Helmut Marko: Ferrari ist in Baku Red Bulls "einziger Gegner"

Wie die sinkenden Temperaturen im Qualifying das Zünglein an der Waage waren und warum Red Bull laut Helmut Marko trotzdem Favorit auf den Sieg ist

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen wird im Qualifying in Baku immer besser: 2016, bei der Premiere, stand er auf Platz 9 der Startaufstellung. 2017 und 2018 war er Fünfter, 2019 Vierter, 2021 und 2022 jeweils Dritter. "Es ist das erste Mal, dass Max hier in Reihe 1 startet", freut sich Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Sky'.

Titel-Bild zur News: Helmut Marko

Laut Helmut Marko ist Charles Leclerc nicht Favorit auf den Sieg beim Rennen in Baku Zoom

Obwohl Charles Leclerc am Freitag um 0,188 Sekunden schneller war als Verstappen, ist der Österreicher, der gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, optimistisch, auch den Grand Prix von Aserbaidschan gewinnen zu können.

Er ist überzeugt: "Im Renntrimm sollten wir besser aufgestellt sein. Ferrari ist auf die einzelne Runde sehr schnell. Vor allem haben sie auf die fallenden Temperaturen besser reagiert als wir", erklärt er.

Dazu muss man wissen: Das Qualifying begann plangemäß um 17 Uhr Ortszeit, dauerte wegen der vielen Unterbrechungen aber länger als gedacht. Dadurch stand die Sonne schon tief, was einige Fahrer (darunter auch Verstappen) am Boxenfunk bekrittelten. Die Asphalttemperaturen sanken rapide, der Luftdruck veränderte sich. Darauf habe Red Bull "nicht so optimal" reagiert, räumt Marko ein.

Im Qualifying ein Nachteil, im Rennen ein Vorteil

Aber: Was im Qualifying ein Nachteil war, weil man die Reifen nicht schnell genug auf Temperatur brachte, könnte im Rennen, wenn es drauf ankommt, die Reifen nicht zu überhitzen, zum Vorteil werden.

Marko sieht jedenfalls keinen anderen Gegner als Ferrari für Verstappen und Sergio Perez. Der fünftplatzierte Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton hat bereits eine Sekunde Rückstand, und Fernando Alonso hat eigenen Angaben nach "ein paar Zehntel" wegen eines DRS-Defekts verloren, wäre aber auch sonst nicht in die Nähe der ersten Startreihe gekommen.

"Ich glaube, Alonso hatte gewisse Probleme. Aber wenn Ferrari den Reifenverschleiß in den Griff kriegt, dann sehen wir die als einzigen Gegner. Der Rest ist doch relativ weit abgeschlagen", ist Marko überzeugt.

Vasseur: Erste Pole "ein Meilenstein" für Ferrari

Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur ist jedenfalls froh, mit der ersten Poleposition der Saison 2023 "einen Meilenstein" erreicht zu haben, wie er im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt: "Eine Pole ist immer gut fürs Selbstvertrauen. Ich freue mich für alle im Team, denn sie haben im vergangenen Monat hart gearbeitet. Und wir haben auch unter Druck gute Entscheidungen im Hinblick auf Weiterentwicklung und Set-up getroffen."

Dabei war Ferrari eins der wenigen Teams, das kaum Updates nach Baku gebracht hat. Bis auf einen Low-Downforce-Heckflügel gibt's nichts Neues für Leclerc und Carlos Sainz. Den Durchbruch schaffte man eher durch eine veränderte Herangehensweise ans Set-up, die man schon in Melbourne ausprobiert hatte. Dort wurden die Fortschritte aber durch den Ausfall von Leclerc und die Strafe gegen Sainz kaschiert.

"Es lief schon in Melbourne ganz gut, aber da haben wir nicht alles in die Reihe gebracht. Heute hat Charles einen mega Job gemacht", freut sich Vasseur. "Melbourne war kalt, keine permanente Rennstrecke. Aber es war offensichtlich für uns, dass wir zwischen Dschidda und Melbourne einen Schritt gemacht hatten, und für unsere Fahrer auch."

"Trotzdem blieben Zweifel, weil wir es nicht umsetzen konnten. Hier waren wir von der ersten Runde im Training an voll dabei. Jetzt kann man natürlich sagen, dass das Wochenende noch nicht durch ist und wir noch nicht einen Punkt gesammelt haben. Aber das ist zumindest mal ein guter Fortschritt für das Team", sagt der Franzose.

Vom ersten Training an gut in der Balance

Dass Ferrari im einzigen Freien Training nicht lang suchen musste, um mit der Balance auf einen grünen Zweig zu kommen, erwies sich als vorteilhaft. Andere Teams wie Mercedes hätten mehr Zeit gebraucht, um ihr Set-up feinzutunen. Doch bei Wochenenden mit F1-Sprint ist der im Vorteil, der sein Set-up im Simulator am besten vorbereitet hat.


Quali Baku: Wie Leclerc die Red Bulls besiegt hat

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"Wenn du bei diesem Format ein Problem mit der Balance hast, dann ist es viel schwieriger, darauf zu reagieren", nickt Vasseur. "Weil du das Problem mitschleppst, Longruns, Shortruns, und dann komplett blind ins Wochenende gehst. Wir haben sowohl mit Hard als auch mit Soft gut begonnen, und dann waren wir im Qualifying voll da. Das ist auch gut für das Selbstvertrauen der Fahrer."

Vasseur: Sind besser als der WM-Stand zeigt

Doch erstmal muss Ferrari die Pole und Platz 4 auch im Rennen in ein gutes Ergebnis ummünzen, den Sprint-Samstag in Baku erfolgreich meistern - und dann in der Weltmeisterschaft einen Satz nach vorn machen. Aktuell liegt die Scuderia auf Rang 4 der Konstrukteurswertung, mit einem Rückstand von 26:123 auf Leader Red Bull.

"Ich will gar nicht opportunistisch sein, aber ich denke, wir sind viel besser in Form, als die WM-Punkte das aussagen", hält Vasseur dagegen. "Uns sind einige gute Gelegenheiten durch die Lappen gegangen. Gleich beim ersten Rennen in Bahrain, dann hatte Charles die Strafe, und dann das schlechte Ergebnis in Melbourne."

"Aber was die Performance betrifft, haben wir in Melbourne einen riesigen Schritt nach vorn gemacht", unterstreicht Vasseur. "Wir verstehen die Balance des Autos viel besser, verstehen die Gesamtsituation besser, und das hat man auch an der Pace gesehen. Ich hoffe, dass wir dieses Wochenende den Trend bestätigen können, den wir schon in Melbourne gesehen haben."