Heidfeld: "War von Anfang an gut unterwegs"

Im 'F1Total.com'-Interview spricht Nick Heidfeld über seinen gelungenen Test für BMW-Williams und erklärt, warum er auf Jordan noch sauer ist

(Motorsport-Total.com) - Das Presseecho auf den Test von Nick Heidfeld im BMW-Williams hätte unterschiedlicher nicht sein können: Während die deutschen Medien den 27-Jährigen schon fix ins Cockpit für 2005 schreiben, sind britische Zeitungen davon überzeugt, dass er an den vergangenen beiden Tagen in Jerez seine Chancen auf einen Stammvertrag vergeigt hat.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld: "Riesenchance" auf den Durchbruch in seiner Karriere

Tatsächlich sind Heidfelds Rundenzeiten aufgrund des schlechten Wetters, das geherrscht hat, kaum einzuschätzen, und auch zum direkten Vergleich mit dem zweiten Kandidaten, Antonio Pizzonia, ist es nicht gekommen. Fest steht aber, dass sich "Quick Nick" den Umständen entsprechend gut geschlagen hat. Im Interview mit 'F1Total.com' stellt er den Verlauf seiner Premiere im BMW-Williams aus seiner eigenen Sicht dar.#w1#

Jordan-Affäre könnte bald endgültig vergessen sein

Darüber hinaus konnte er sich den Ärger über den im Sommer noch geplatzten Test für das britisch-deutsche Team, der damals ja von Eddie Jordan vereitelt wurde, nicht ganz verkneifen: "Ich kann schon sagen, dass ich noch sauer bin. Es war extrem ärgerlich", erklärte er. Schon in einigen Wochen könnte aber all das Schnee von gestern sein: Nach einem weiteren Test nächste Woche wird wohl die Entscheidung fallen, ob er bei BMW-Williams unterkommt oder nicht.

Frage: "Nick, du warst am Donnerstag in Jerez schneller als Pizzonia, der aber am Morgen ein Problem hatte. Außerdem war es nass. Wie aussagekräftig sind die so erzielten Rundenzeiten?"
Nick Heidfeld: "Gut, die Zeiten, die am Ende des Tages im Klassement stehen, sind leider nicht sehr aussagekräftig, weil die Strecke zum Schluss am schnellsten war. Leider war Antonio da nicht mehr auf der Strecke. Wenn ich mir aber die restlichen Zeiten des Tages anschaue, bin ich sehr, sehr zufrieden."

Frage: "Das heißt, wenn ihr gleichzeitig gefahren seid, haben deine Rundenzeiten aus deiner Sicht gepasst?"
Heidfeld: "Ja."

"Noch relativ viel Zeit da, die ich gutmachen kann"

Frage: "Als Fahrer hat man in der Regel ein Gefühl für die erbrachte Leistung, auch wenn die Rundenzeiten mit Vorsicht zu genießen sind. Wie zufrieden bist du mit dir selbst und wie zufrieden ist das Team?"
Heidfeld: "Ich bin sehr zufrieden mit den beiden Testtagen. Ich denke, ich habe mein Bestes zeigen können, und ich habe von allen Seiten ein gutes Feedback bekommen. Im Wagen habe ich mich recht schnell wohl gefühlt. Ich war eigentlich von Anfang an gut unterwegs, auch was die Rundenzeiten betrifft. Trotzdem habe ich natürlich gespürt, dass es mit jeder Runde noch besser wurde. Man merkt mit der Zeit immer mehr Feinheiten am Auto. Das war von Anfang bis Ende der Fall. Speziell bei trockenen Bedingungen - die ja kaum geherrscht haben, obwohl ich am Ende des zweiten Tages relativ lange mit Trockenreifen fahren konnte - ist noch relativ viel Zeit da, die ich gutmachen kann, zumal ich auch mit den Michelins noch nie gefahren bin und da noch einiges probieren kann. Die Umstellung bei den Reifen war aber nicht allzu groß."

Frage: "Ist es schwieriger, sich auf ein neues Auto einzustellen, wenn die Strecke nass ist?"
Heidfeld: "Das ist eine Einstellungssache, wie man herangeht an etwas. Ich fahre generell gerne im Regen und bin der Sache von daher ganz positiv gegenüber gestanden. Das war überhaupt kein Problem."

Frage: "Glaubst du, dass dein Feedback über das Auto bei den Ingenieuren einen guten Eindruck hinterlassen hat?"
Heidfeld: "Ich glaube schon, ja. Die Zusammenarbeit mit meinem Ingenieur hat auch gut geklappt, denn das braucht ja auch immer ein bisschen Zeit. Man muss sich erst aneinander gewöhnen. Während so einem Test oder einem Rennen kommuniziert man am Funk extrem viel miteinander. Da muss man erst einmal herausfinden, was denn der Fahrer oder der Ingenieur genau meint, wenn er etwas sagt. Auch das hat ganz gut funktioniert, glaube ich. Ich habe positives Feedback bekommen."

Heidfeld bekommt nächste Woche eine zweite Chance

Frage: "Du hättest natürlich am liebsten im Trockenen getestet, aber das hat nicht geklappt. Bekommst du jetzt einen zweiten Test im BMW-Williams-Team?"
Heidfeld: "Ja. Ich werde nächste Woche in Jerez fahren - an den Tagen, die auch ursprünglich geplant waren."

Frage: "Das sind wie viele?"
Heidfeld: "Zwei."

Frage: "Du hast in den letzten Wochen angeblich härter trainiert als je zuvor. Hast du so ein Gefühl, dass das die Chance deines Lebens ist?"
Heidfeld: "Natürlich denke ich, dass es eine Riesenchance für mich ist. Ich habe in der Tat extrem hart trainiert, wobei ich das auch in den letzten Jahren schon getan habe. Ich habe jetzt wieder mit einem Fitnesstrainer zusammengearbeitet, mit dem ich schon während meiner Formel-3000-Zeit zusammen war. Nachdem ich bei Jordan weg war und dadurch keinen Trainer mehr hatte, habe ich mich mit ihm in Verbindung gesetzt."

Frage: "Vor allem aus England hört man, dass Williams angeblich Pizzonia favorisiert. Hast du das Gefühl, dass du dieselben Chancen auf das Cockpit hast wie er?"
Heidfeld: "Ich denke schon. Wenn der Pizzonia wirklich gesetzt wäre, wäre es ja sinnlos, mich testen zu lassen, denn es ist nicht gerade preiswert, einen Formel-1-Wagen zwei Tage über eine Strecke fahren zu lassen."

Zweiter Test ist "bestimmt kein schlechtes Zeichen"

Frage: "Wie hoch bezifferst du deine Chancen in Prozent, von BMW-Williams berücksichtigt zu werden?"
Heidfeld: "Das kann man in Prozenten nicht ausdrücken, aber ich hoffe, dass ich nächste Woche die Chance bekomme, unter besseren Bedingungen zu fahren. Dass ich überhaupt noch einmal testen darf, ist bestimmt kein schlechtes Zeichen."

Frage: "Angenommen, es klappt nicht mit dem Rennvertrag, hat der Testvertrag bei BMW-Williams für dich dann Vorrang vor einem Stammcockpit bei Jordan oder Red Bull Racing?"
Heidfeld: "Schwer zu sagen. Das ist mit Sicherheit eine denkbare Option, auch eine gute."

Frage: "Du ziehst das also ernsthaft in Betracht?"
Heidfeld: "Ja."

Frage: "Im Sommer hättest du schon einmal beinahe für BMW-Williams testen dürfen, was damals allerdings am Veto von Eddie Jordan gescheitert ist. Noch böse deswegen?"
Heidfeld: "Ich habe mich bis heute nicht dazu geäußert, warum das fehlgeschlagen ist, aber ich kann schon sagen, dass ich noch sauer bin. Es war extrem ärgerlich. Es war ganz knapp davor. Ich war schon auf dem Weg zum Team in England, um den Sitz machen zu lassen, aber dann hat sich das ganz kurzfristig noch zerschlagen."

Frage: "Hat dich Eddie Jordan angerufen? Wie ist das abgelaufen?"
Heidfeld: "Darauf will ich nicht näher eingehen, aber natürlich gab es einige Telefonate an dem Tag und auch am Tag vorher - nicht nur mit Eddie, sondern auch mit anderen Personen, weil alles so kurzfristig war. Ich stand mit dem Jordan-Team in Kontakt, mit meinem Manager, mit verschiedenen Leuten bei Williams."

"Riesenunterschied" zwischen BMW-Williams und Jordan

Frage: "Noch einmal zurück zum Test: Wie ist sich der FW26 im Vergleich zu deinem Jordan der vergangenen Saison gefahren?"
Heidfeld: "Das ist ein Riesenunterschied. Der Williams ist deutlich einfacher zu fahren und überall wesentlich schneller. Auch der Motor ist in allen Bereichen klar stärker. Beim Auto ist es schwierig, einen Punkt wirklich einzugrenzen. Man kann das nicht vergleichen. Die Unterschiede sind massiv."

Frage: "Hast du von den Reifen her - du bist ja Michelin gefahren, während Jordan ein Bridgestone-Team ist - einen Unterschied gespürt?"
Heidfeld: "Ich war selbst erstaunt, wie schnell ich mich daran gewöhnt habe - auch bei den Regenreifen. Durch das Wetter hatte ich mit den Regenreifen und mit den Intermediates viel Zeit und ich konnte mich ganz gut darauf einstellen. Mit den Trockenreifen war es auch okay, ich glaube aber, dass ich damit noch einige andere Dinge austesten hätte können, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte. Einen Riesenunterschied gab es aber vom Fahrverhalten oder von der Linie, die ich bisher gewählt habe, nicht."

Frage: "Man sagt, dass die Regenreifen von Michelin gegenüber Bridgestone Nachteile haben. Kannst du das bestätigen?"
Heidfeld: "Nein. Wenn man sich die Zeiten im Regen anschaut, waren wir eigentlich immer ganz vorne dabei."

Frage: "Was passiert jetzt in den nächsten Tagen bis zu deinem zweiten Test? Was geht dir durch den Kopf, wie bereitest du dich vor?"
Heidfeld: "Wenn ich wieder zuhause in der Schweiz bin, werde ich die meiste Zeit mit Training verbringen - wie die letzten Wochen auch. Das ist aber nicht nur so, weil der Test ansteht, sondern weil das im Winter einfach immer zum Programm gehört. Während der Saison sitzt man im Auto, man ist unterwegs, aber jetzt kann man den vorgegebenen Trainingsplan abspulen."