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Hintergrundbericht: "Bei Red Bull ist alles möglich..."
Red Bulls Motorsportbeauftragter Marko, Teamchef Horner und der scheidende Minardi-Eigentümer Stoddart über den Millionendeal
(Motorsport-Total.com) - Noch vor zwei Wochen hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass in der weitgehend von den Automobilherstellern kontrollierten Formel 1 ausgerechnet ein verhältnismäßig kleines Unternehmen aus Fuschl am See in Österreich gleich zwei Teams besitzen könnte. Seit heute ist dies aber Tatsache: Red Bull hat in Spa-Francorchamps bekannt gegeben, dass man mit 1. November 2005 100 Prozent des Minardi-Teams übernehmen wird.

© xpb.cc
Hier steht es, schwarze Schrift auf weißem Papier: Red Bull kauft Minardi!
Angefangen hat alles vor einigen Wochen, als klar war, dass man Probleme haben würde, für die Red-Bull-Junioren Christian Klien, Vitantonio Liuzzi und Scott Speed freie Cockpits zu finden. Also wurden Gespräche mit Minardi-Teamchef Paul Stoddart aufgenommen. Dabei ist es zunächst allerdings noch nicht um eine Totalübernahme gegangen, wie Red Bulls Motorsportbeauftragter Helmut Marko im Interview mit 'F1Total.com'-Boxengassenreporterin Inga Stracke bestätigte.#w1#
Red Bull wollte ursprünglich nur Fahrerplätze kaufen
"Wie man weiß, haben wir sehr viele junge Piloten, aber bei Red Bull Racing nur zwei Cockpits", erklärte der Österreicher unmittelbar nach Bekanntwerden des knapp 30 Millionen Euro schweren Deals. "Aus diesem Grund haben wir Gespräche geführt und sondiert, wie wir unsere erfolgversprechenden Jungen unterbringen könnten. Im Zuge dieser Gespräche ist irgendwann die Idee aufgekommen, gleich ein Team zu kaufen, und das ist jetzt passiert."
Allerdings sieht der Energydrink-Hersteller Red Bull den Kauf von Minardi nicht nur als sündteure Maßnahme, um Klien, Liuzzi und Speed eine Zukunft in der Formel 1 zu ermöglichen, sondern auch als Investment in die Zukunft. Firmenchef Dietrich Mateschitz ist der Ansicht, dass sein zweiter Rennstall schon 2006 profitabel auf eigenen Füßen stehen könnte. Außerdem sollen spätestens ab 2008 völlig neue Synergien entstehen.
"Ich glaube, dass der Einstieg in die Formel 1 momentan ein sehr günstiger ist", meinte Marko gegenüber 'F1Total.com'. "Die Formel 1 wird sich wieder aufwärts entwickeln. Die Kostenreduktion kommt ganz sicher mit 2008, wenn das neue Reglement in Kraft tritt, denn dann wird es möglich sein, dass ein Hersteller zwei oder mehrere Teams beliefert. Das heißt, wir werden das sicher so halten, dass eine Entwicklungscrew vorhanden ist, die beide Teams mit den Chassis' und sonstigen Sachen beliefern wird."
Minardi wird weiterhin ein eigenes Auto bauen
Gerüchte, wonach Minardi - dann natürlich unter neuem Namen, der allerdings jetzt noch nicht feststeht - schon 2006 mit einem Red-Bull-Chassis aus der Saison 2005 an den Start gehen könnte, entbehren freilich jeder Grundlage, da dies vom Reglement her gar nicht erlaubt wäre. Red Bull besitzt nämlich beide Teams, will diese aber voneinander unabhängig führen. Sprich: Es wird zwei Teamchefs geben, zwei Technische Direktoren und so weiter...
Auch zwei Fabriken? Laut Marko zumindest nicht mehr lange: "Das neue Reglement tritt 2008 in Kraft. Dann wird es sicher nicht mehr diese zwei unterschiedlichen Standorte geben", deutete er an, dass die bisherige Minardi-Niederlassung in Faenza mittelfristig stillgelegt werden könnte. Auf die Frage, ob denn unter Umständen sogar ein Hauptquartier auf österreichischem Boden denkbar sei, entgegnete der 62-Jährige augenzwinkernd: "Bei Red Bull ist alles möglich..."
Meinungsverschiedenheiten über den künftigen Standort
Damit widersprach Marko übrigens dem bisherigen Minardi-Eigentümer Paul Stoddart, der angeblich die Bedingung gestellt haben will, dass der Standort Faenza erhalten bleiben muss. Hintergrund: "Die Mehrheit der Belegschaft soll eine sichere Zukunft haben", erklärte der Australier sein Hauptanliegen. "Nach gründlichen Diskussionen mit dem Stab um Dietrich Mateschitz gehe ich davon aus, dass Red Bull unsere Kriterien erfüllt."
Der Name Minardi wird allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit schon ab 1. November von der Bildfläche verschwinden. Wie das neue Team heißen wird, ist noch unklar, ein US-Projekt sei aber nicht geplant, unterstrich Marko: "Ein All-American-Team benötigt einen amerikanischen Motor, aber den gibt es derzeit weit und breit nicht", so der Österreicher, der übrigens keine Ambitionen auf den Teamchefposten hat: "Ich werde nicht operativ tätig sein, sondern nur beratend - wie immer."
Red-Bull-Teamchef Christian Horner sprach in Zusammenhang mit der Minardi-Übernahme von einer "positiven Sache für die Formel 1, gut für Minardi und alle Beteiligten. Red Bull hat damit wieder einmal Grenzen überquert", gab der Brite zu Protokoll. Ob er dabei schon daran gedacht hat, dass Red Bull nun in allen Gremien mit zwei Stimmen vertreten ist, was den sportpolitischen Einfluss des österreichischen Projekts enorm erhöht?
Teams sollen voneinander unabhängig geführt werden
Prinzipiell sei das neue Team aber "komplett unabhängig" von der in Milton Keynes stationierten Truppe: "Die Details werden wir bald bekannt geben", sagte Horner. "Auf das bestehende Team wird das keine Auswirkungen haben. Mein Team ist fokussiert auf Siege und darauf, sich im Feld nach oben zu arbeiten. Mit dem Ferrari-Motor, den Fahrern und dem Windkanal, der Ende des Monats in Betrieb genommen wird, haben wir alle notwendigen Zutaten beisammen."
Formel-1-Chef Bernie Ecclestone kann sich indes gleich aus zwei Gründen über das intensivierte Engagement von Red Bull in seinem Millionenzirkus freuen: Erstens wird damit in Form von Minardi bald auch ein vierter Rennstall nach Ferrari, Jordan/Midland und Red Bull das neue Concorde Agreement unterschreiben, und zweitens ist er endlich Dauernörgler Paul Stoddart los, der in den Medien immer wieder gegen die Mächtigen in der Königsklasse gewettert hat.
Stoddart kann sich wieder auf seine Airline konzentrieren
Für Stoddart bedeutet der Abschied aus dem Fahrerlager, dass er sich künftig voll auf seine neue Business-Class-Fluglinie 'OzJet' konzentrieren kann, für die er plötzlich ein unerwartetes Startkapital von fast 30 Millionen Euro zur Verfügung hat. Nachdem seine Fluggeschäfte unter den Terroranschlägen vom 11. September 2001 schwer gelitten hatten, ermöglicht ihm der Ausstieg aus dem Minardi-Team zumindest im Airline-Business neue Möglichkeiten.
Dennoch zeigte er sich in einer ersten Stellungnahme von seiner emotionalen Seite: "Von einem sehr persönlichen Standpunkt aus betrachtet werde ich sehr traurig darüber sein, das Fahrerlager und den Sport, den ich so liebe, zu verlassen", teilte der 50-jährige Kettenraucher mit. "Ich habe immer gesagt, dass ich einen Verkauf des Teams in Betracht ziehen würde, wenn es einen Käufer gibt, der es ernst meint und der verschiedene Grundkriterien erfüllt."
Außerdem sprach er noch einmal der gesamten Belegschaft bei Minardi "für die unermüdliche Unterstützung in den vergangenen fünf Jahren" seinen Dank aus. Und: "Minardi mag das momentan kleinste Team im Formel-1-Feld sein, aber es besitzt mit Sicherheit das größte Herz. Es würde hervorragend passen - und möglich ist es auch -, dass Fernando Alonso, der 2001 seine Karriere bei Minardi begonnen hat, morgen als der jüngste Formel-1-Weltmeister der Geschichte gekrönt wird", so Stoddart.

