• 23.06.2006 20:13

  • von Adrian Meier

Hauptquartier im weit entfernten Woking

Auch an den Rennwochenenden ist das 'McLaren Technology Centre' die Schaltzentrale von McLaren-Mercedes - Investition in die Fabrik rechnet sich

(Motorsport-Total.com) - Wenn McLaren-Mercedes an diesem Wochenende in Montréal am richtigen Setup tüftelt, nach der besten Strategie sucht und im schließlich im Rennen um Positionen und Punkte kämpft, dann stehen nicht nur die Teammitglieder vor Ort am 'Circuit Gilles Villeneuve' unter Strom, auch zuhause im britischen Woking, wo das britisch-deutsche Team in einer Traumfabrik residiert, verfolgen und unterstützen zahlreiche weitere Ingenieure alle Schritte des Rennteams.

Titel-Bild zur News: McLaren-Fabrik

Im 'McLaren Technology Centre' laufen alle Informationen zusammen

Das 'McLaren Technology Centre' ist dabei auch an den Rennwochenenden Dreh- und Angelpunkt des Teams, auch wenn die Fabrik - wie beispielsweise beim Grand Prix von Kanada an diesem Wochenende - bei vielen Rennen einige tausend Kilometer vom Geschehen an der Strecke entfernt ist. Doch schließlich ist "die Boxenmauer der schlechteste Platz, um ein Rennen zu kontrollieren", wie Jonathan Neale, Teammanager bei McLaren-Mercedes, gegenüber dem 'International Herald Tribune' erläuterte.#w1#

Informationen werden in der Fabrik ausgewertet

"Die Autos fahren für den Bruchteil einer Sekunde an einem vorbei, und während sie das tun, kann man weder irgendetwas hören noch etwas sagen. Das Sitzen am Kommandostand raubt einem quasi die Sinne", fuhr der Brite fort. Neale arbeitet seit 2001 für die "Silberpfeile", zuvor war er lange Jahre für 'BAE Systems' als Direktor in einem Militärjet-Programm tätig.

"Die Boxenmauer ist der schlechteste Platz, um ein Rennen zu kontrollieren." Jonathan Neale

"Wir gehen in jedes Rennwochenende mit einem Plan, aber dieser Plan wird korrigiert, wenn sich das Wochenende entfaltet und wir mehr darüber herausfinden, wer welche Technologien mit an die Strecke gebracht hat", erklärte Neal das Vorgehen an einem Grand Prix. Die Formel-1-Boliden stecken voller elektronischer Sensoren, deren Daten nicht nur von den Ingenieuren vor Ort ausgewertet, sondern zusätzlich direkt in die Fabrik in Woking übertragen werden.

Schlechte Erinnerungen an den Kanada-Grand-Prix

Dort speisen die Teammitglieder die empfangenen Daten von der Strecke in einen Supercomputer ein und gleichen sie mit allen anderen verfügbaren Informationen ab. Dann wiederum können sie den Ingenieuren an der Strecke genau erläutern, wie sich das Auto verhält, wie man im Vergleich zur Konkurrenz liegt und welche strategischen Optionen man zur Verfügung hat. Somit stellt das 'McLaren Technology Centre' auch bei den Grands Prix die Schaltzentrale des Teams dar.

Doch trotz modernster Ausrüstung können sich auch in das ausgefeilte Kommunikationssystem Fehler einschleichen, wie McLaren-Mercedes in der vergangenen Saison ausgerechnet in Kanada erfahren musste: Juan-Pablo Montoya lag gut im Rennen, doch gerade als die Ingenieure lebhaft über die beste Strategie für den Kolumbianer diskutierten, übersahen sie, dass das Safety-Car auf die Strecke fuhr. In der Folge kam Montoya zu einem ungünstigen Zeitpunkt an die Box, bei der Boxenausfahrt überfuhr der 30-Jährige zusätzlich versehentlich eine rote Ampel und wurde anschließend disqualifiziert.

Bau des 'McLaren Technology Centre' rechnet sich

Der Bau des 'McLaren Technology Centre', ein lang gehegter Traum von Ron Dennis, der seit 1980 als Teamchef des Traditionsrennstalls fungiert, rief von jeher auch viele Kritiker auf den Plan. Das gigantische Projekt verschlinge viele Ressourcen, die das Team eher in die Weiterentwicklung des Boliden hätte stecken sollen, wurde oftmals als Argument angeführt.

"Aus rein ökonomischer Sicht können wir nun mehr Dinge intern bewerkstelligen als zuvor." Jonathan Neale

Doch laut Neale zahlt sich die Investition in die Anlage, die insgesamt etwa eintausend Mitarbeitern Platz bietet, aus: "Aus rein ökonomischer Sicht können wir nun mehr Dinge intern bewerkstelligen als zuvor, als wir auf Zulieferer angewiesen waren", erklärte der Brite. Im Durchschnitt nehme das Team in der neuen Fabrik auf das ganze Jahr betrachtet in einer Arbeitswoche alle 20 Minuten eine technische Veränderung am Boliden vor, außerdem würden in jeder Woche rund 6.000 Teile hergestellt, enthüllte Neale. Darüber hinaus habe sich die Kommunikation innerhalb des Teams deutlich verbessert.

Erfolg in der Formel 1 ist für alle Unternehmsteile wichtig

Allerdings profitierte nicht nur das Formel-1-Team vom Umzug in die Traumfabrik, auch alle anderen Unternehmensteile - zu McLaren gehören neben dem Rennteam noch einige weitere Firmen -, die zuvor auf 18 verschiedene Standorte rund um Woking verteilt waren, konnten so unter einem Dach untergebracht werden.

Das Formel-1-Team nimmt innerhalb McLarens laut Neale jedoch eine Sonderstellung ein, schließlich bringe das Antreten in der Königsklasse des Motorsports eine andere Herangehensweise mit sich und sei in gewisser Weise wesentlich einfacher als in anderen Branchen: "Die Mission und das Prinzip, um das sich die Formel 1 dreht, ist wunderbar einfach: Es geht um Siege. Die Belegschaft hat also keine Probleme bezüglich Mission, Visionen oder Werten", zeigte er sich überzeugt.

"Die Mission und das Prinzip, um das sich die Formel 1 dreht, ist wunderbar einfach: Es geht um Siege." Jonathan Neale

Dennoch ist auch für alle anderen Unternehmensbereiche McLarens der Erfolg des Rennteams in der Formel 1 die Existenzgrundlage, wie McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh anfügte: "Das ist ein Schlüssel für unsere ganze Marke, für unser Geschäft. Um alles andere tun zu können, müssen wir in der Formel 1 erfolgreich sein", stellte der Brite abschließend klar.