• 23.03.2011 14:28

Heidfeld: "Ein sehr komisches Gefühl"

Nick Heidfeld erklärt, wie er mit der Situation des Kubica-Unfalls umgegangen ist und was er sich bei Renault erhofft - DTM in Zukunft interessant

(Motorsport-Total.com/SID) - Entgegen der ursprünglichen Annahme vor wenigen Wochen ist Nick Heidfeld beim Saisonauftakt in Melbourne mit von der Partie. Nach dem schweren Rallye-Unfall von Robert Kubica bot sich im Renault-Team eine unverhoffte Comeback-Chance für den Deutschen.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld blickt der neuen Formel-1-Saison optimistisch entgegen

Im Interview spricht Heidfeld über das Schicksal des Polen, seine Chancen in diesem Jahr sowie seine Zukunftspläne.

Frage: "Nick, es ging alles ziemlich schnell für dich - aus der drohenden Arbeitslosigkeit innerhalb von ein paar Tagen in ein Auto, mit dem man in der Formel 1 sogar vorne mitfahren kann. Hattest du selbst damit noch gerechnet?"
Nick Heidfeld: "Das war natürlich unerwartet und kam sehr überraschend. Ich war in den letzten Jahren auch schon mal im Winter eine Zeitlang nicht sicher, wie es weitergeht. Aber so kurzfristig ist das noch nie passiert. Ich hatte auch nicht damit gerechnet. Man macht sich Hoffnungen, dass man noch irgendwo in ein vernünftiges Auto kommt. Natürlich wünscht man keinem das, was Robert passiert ist. Ich dachte zu dem Zeitpunkt eher, dass ich vielleicht in der Saison irgendwo reinrutschen kann. Aber von Anfang an dabei zu sein und das auch noch in einem guten Team, ist natürlich unglaublich."

"Es ein sehr komisches und beklemmendes Gefühl." Nick Heidfeld

Frage: "Du sagtest, du hättest eigentlich nicht auf solche Art an ein Auto kommen wollen. Sind solche Gedanken weg, sobald man die ersten Runden gefahren ist?"
Heidfeld: "Sobald ich im Auto sitze, sind die Gedanken sowieso weg. Aber das heißt nicht, dass sie dann nicht wiederkommen. Natürlich ist es so, dass es gerade am Anfang etwas war, was einen stark beschäftigt. Es war mir aber immer klar, dass, wenn ich diese Chance bekommen würde, ich sie natürlich auch wahrnehme. Dennoch war es ein sehr komisches und beklemmendes Gefühl, da man einfach weiß, wenn es ihm schlechter geht, stehen die Chancen für mich besser. Man wünscht niemanden, dass es ihm schlecht geht. Auf der anderen Seite ist der Wunsch, in der Formel 1 erfolgreich zu sein, natürlich auch riesengroß. Das war sehr, sehr komisch und schwierig zu verdauen."

Frage: "Was wäre denn deine Alternative gewesen, wenn dieses Angebot nicht noch gekommen wäre?"
Heidfeld: "Ich war zu dem Zeitpunkt in Gesprächen mit Mercedes, um dort wie im letzten Jahr Test- und Ersatzfahrer zu sein. Das wäre eine Alternative gewesen."

DTM als interessante Alternative

Frage: "Die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft vielleicht eine andere?"
Heidfeld: "Die DTM ist auf jeden Fall etwas, womit ich mich auch schon beschäftigt hatte. Aber immer mit dem ganz klaren Fokus auf die Formel 1. Ich betrachte die DTM gerade ab der nächsten Saison als extrem spannend - endlich wieder mit drei Herstellern. Als ich früher Formel 3 gefahren bin, war ich ja quasi schon bei der DTM dabei. Das war mal eine sehr tolle Serie. Sie war in den letzten Jahren immer noch sehr stark, aber ich glaube, sie kann nochmal einen richtigen Aufschwung erleben, wenn da der eine oder andere Hersteller dazukommt."

Frage: "Das heißt also: DTM irgendwann mit Nick Heidfeld, aber in diesem und möglichst auch den nächsten Jahren noch nicht?"
Heidfeld: "Priorität ist ganz klar die Formel 1, aber wenn in der DTM dann drei Hersteller dabei sind, verspüre ich auch deutlich mehr Lust, da mal dabei zu sein."

Frage: "Jetzt verspürst du Lust, in der Formel 1 wieder ganz weit vorne mitzufahren. Ist mit Renault vielleicht sogar das möglich, was du bislang in deiner Karriere noch nicht geschafft hast: ein Rennen zu gewinnen?"
Heidfeld: "Es ist unmöglich vorherzusagen. Wir hoffen es natürlich. Die Ziele von Renault sind klar. Sie wollen in Zukunft in der Lage sein, um Siege und auch um Titel zu kämpfen. Aber nach den Tests weiß keiner so genau, wo er steht. Natürlich hat man einen Eindruck, aber im Moment ist das wirklich unvorhersehbar."

Vorteil durch Pirelli?

Frage: "Du hast im letzten Jahr für den neuen Reifenhersteller Pirelli in deren Anfangsphase als Testfahrer gearbeitet. Hast du daher vielleicht einen kleinen Vorteil mit den neuen Reifen?"
Heidfeld: "Ich hoffe schon. Ich war in der Anfangsphase dabei, als wir die Konstruktionen entwickelt haben, hatte dann aber keinen Einfluss mehr, als es um die Gummimischungen ging. Aber die Reifenkonstruktionen haben mir zumindest gefallen. Ich habe aber schon mehrfach betont, dass ich natürlich nicht versucht habe, einen Reifen zu bauen, der nur mir passt und keinem anderen. Das ist zum einen unmöglich, und zum anderen bin ich vom Charakter her nicht so ein Arschloch, dass ich das probieren würde."

"Pirelli hat einen sehr guten Job gemacht." Nick Heidfeld

Frage: "Viele Kollegen stehen den neuen Reifen recht kritisch gegenüber, der Tatsache, dass sie schnell abbauen, keine verlässliche Haftung über längere Zeit aufbauen. Wie siehst du das?"
Heidfeld: "Ich denke, die Kritik ist schon gerechtfertigt, wenn man das mit den letzten Jahren vergleicht. Nur muss man immer bedenken, was mir vielleicht ein bisschen leichter fällt, weil ich von Anfang an dabei war, wie wenig Zeit Pirelli hatte. Als es offiziell war, dass sie ab diesem Jahr die Königsklasse ausrüsten, war bis zu den ersten Tests und jetzt den ersten Rennen nur ein gutes halbes Jahr Zeit. Ich denke, dafür hat Pirelli einen sehr guten Job gemacht. Die anderen Hersteller waren schon jahrelang dabei, und da ist es klar, dass sie in der Lage waren, ein anderes Produkt auf die Beine zu stellen."

Red Bull und Ferrari schwer zu knacken

Frage: "Das Interesse an der Formel 1 in Deutschland ist nochmal gestiegen - durch den WM-Titel für Sebastian Vettel und die Rückkehr von Michael Schumacher, der im zweiten Jahr seines Comebacks jetzt anscheinend auch ein schnelleres, vielleicht siegfähiges Auto hat. Ist das für alle deutschen Fahrer gut oder fühlt man sich vielleicht ein bisschen in den Hintergrund gedrängt?"
Heidfeld: "Nein, ich denke, das ist positiv. Wir lieben alle diesen Sport, und ich habe immer Freude, wenn es anderen Leuten auch Spaß macht und das Interesse groß ist. Das ist eher ein Vorteil."

Frage: "Werden in dieser Saison wieder die üblichen Verdächtigen vorne sein? Muss man versuchen, Red Bull einzufangen?"
Heidfeld: "Ich glaube schon. Wir probieren natürlich trotzdem zu schauen, wo wir stehen und wo die anderen Teams sind. Aber nach unseren Einschätzungen ist Red Bull die Spitze, wahrscheinlich gefolgt von Ferrari."

Frage: "Und wie sieht dein Tipp aus? Wer wird Weltmeister?"
Heidfeld: "Jetzt, bevor das erste Rennen gelaufen ist, würde ich wieder auf Sebastian setzen."

Frage:"Und schafft es Nick Heidfeld in diesem Jahr, endlich seinen ersten Grand-Prix-Sieg einzufahren?"
Heidfeld: "Wenn es das Auto hergibt, ja!"

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