Helmsicherheit wird zum Politikum

Jarno Trulli klagt Michael Schumacher und Co. an und ärgert sich darüber, dass die Helmsicherheit zum Spielball politischer Interessen wird

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich sollte man meinen, dass es im Interesse aller Beteiligten sein müsste, wenn versucht wird, die Helme in der Formel 1 sicherer zu machen, doch weit gefehlt. Vielmehr werden die neuen Zylon-Schutzstreifen auf der Oberkante der Helmvisiere an diesem Wochenende gleich auf mehreren Ebenen zu einem Politikum.

Titel-Bild zur News: Kamui Kobayashi

Der neue Zylon-Schutzstreifen am Helmvisier von Kamui Kobayashi

Am meisten ärgert sich darüber Jarno Trulli, der sich innerhalb der Fahrergewerkschaft GPDA schon immer sehr für Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt hat: "Wenn ich alles zu dem Thema sage, was ich denke, wird es eine ziemlich lange Geschichte", holt der Lotus-Pilot aus und ärgert sich über diejenigen, die den modifizierten Helm verweigern, weil dieser um rund 60 Gramm schwerer ist und angeblich die Sicht ein wenig einschränkt.

Schumacher und Webber nicht begeistert

Zu diesen Kandidaten gehören dem Vernehmen nach auch zwei große Namen, nämlich Michael Schumacher und Mark Webber. "Ich werde es sicher ausprobieren und Erfahrung damit sammeln", meinte Schumacher gestern, also noch vor Trainingsbeginn, aber seinem Helmhersteller Schuberth wird unterstellt, das Thema so gut es geht zu boykottieren. Arai und vor allem Bell sind mit ihren Modifikationen hingegen weiter und begrüßen den Schritt daher.

Denn dass der Schutzstreifen an diesem Wochenende erstmals verpflichtend eingesetzt werden muss, nachdem Bell-Kunden seit Monaten damit experimentiert haben, ist lange bekannt: "Der Brief der FIA wurde zu Saisonbeginn veröffentlicht", erinnert Trulli. "Bell war bereits Ende des vergangenen Jahres soweit - beim letzten Test habe ich den Helm ausprobiert. Seit dem ersten Test in diesem Jahr habe ich ihn benutzt und auch in den Rennen eingesetzt. Ich hatte nie Probleme."

¿pbvin|512|4141||0|1pb¿"Wenn wir schon über Sicherheit reden, sage ich: 'Okay, dann lasst es uns so machen!' Schließlich ist es eine Sicherheitsfrage", findet der italienische Routinier. "Ein paar andere Fahrer, die jahrelang das Thema Sicherheit auf der ganzen Welt hochgehalten haben, haben angefangen, sich darüber zu beschweren. Vielleicht ist es doch nicht so sicher, sagen sie, und vielleicht kann ich nicht so gut durch das Visier schauen. Nur weil ihre Helmausrüster nicht bereit waren..."

"Das schätze ich nicht besonders, um ehrlich zu sein. Ich war nicht sehr froh, das von einigen Leuten zu hören", kritisiert Trulli Schumacher, ohne den Namen des Mercedes-Piloten explizit in den Mund zu nehmen. "Ich persönlich finde, dass die FIA eine Richtung vorgegeben hat, nachdem sie es ausführlich getestet haben - und nicht, weil sie plötzlich aufgewacht sind und gedacht haben: 'Lasst uns jetzt dies und jenes unternehmen.' Es ist bewiesen, dass es besser ist."

Alonso fährt mit Zylonstreifen

Also hat Fernando Alonso keine Einwände dagegen: "Als damals das HANS-System eingeführt wurde, musste man auch ein bisschen damit experimentieren, bis es mehr oder weniger komfortabel war", erinnert er sich. "Unterm Strich verbessert es halt deine Sicherheit. Dieser Schutzstreifen über dem Visier ist also eine gute Sache und sollte uns im Falle eines Frontalunfalls schützen. Ich habe kein Problem damit, es zu nutzen."

Doch die Einführung zieht politisch weite Kreise, und zwar nicht nur zwischen den Fahrern und Helmherstellern, sondern auch innerhalb des Automobil-Weltverbands. Denn der Schutzstreifen gilt als Entwicklung des FIA-Instituts (Präsident: Sid Watkins), das sich zunehmend als eigenständige Organisation positioniert. Dahinter steckt angeblich Richard Woods, der ehemalige Wegbegleiter von Max Mosley, der im Zuge der Amtsübernahme von Jean Todt entmachtet wurde.

¿pbvin|512|4139||0|1pb¿Während sich also das FIA-Institut mit aller Macht dafür einsetzt, den Schutzstreifen spätestens ab 2012 bei allen Rennen verpflichtend einzuführen, halten sich FIA sowie einzelne Fahrer und Helmhersteller in ihrer Euphorie vornehm zurück. Trulli kann angesichts solcher Eitelkeiten nur den Kopf schütteln: "Manchmal macht das alles keinen Sinn mehr - in einer Welt, in der wir wissen, dass wir alle für uns selbst arbeiten, für unsere Sicherheit."

"Letztlich zeigt das, dass viel Politisches hinter all dem steckt", vermutet der 37-Jährige und appelliert an seine Kollegen: "Mir persönlich geht es nur um die Sicherheit. Mich kümmern die Helmausrüster nicht. Ich werde von keinem Helmhersteller bezahlt, ich werde von niemandem bezahlt. Ich kümmere mich bloß um die Sicherheit. Ich finde, dass jeder im Paddock das System so schnell wie möglich - sobald es eben bereit ist - haben sollte."