• 09.07.2008 17:28

  • von Roman Wittemeier

Halbzeit-Bilanz von Renault: Vergebene Chancen

Renault-Teammanager Steve Nielsen und Chef-Renningenieur Alan Permane ziehen zur Saisonhalbzeit Bilanz und formulieren die weiteren Ziele

(Motorsport-Total.com) - Das zurückliegende Regenrennen in Silverstone war typisch für die erste Saisonhälfte des Renault-Teams. Zwar holte Fernando Alonso drei weitere Zähler, aber dennoch wäre bei besserer Strategie und höherer Konzentration von Teamkollege Nelson Piquet Jr. deutlich mehr drin gewesen. Es war ein Rennen der vergebenen Chancen - wie so oft in den ersten neun Läufen der Saison 2008. Entsprechend durchwachsen fällt die Halbzeit-Bilanz von Teammanager Steve Nielsen und Chef-Renningenieur Alan Permane aus.

Titel-Bild zur News: Steve Nielsen und Alan Permane

Steve Nielsen und Alan Permane ziehen eine durchwachsene Halbzeit-Bilanz

Das Rennwochenende in Silverstone hatte mit den Startplätzen sechs und sieben eigentlich gut begonnen. Alles lief nach Plan, so Nielsen im offiziellen Team-Podcast: "Das war in etwa das, was wir erwartet hatten und es entsprach unserem Speed. Viel mehr konnten wir nicht erwarten. Wir hatten eine ganz ordentliche Spritladung an Bord und blickten dem Rennen optimistisch entgegen." Zunächst lief es auch alles wie gewünscht, doch als sich die Bedingungen immer wieder änderten, machte das Team einen entscheidenden Fehler: Man zog keine neuen Intermediates auf.#w1#

"Es ging als wirkliches Regenrennen los, aber es wurde nach und nach etwas trockener. Die Reifen haben am Anfang ganz gut funktioniert, aber dann bekamen wir leichtes Graining. Als es wieder besser wurde, dachten wir uns, dass wir die Reifen beim Stopp lieber drauflassen sollten, weil es nicht unbedingt nach neuen Schauern aussah. Wir schauten auf die Wettervorhersage und die Wahrscheinlichkeit für Regen lag bei 50:50. Wir entschieden uns dann fürs Zocken. Als dann doch wieder Regen kam, war das Rennen zwar nicht für uns vorbei, aber wir haben schon gelitten. Wir entschieden uns dann, Fernando noch einmal hereinzuholen, ihm neue Reifen zu geben und ihn bis zum Ende voll zu tanken. Mit der schweren Benzinlast und den Reifen war es ein sehr schwieriges Rennen", fasste Permane die vertrackte Situation zusammen.

Reifenwahl war die Entscheidung in Silverstone

Renault unterlief somit der gleiche Fehler, wie ihn unter anderem auch Ferrari machte. "Wenn es nicht noch einmal geregnet hätte, wären wir die Helden gewesen. Wir haben bereits in früheren Rennen gesehen, dass so etwas gut funktionieren kann", erklärte Permane, der später mit ansehen musste, wie von weit hinten Honda-Pilot Rubens Barrichello in unwiderstehlicher Manier auch an Alonso vorbeizog. "Natürlich haben wir auch den Regenreifen in Betracht gezogen. Aber der Reifen hatte sich in der Vergangenheit nie bei Longruns besonders bewährt. Der ist eher fürs Qualifying geeignet, oder wenn es eben extrem nass ist. Aber so extrem nass war es zu dem Zeitpunkt gar nicht."

Fernando Alonso und Nick Heidfeld

Fernando Alonso wurde im Rennen von Nick Heidfeld überrumpelt Zoom

"Wir hatten nicht erwartet, dass dieser Reifen halten würde, aber bei Rubens hat er exzellent funktioniert. Aber bei denen war die Situation so, dass sie nichts zu verlieren hatten. Ohne das Risiko hätten sie nichts geholt. Aber nun hat es sich nun einmal ausgezahlt. Man muss bedenken, dass Jenson deutlich schneller war als Rubens. Wenn der sich nicht herausgedreht hätte, wäre Jenson sicher Zweiter geworden. Das war sicher eine Lotterie, aber sie haben das mit dem Wechsel auf die Regenreifen richtig gut gemacht", gab der Ingenieur zu und ärgerte sich insgeheim vielleicht, dass man nicht ebenso auf Regenreifen gewechselt hatte.

Während Barrichello und der spätere Sieger Lewis Hamilton wie auf Schienen zu fahren schienen, bekam Piquet Jr. immer mehr Probleme und verabschiedete sich schließlich ins Aus. "Nelson hatte ein gutes Wochenende und auch bereits zuvor einen guten Test. Er qualifizierte sich gut, nur ganz knapp hinter Fernando. Alles lief gut, aber dann drehte er sich eben raus. Es sind viele Leute rausgeflogen, leider war er einer davon. Fernando hat es in den Punkten nach Hause gefahren und Nelson hätte sicherlich auch Zähler holen können", nahm Nielsen seinen jungen Schützling erneut in Schutz.

Einig waren sich die beiden Renault-Verantwortlichen in einem Punkt: Das Rennen wurde durch Strategiespiele und vor allem Reifentaktik entschieden. Doch Nielsen spielte den Entscheidungsdruck herunter: "Es war nicht besonders stressig. Wir haben schon andere solcher Situationen erlebt. Du triffst deine Entscheidungen immer auf der Grundlage der Informationen, die du zu einem gewissen Zeitpunkt hast. Manchmal weiß man schon Sekunden später, dass man die falsche Entscheidung getroffen hat. Aber man tut nichts, von dem man nicht überzeugt ist, dass es das Richtige ist."

Hohe Ziele für die zweite Saisonhälfte

Nelson Piquet Junior

Nelson Piquet Jr. verabschiedete sich in Silverstone ins Aus Zoom

Silverstone-Fazit Nielsen: "Es ist schön, dass wir einige Punkte holen konnten. Aber wir haben auch eine Chance verpasst. Das ist in dieser Saison schon so oft passiert: Monaco, Montréal, beim Motorschaden von Fernando in Barcelona. Uns sind in dieser Saison schon einige Punkte durch die Finger geglitten. Und nun schon wieder." Entsprechend das Fazit von Permane: "Wir haben alle das Gefühl, dass wir einige Möglichkeiten vertan haben. Manche haben wir durch Fahrfehler weggeschmissen, mache durch Fehler des Teams ausgelassen. Wenn wir noch einmal von vorne beginnen könnten, dann bin ich sicher, dass sowohl Fahrer als auch Team einige Dinge anders machen würden. Wir nehmen uns vor, dass wir in der zweiten Hälfte einiges besser machen."

In der zweiten Saisonhälfte soll einfach mehr Konstanz an den Tag gelegt werden. "Unser Ziel muss es sein, in diesem Jahr auf Rang vier abzuschließen. Wir sind nur zehn Punkte davon entfernt. Wenn wir unsere Möglichkeiten nutzen und normal punkten, dann sollten wir Vierter werden können", versprach Nielsen, der sich durch ein neues Aerodynamik-Paket schon in Hockenheim einen Sprung von etwa zweieinhalb Zehntelsekunden nach vorne ausrechnet.

In den Titelkampf dürfte Renault-Speerspitze Alonso mit nunmehr 35 Punkten Rückstand wohl kaum noch eingreifen, dennoch bietet der Kampf um die diesjährige Krone auch für Chef-Renningenieur Permane eine ganz besondere Spannung: "In diesem Jahr ist es schon anders. Die drei Leute dort an der Spitze machen alle einige Fehler. Es ist nicht so, wie bei Fernando früher oder bei Michael, dass einer einfach fehlerlos vorneweg marschiert. Diese Regenrennen und das Auf und Ab haben den Kampf an der Spitze so eng werden lassen."