• 25.09.2008 13:28

Hamilton: "Fangen immer bei Null an"

McLaren-Mercedes-Pilot Lewis Hamilton über die Aussichten für Singapur, die Verhandlung in Paris und die Gegner im Titelkampf

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat das FIA-Berufungsurteil abgehakt und stellt sich nun auf das Rennen in Singapur ein. Wie viele seiner Kollegen auch, beschreibt er den Event in der asiatischen Metropole als eine Art Reise ins Ungewisse. Obwohl er zuletzt bei regnerischen Verhältnissen immer starke Leistungen gezeigt hatte, hofft der Brite auf ein Rennen unter trockenen Bedingungen. In Singapur erklärte vor der versammelten Presse seine Herangehensweise beim ersten Nacht-Grand-Prix der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton will in Singapur nicht auf Abwarten fahren: Angriff auf den Sieg

Frage: "Lewis, gehst du dieses Wochenende mit einem anderen Gefühl an?"
Lewis Hamilton: "Ja, es fühlt sich schon etwas anders an. Es ist der erste Singapur-Grand-Prix und das fühlt sich großartig an. Die Stadt ist fantastisch, ganz besonders bei Nacht. Die Strecke ist auch ganz besonders. Aber wir befinden uns in einer ganz anderen Zeitzone, dadurch wird es etwas hart. Ich hatte gerade mein Frühstück und habe mich vergewissert, dass wir wirklich heute Abend um neun Uhr unser Training haben. Wir bleiben bis drei oder vier Uhr morgens wach. Wir machen keine großen Partys, sondern schauen uns Filme an oder spielen am Computer."#w1#

Simulation ist das eine, Realität das andere

Frage: "Wie viel weißt du schon über die Strecke? Was erwartest du?"
Hamilton: "Das Team hat eingehende Analysen betrieben, umso vorab so viel wie möglich herauszufinden. Ich habe das gleiche getan. Ich habe mir das durchgelesen, was mir das Team als Information gegeben hat. Außerdem bin ich den Kurs einmal abgelaufen, heute Abend werde ich das noch einmal tun. Da bekommt man einige Einblicke."

"Wenn man dann aber herausfährt, wird das alles noch einmal völlig anders sein. Das Rennen wird bestimmt sehr aufregend, potenziell noch viel aufregender als alle bisherigen Rennen der Saison. Allein durch die Tatsache, dass es ein Nachtrennen ist und wir nicht ganz genau wissen, was dann zu erwarten ist."

Frage: "Ähnelt der Kurs eher dem in Valencia, oder kommt er vielmehr Monaco nahe?"
Hamilton: "Ich würde sagen, es ist ein Gemisch der beiden. Es sieht ähnlich aus in Valencia, wo du die Steinmauern hast, statt der Leitplanken wie in Monaco. Es wirkt aber alles schmaler, außerdem geht es nicht durch einen Hafen, sondern wirklich durch innerstädtische Straßen. Es ist schon etwas anders. Außerdem sind hier engere Kurven. Es gibt zwar schnelle Passagen, aber eben auch diese engen Ecken."


Fotos: Großer Preis von Singapur, Pre-Events


Frage: "Nach dem Urteil des FIA-Berufungsgerichts hast du immer noch nur einen Punkt Vorsprung auf Felipe Massa. Was wird im Titelkampf entscheiden?"
Hamilton: "Wir kommen nun nicht anders hierher als in Monza. Das ist okay so. Wir wollen einfach versuchen, an diesem Wochenende einen guten Job abzuliefern. Alle stehen dem Unbekannten gegenüber. Wir kommen mit einem konkurrenzfähigen Paket hierher und wir müssen so viele Punkte wie möglich holen. Das ist der Schlüssel, in jedem Rennen Punkte zu holen. Wir müssen sicherstellen, dass wir konstant dabei sind. Hoffentlich können wir am Wochenende mit um den Sieg fahren."

Langweiliger Zwischenstopp in Paris

Frage: "Du bist bei der Berufungsverhandlung selbst aufgetreten. Inwieweit hat sich das auf deine Vorbereitung ausgewirkt?"
Hamilton: "Es hat meine Woche nicht zerschnitten. Ich bin direkt von dort ins Flugzeug und hierher geflogen. Es war eher wie ein etwas längerer Zwischenstopp - genauso langweilig!"

Frage: "Wie sahen eure Simulationen aus, speziell die Simulation der nächtlichen Verhältnisse?"
Hamilton: "Ich bin im Simulator gefahren und er ist so präzise wie eben möglich. Es vermittelt einem schon einen Eindruck von der Strecke, aber wenn du wirklich unterwegs bist, dann ist das noch einmal eine komplett neue Erfahrung."

"Hoffentlich können wir am Wochenende mit um den Sieg fahren." Lewis Hamilton

Frage: "Auch nach dem Urteil von Paris scheint ihr sehr zuversichtlich zu sein. Wo hat McLaren in den verbleibenden Rennen einen Vorteil gegenüber den nächsten Verfolgern?"
Hamilton: "Wir sind nach Paris gegangen und haben dort nicht ein solch gutes Resultat erzielt wie wir es eigentlich wollten. Aber das ist nun Vergangenheit. Wir gehen nun an die verbleibenden Rennen und das tun wir mit der gleichen Zuversicht wie in den Rennen zuvor. Wir haben ein großartiges Paket und sind sehr gut vorbereitet. Ich vertraue unseren Mechanikern, die immer einen guten Job machen und unsere Zuverlässigkeit ist toll."

"Alles weitere hängt dann von meinem Feedback ab. Ich muss im Verlauf des Wochenendes die richtigen Schritte machen, um das Auto voran zu bringen. Ich bin diesbezüglich zuversichtlich. Aber man sollte nicht rennen, bevor man laufen gelernt hat. Wir müssen uns die nötige Zeit nehmen und uns nicht selbst überholen. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch andere um den Sieg kämpfen werden. Wir sollten einfach möglichst viele Punkte mitnehmen."

Kaum Überholchancen in Singapur?

Frage: "Hast du zusätzliche Zuversicht aus deinen aggressiven Rennen in Spa und Monza geschöpft? Gibt dir das einen Schub?"
Hamilton: "Ja, denn das ist ein großartiges Gefühl. Auch wenn man nicht gewonnen hat, aber man sicher ist, dass man mit vollem Herzen angegriffen hat und alles richtig gelaufen ist. Auch nach meinem kleinen Dreher in Spa, oder nachdem ich in Monza von hinten starten musste, habe ich mir zu Anfang Zeit genommen und die Leute dann nach und nach überholt. Es ist schon toll, wenn man dann an Leuten vorbeizieht, die man jahrelang in ihrer Karriere beobachtet hat. Eine tolle Erfahrung und es erfüllt mich Zufriedenheit und der Gewissheit, dass ich meinen Job richtig gemacht habe."

"Simulationen können dir einen Eindruck vermitteln, der aber bereits an der ersten Kurve endet." Lewis Hamilton

Frage: "Die Strecke hier ist sehr schmal. Wird es hier möglich sein, zu überholen?"
Hamilton: "Der Schlüssel ist zunächst einmal, diese Strecke kennen zu lernen. Das Erlernen einer neuen Strecke ist hart und Simulationen können dir einen Eindruck vermitteln, der aber bereits an der ersten Kurve endet. Du musst dann eigentlich alles noch einmal lernen unter dem Eindruck des echten Speeds. Überholen wird hier sehr knifflig sein, wie bei allen Straßenkursen. Wir haben hier einige längere Geraden, also kann man sich vielleicht anhängen und in die erste Kurve hinein vorbeiziehen. Aber es wird bestimmt weniger Überholmöglichkeiten geben als auf den normalen Rundstrecken."

Frage: "Wie sieht eure Wettervorhersage aus und was erwartet ihr, falls es bei nächtlicher Beleuchtung einen Monsun gibt?"
Hamilton: "Naja, die Wettervorhersage weist Regen das ganze Wochenende aus. Aber immer wenn ich hier aufstehe ist es warm und trocken. Also es kann sein, dass es früh morgens regnet und sich dann ein sonniger Tag entwickelt. Drückt die Daumen, damit es so bleibt."

Frage: "Wenn man sich die Rennen in Spa und Monza rückblickend anschaut, hast du dann den Eindruck, dass ihr gegenüber Ferrari im Vorteil seid - vor allem bei der Reifennutzung?
Hamilton: "Ich glaube nicht, dass wir einen Vorsprung auf Ferrari haben. Ich glaube, wir sind höchstens auf einem Level mit denen. Wenn man sich die Reifen anschaut, dann ist es so, dass sie die reifen etwas anders nutzen als wir. Sie haben vielleicht etwas Probleme mit der Reifentemperatur, aber dafür gehen sie auf Longruns besser mit ihnen um.

Kein Abwarten, sondern Angriff auf den Rennsieg

Frage: "Du hast deine Fähigkeiten im Regen schon bewiesen. Betest du für einen Monsun?"
Hamilton: "Nicht wirklich. Wir hoffen immer auf ein trockenes Rennen, denn dann kann man besser ans Limit gehen und nicht so schnell abfliegen. Nässe ist immer Schritt ins Ungewisse. Wenn du von der Pole startest und die erste Kurve als Erster nimmst, dann bist du auch der erste Pilot, der auf die großen Pfützen trifft. All diese Dinge sind ungewiss. Wenn unser Auto im Trockenen langsamer wäre, dann würde ich vielleicht auf Regen hoffen. Aber das ist ja nicht der Fall, denn wir haben ein Auto, welches unter allen Bedingungen konkurrenzfähig ist. Mir ist es also egal, was das Wetter macht. Ich bin in jedem Fall zuversichtlich."

"Wenn unser Auto im Trockenen langsamer wäre, dann würde ich vielleicht auf Regen hoffen." Lewis Hamilton

Frage: "Wie gehst du den Rest der Saison an? Kommt jetzt eine Vier-Rennen-Meisterschaft?"
Hamilton: "Ich denke schon. Wir fangen bei jedem Rennen bei Null an. Ich kann mich ja nicht hinstellen und behaupten, ich hätte einen riesigen und komfortablen Vorsprung. Das ist ja nun einmal nicht der Fall, es ist nur ein einziger Punkt. Ich werde damit umgehen wie in den 14 Rennen zuvor auch. Ich werde am Wochenende angreifen und möglichst viele Punkte holen wollen."

Frage: "Ist es jetzt nur noch ein Zweikampf zwischen dir und Felipe Massa?"
Hamilton: "Ich denke immer noch, dass auch Kimi und sogar Heikki und Heidfeld immer noch mit dabei sind. Es gibt noch 40 Punkte zu holen, man kann sich also niemals sicher fühlen."

Frage: "Bei all der Ungewissheit in Singapur: Ist es vielleicht besser, auf sichere Punkte zu fahren?"
Hamilton: "Nein, für mich nicht. Ich gehe niemals mit dem Gedanken an ein Wochenende: 'Ich muss jetzt Vierter werden'. Ich plane den Sieg. Punkte zu holen ist wichtig, aber ich will nichts überstürzen. Ich hoffe zunächst einmal, dass ich mit um die Pole-Position kämpfen kann und dann geht es weiter."