• 14.05.2004 16:32

Harmonie der Technik

Damit ein Formel-1-Bolide auf jeder Strecke schnell ist, zerbrechen sich die Ingenieure über das optimale Setup den Kopf

(Motorsport-Total.com) - Auf 18 Rennstrecken in aller Welt startet die Formel 1 in der Saison 2004. Weil jede anders ist, müssen die Teams ihre Autos für jedes Rennen neu abstimmen. Ein optimales Setup, bei dem die Komponenten Aerodynamik, Fahrwerk und Reifen so gut wie möglich miteinander harmonieren, ist auch beim Großen Preis von Monaco eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher, Sam Michael, Patrick Head

Die Entwicklung des optimalen Setups gehört zu den wichtigsten Vorbereitungen

Die Gesetze der Fahrphysik und ihr Einfluss auf die Performance seiner Rennautos stellen zuweilen auch ein Formel-1-Urgestein wie Frank Williams vor ein Rätsel. "Es ist schwer zu verstehen", so der Teamchef von BMW WilliamsF1, "dass ein Auto, das für Melbourne perfekt abgestimmt ist, in Suzuka plötzlich stark untersteuert."#w1#

Ein optimales Setup ist immer ein Kompromiss - und sollte auf den Geraden so gut funktionieren wie in schnellen und langsamen Kurven. Ein schwieriges Unterfangen, das ohne gewisse Abstriche nicht zu erreichen ist. Die Kunst der Renningenieure ist es, ein gut aufeinander abgestimmtes Paket aus Aerodynamik, Fahrwerkseinstellungen und Charakteristik der Reifen zu schnüren. Doch selbst wenn dieser Spagat gelingt, kann ihnen am Renntag immer noch das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen.

Den größten Einfluss auf die Bodenhaftung des Rennwagens hat die Aerodynamik. Mit Hilfe der flexibel einstellbaren Front- und Heckflügel kann sie passend für jede Strecke reguliert werden. Das Prinzip ist einfach: Je steiler der Winkel eines Flügels gestellt wird, desto größer ist der Luftwiderstand und desto stärker wird das Auto bei hohem Tempo auf den Boden gedrückt. In Kurven ist eine steile Flügelstellung von Vorteil, auf schnellen Geraden ist sie eher hinderlich. Dort garantiert eine flache Flügelstellung mit entsprechend weniger Luftwiderstand einen höheren Top-Speed.

Das ist allerdings nur ein Auszug aus dem Kleinen Einmaleins der Aerodynamik. "Die Fahrer und Techniker müssen vor jedem Rennen versuchen, das Ei des Kolumbus zu finden", sagt Formel-1-Experte Christian Danner. Einerseits müssen sie das Auto so abstimmen, dass es nicht auf jeder Bodenwelle aufsetzt, der Schwerpunkt aber trotzdem so weit unten wie möglich liegt. Gleichzeitig müssen sie mit der Mechanik die Aerodynamik stabilisieren.

Ist das Auto zu weich gefedert, ist das schlecht für die Aerodynamik, weil sich der Abstand zum Boden ständig verändert und damit auch das Luftvolumen unter dem Auto, was sich wiederum auf den Abtrieb auswirkt. Als dritte Komponente für eine gute Performance kommen die Reifen ins Spiel. Ein Auto mit viel Grip durch aerodynamischen Abtrieb und gute Balance kann tendenziell mit weicheren Reifen fahren, weil es weniger rutscht.

Einen härteren Gummi brauchen Autos, die durch wenig aerodynamischen Grip oder schlechte Balance viel rutschen. Die alte Faustregel gilt so oder so: Harte Reifen bauen zwar weniger Grip auf, halten dafür aber länger als weiche, die quasi auf der Fahrbahn kleben, dafür aber auch nicht so viele Runden überstehen. Tendenziell wählen die Teams die weichste Reifenmischung, die zum Fahrverhalten ihres Auto passt.

Weiche oder harte Abstimmung - dieser Zielkonflikt betrifft auch jedes Serienfahrzeug. Harte Dämpfer bedeuten ein gutes Handling, der Wagen liegt "wie ein Brett auf der Straße". Weich abgestimmte Dämpfer versprechen Komfort, das Fahrzeug kommt aber leichter ins Schwanken. Neuerdings helfen hier elektronische Regelungen, das richtige Setup zu finden. "Mit elektronischen Dämpfungssystemen kann die Dämpferkraft an die aktuellen Straßen-, Beladungs- und Fahrverhältnisse angepasst werden", sagt Dr. Christoph Lauterwasser vom 'Allianz' Zentrum für Technik. "Diese Regelung bietet damit Vorteile für die Stabilität des Fahrzeugs und die Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn - und ermöglicht dadurch eine optimale Performance."

In der Formel 1 fangen die Teams mit der Abstimmung ihrer Autos nicht bei Null an. Durch Tests und Computersimulationen verfügen sie bereits über jede Menge Daten, die in das Setup einfließen, außerdem können sie natürlich auf die Erfahrungen des Vorjahres zurückgreifen. Die Arbeit für das Setup beginnt nicht erst an der Rennstrecke. "Je mehr man schon vorher erledigen kann, umso besser", sagt Frank Dernie, Special Projects Engineer bei WilliamsF1. "Durch die neue Motorenregel fahren wir im freien Training nicht mehr so viel wie früher. Deshalb ist es wichtig, vorher viel zu testen und zu rechnen und schon möglichst viele Teile des Puzzles zusammenzufügen."

Wenn es um die optimale Abstimmung geht, ist in der High-Tech-Branche Formel 1 trotzdem noch vieles Handarbeit, Teamwork und manchmal auch ein wenig Intuition. "Die Computersimulationen werden zwar immer besser und liefern uns viele wichtige Erkenntnisse, aber ganz darauf verlassen wollen wir uns noch nicht", sagt Sam Michael, als Senior Operations Engineer zuständig für die Rennstrategie unter WilliamsF1-Technikchef Patrick Head. "Es ist auf jeden Fall ein gutes Gefühl, mit möglichst vielen Daten und Erkenntnissen an die Strecke zu kommen. Je besser wir vorbereitet sind, umso mehr Zeit bleibt uns für Detailverbesserungen. In der Regel haben wir schon sehr genaue Vorstellungen davon, in welche Richtung wir arbeiten müssen." Der Rest ist filigrane Tüftelei und, wie so vieles in der Formel 1, streng geheim.