mallya, indischer Geschäftsmann und Formel-1-Teameigner, hält die Erschließung neuer Märkte wie Indien auf jeden Fall für die richtige Entscheidung und absolut begrüßenswert. Sein Heimatland habe Fehler, aber kein Ort der Welt sei perfekt, meint Mallya. "Ja, in Indien gibt es unterprivilegierte Menschen, aber das muss doch nicht heißen, dass man dieses Land deshalb geringschätzen sollte."

"Indien ist eine progressive Nation mit einer großen und stark wachsenden Wirtschaft. Die Regierung tut alles, um die Armen und Unterprivilegierten zu unterstützen", erklärt Mallya. Indien müsse aber auch darauf bedacht sein, voranzugelangen. "1990 entschieden wir uns gewissenhaft dazu, uns der Weltwirtschaft zu öffnen und einen Schritt nach vorne zu machen." Daran müsse man anknüpfen.

¿pbvin|512|4212||0|1pb¿"Die Commonwealth Games wurden in Indien abgehalten, nun ist es die Formel 1. Ich bin mir sicher: Weitere Events dieser Größenordnung werden folgen, denn Indien ist in vielerlei Hinsicht ein Land von Weltrang", sagt Mallya. Zumindest der Motorsport kehrt 2011 noch einmal nach Indien zurück: Die FIA hält ihre Generalversammlung auch die offizielle FIA-Titelgewinn-Zeremonie im Milliardenstaat ab.

Keine Regierungsgelder für die Formel 1

"Auch das wird dem Motorsport in diesem Land weiter an Schwung verleihen", meint Teamchef Mallya und erläutert seinen Standpunkt: "Indien ist ohnehin eine moderne, dynamische Nation. Natürlich haben auch wir unsere Probleme, doch damit setzen wir uns bereits auseinander." Man werde einen Weg finden - so wie es schon beim Bau des Buddh International Circuit bei Noida gelungen sei.

"Indien ist eine moderne, dynamische Nation." Vijay Mallya

Der Kurs sei "eine rein private Initiative" der Jaypee-Gruppe und habe als solche überhaupt keine Regierungsgelder verschlungen, betont Mallya und merkt an: "Es wäre auf jeden Fall zu viel verlangt, wenn wir bei unserer Regierung vorstellig werden und sie darum bitten würden, den Motorsport zu subventionieren." Stattdessen wählte man in Indien einen anderen Weg und hatte Erfolg damit.

Mallya war fest von diesem positiven Ausgang überzeugt, was aber nicht für alle Beteiligten gilt. "Es gab zahlreiche Spekulationen und viele Leute waren skeptisch. Ich denke, wir konnten unter Beweis stellen, dass sie falsch lagen", sagt der indische Geschäftsmann. Er könne sich "wirklich nicht" beschweren, denn für ihn erfülle sich mit dem Großen Preis am Sonntag ein lange gehegter Wunsch.

Ein Sport für das breite Publikum

"Vor 30 Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass einmal ein Formel-1-Auto in Indien fahren würde. Das Rennen findet nun aber statt, es wird Realität. Ein Traum wird wahr. Das ist fantastisch", schwärmt Mallya. Adam Parr, Vorstandsvorsitzender bei Williams, pflichtet seinem Vorredner bei. Der Brite hält den Auftritt der modernen Formel 1 im aufstrebenden Indien ebenfalls für absolut richtig.

"Die Formel 1 kein Elitesport ist, sondern ein Sport für die ganze Welt." Adam Parr

"Ich denke, es ist von großer Bedeutung, dass wir am Rande dieses Rennens festhalten, dass die Formel 1 kein Elitesport ist, sondern ein Sport für die ganze Welt. Viele tausend Personen mit völlig normalem Hintergrund sind darin involviert, doch 600 Millionen haben ihre Freude daran", erläutert Parr. "Die Formel 1 ist nur im Hinblick auf ihre große Konkurrenzfähigkeit ein echter Elitesport."


Fotos: Großer Preis von Indien


Und eine Plattform, die indische Firmen erst noch für sich entdecken müssen - und genau darauf bauen die Teams und auch die Vermarkter. Monisha Kaltenborn, Team-Geschäftsführerin bei Sauber und gebürtige Inderin, rechnet fest mit gewissen Trends: "Ein Event wie dieser ist die perfekte Bühne, auf der wir uns präsentieren und den Unternehmen zeigen können, was die Formel 1 ausmacht."

Drängen bald indische Firmen in die Formel 1?

Überzeugungsarbeit, die sich für Sauber bereits bezahlt machte, wie Kaltenborn hinzufügt. "Es ist uns gelungen, die bekannteste Marke Indiens, Amul, für uns zu gewinnen." Der indische Großkonzern ist vielleicht nur die erste unter vielen Firmen, die künftig in die Formel 1 investieren. "Es ist eigentlich überraschend, dass noch nicht so viele dieser Unternehmen in der Formel 1 involviert sind."

"Es ist sehr wichtig für die Formel 1, in neuen Märkten zu fahren." Franz Tost

"Finanziell wären sie allemal dazu in der Lage", meint Kaltenborn. Es gelte, in dieser Hinsicht am Ball zu bleiben, wie auch Franz Tost, Teamchef bei Toro Rosso bestätigt. "Es ist sehr wichtig für die Formel 1, in neuen Märkten wie Indien, China, Russland, dem arabischen Raum oder Südamerika zu fahren. Das sind die Märkte der Zukunft und das wiederum ist überaus wichtig für die Sponsoren."

Jean-Francois Caubet von Motorenhersteller Renault geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet Indien als einen "strategischen Kernmarkt der Zukunft", von denen es laut dem Franzosen "neben Indien noch Brasilien und Russland" gäbe. Aus diesem Grund sei der Formel-1-Grand-Prix bei Neu Delhi von großer Bedeutung - oder wie es Kaltenborn sagt - "einfach nur ein ganz spezielles Rennen..."