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  • 24.04.2002 20:19

  • von Reinhart Linke/Fabian Hust

Gustav Brunner im Exklusiv-Interview

Im Interview mit F1Total.com spricht Toyotas Chefdesigner über den TF102, die bisherige Saison und die nächsten Ziele der Japaner

(Motorsport-Total.com) - Mit seinem Wechsel Mitten in der Saison 2001 vom Minardi- zum Formel-1-Team von Toyota hat Gustav Brunner viele kritische Töne einstecken müssen, hatte er doch all die Jahre dem finanziell stark benachteiligten Minardi-Team mit der Konstruktion solider Autos durch schwere Zeiten geholfen, dann aber die Italiener vor Ablauf der Formel-1-Saison verlassen, als bei Toyota nicht nur das große Geld, sondern auch eine große Chance lockte. Nach Aussage des 50-jährigen Österreicher haben weder er noch Toyota einen Vertrag gebrochen, als er zu Toyota wechselte, um dort die Rolle des Chefdesigners zu übernehmen: "Es ist vielleicht mehr eine moralische Verpflichtung, die ich bei Minardi hatte, da ich dort sehr involviert war als eine rechtliche Pflicht, die mich zum Bleiben verpflichtet hätte."

Titel-Bild zur News: Gustav Brunner

Gustav Brunner kann mit seiner Arbeit - wieder einmal - zufrieden sein

Seit Februar 1998 hatte Gustav Brunner als Technischer Direktor bei Minardi gearbeitet, dem kleinsten Team in der Formel 1. Dort leistete der Österreicher angesichts des geringen Budgets eine hervorragende Arbeit. Bei jedem Rennen liefen zahlreiche Konstrukteure und Designer nach hinten zur Minardi-Box, um zu sehen, was dem Grazer wieder Neues eingefallen ist. Im vergangenen Jahr schickte er den PS01 ins Rennen, ein Auto, das kaum im Windkanal stand und vor dem Saisonstart nur 90 Testkilometer abgespult hatte. Trotz eines wesentlich geringeren Budgets und eines Motors Baujahr 1998 konnte der Bolide im Rennen zu Saisonbeginn oftmals beide Benetton-Renault hinter sich lassen.

Seit rund 24 Jahren arbeitet Brunner nun schon in der Formel 1. Der zweifache Familienvater gilt dabei nicht als auf ein Gebiet hochtalentierter Designer wie zum Beispiel Adrian Newey. Vielmehr ist er ein unglaubliches Allroundtalent, das sich sowohl mit der Aerodynamik als auch mit der Mechanik der Autos bestens auskennt. 1978 begann er seine Karriere bei ATS, bevor er zwei Jahre später von Arrows verpflichtet wurde. Als das Team 1981 seinen Hauptsponsor verlor, kehrte Brunner zu ATS zurück. 1984 wechselte Brunner zu Alfa Romeo, wo er als Renningenieur von Ricardo Patrese arbeitete.

Nach einer kurzen Zeit bei March wurde er Ende 1985 von Ferrari engagiert, um ein Indy-Car zu bauen. Allerdings schmissen die Italiener das US-Projekt und Brunner wurde von der Formel-1-Abteilung übernommen, wo er den 87er-Ferrari baute.

Nach seiner Zeit bei Ferrari arbeitete Brunner noch bei Rial (1988), Zakspeed (1989) und Leyton House (1989-91). Im September 1992 wurde er Technischer Direktor bei Minardi, bevor er dem Team ein Jahr später den Rücken zukehrte und wieder zu Ferrari ging. Dort blieb er bis 1997 in der technischen Mannschaft. Seit Februar 1998 arbeitete Brunner wieder bei Minardi, im Mai 2001 wechselte er nun zu Toyota.

Bei den Japanern zeichnete er sich für die Konstruktion des TF102 im Formel-1-Werk von Köln verantwortlich. Der Rennwagen ging aus dem Prototyp hervor, mit dem man fast das ganze letzte Jahr meist hinter verschlossenen Türen getestet hatte. Der Auftritt von Toyota in den ersten drei Formel-1-Rennen ist die Überraschung der Saison. Kaum jemand hätte wohl damit gerechnet, dass man gleich zwei WM-Punkte einfahren würde und obendrein die Autos regelmäßig ins Ziel brachte. Erst das vierte Formel-1-Rennen, der Große Preis von San Marino, brachte Teammitglieder wie Fans zurück auf den Boden der Tatsachen. Die Probleme im Regen und der Doppelausfall haben gezeigt, dass man noch ein Formel-1-Neuling ist.

Ohne einen so erfahrenen Techniker wie Gustav Brunner wäre das Debüt von Toyota in der Formel 1 kaum so erfolgreich verlaufen. Im Exklusiv-Interview mit F1Total.com spricht der Österreicher über sein Auto, den erfolgreichen Saisonstart, die Fahrer Mika Salo und Allan McNish und die weiteren Pläne der Japaner.

"Saisonziel schon übertroffen"

Frage: "Hat Toyota dank der zwei WM-Punkte das Soll im ersten Saisonviertel übertroffen?"
Gustav Brunner: "Wir haben diese zwei Punkte natürlich mit viel Glück geholt. Das heißt, unser ursprüngliches Saisonziel als solches ist erreicht, sogar übertroffen. Aber natürlich zählt dies in der Formel 1 nicht und es wäre auch gegen unseren Willen, wenn wir uns damit zufrieden geben würden. Aber wir haben uns neue Ziele gesetzt und die Ambitionen sind groß. Wir sind dran, weitere Punkte zu holen. Aber dazu müssen wir schwer arbeiten."

Frage: "Was können wir von Toyota im Verlauf der restlichen Saison noch erwarten? Sind eventuell Punkte aus eigener Kraft möglich?"
Brunner: "Das wäre schön und das ist unser Ziel. Das wird natürlich aus eigener Kraft und mit der Performance allein sehr, sehr schwierig werden, weil es weiter vorne einige sehr gute Teams gibt. Wir haben inzwischen vier große Teams, Renault gehört auch dazu. Das fünfte Team ? Sauber - ist auch sehr gut. Das heißt, wir haben da schon zehn Leute, die eher in die Punkteränge fahren können als wir. Es ist also fast unmöglich für uns, wenn die anderen keinerlei Probleme haben, Punkte zu holen, da ich nicht glaube, dass wir im Laufe dieses Jahres diesen Stand erreichen können."

Frage: "Letztlich sind Punkte also nur mit Glück möglich?"
Brunner: "Es ist nicht aller Tage Abend. Und vielleicht können wir an den Sauber anschließen, der ein sehr guter Teilnehmer ist, und an Renault. Die ganz großen Drei sind zu weit weg."

"In Sachen Aerodynamik fehlt uns noch etwas"

Frage: "Gibt es Strecken, die dem Auto auf Grund seiner Eigenschaften besonders gut liegen sollten?"
Brunner: "Das kann man nicht sagen, weil sich die Spezifikationen in einer Entwicklungsphase befinden, die sich laufend ändert. Jetzt am Saisonanfang ist der Motor besonders wichtig, so dass wir da ein wenig besser sind, weil die Motorentwicklung weiter fortgeschritten ist als die Autoentwicklung. Es ist nichts Neues, dass uns bei der Aerodynamik noch etwas fehlt. Aber da sind wir dran. Wenn man sich die nächsten Rennen anschaut, ist Barcelona nicht die beste Strecke, weil man dort eine gute Aerodynamik benötigt. Österreich wird etwas besser, weil es dort mehr auf dass Bremsen und Beschleunigen ankommt, was dem Auto ? so wie es im Moment ist ? besser liegt."

"Nächstes Jahr kommt ein großer Schritt"

Frage: "Der TF102 gilt als modern aber konventionell, wann dürfen sie ihren Ideen freien Lauf lassen und ein technisch aufwändigeres Auto bauen ? schon bei der Konstruktion des TF103?"
Brunner: "Ja, wir machen da sicherlich etwas mehr, aber es wird natürlich auch im Rahmen bleiben. Das erste Formel-1-Auto wurde schlicht mit der Zielsetzung gebaut, etwas Solides, Konventionelles zu bauen, ohne viele Raffinessen. Raffinessen werden wir klarer Weise schon im Laufe der Saison einfließen lassen, weil das Entwicklungsprogramm als solches auf jeden Fall schon in vollem Gange ist. Nächstes Jahr wird es dann einen größeren Schritt geben."

"Ferrari ist ein tolles Team"

Frage: "Sie haben sich in Brasilien den Ferrari F2002 auf der Startaufstellung zusammen mit einigen Kollegen genauer angesehen. Wie beurteilen sie die Arbeit ihres Kollegen Rory Byrne?"
Brunner: "Die haben natürlich wieder ein tolles Auto gebaut, das kam nicht unerwartet. Die waren ja schon in den letzten Jahren sehr toll. Herzlichen Glückwunsch kann ich da nur sagen, die sind eben ein tolles Team."

Frage: "Wie weit ist Toyota inzwischen beim Ausbau der Fabrik in Köln vorangeschritten?"
Brunner: "Das ist noch immer ein bisschen eine Baustelle, aber im Großen und Ganzen steht alles. In einigen Bereichen haben wir noch Erweiterungen, die Kohlefaserabteilung wird noch ein wenig größer, an die Hydraulikabteilung wird angebaut, aber im Großen und Ganzen steht die Fabrik als solches, auch das Team. Natürlich steht die Formel 1 aber nicht still. Die Teambildung und um die richtigen Leute am richtigen Platz zu haben, diese Evolution ist natürlich noch im Gange."

"Die Zusammenarbeit der Fahrer mit den Ingenieuren ist sehr, sehr gut"

Frage: "Mika Salo sagte im Winter, dass Allan McNish vor allem noch Schwierigkeiten hat, schnell und zielsicher ein Auto abzustimmen, Aussagen zu treffen und Entscheidungen zu fällen ? hat sich das gebessert?"
Brunner: "Ich weiß nicht, was die Jungs da so sagen. Beide unserer Fahrer sind diesbezüglich sehr fit und die Zusammenarbeit zwischen den Renningenieuren, das heißt, zwischen dem Team und den Fahrern, ist sehr, sehr gut. Die Fahrer sind nicht nur gute Künstler oder Sportler, sondern auch gute Teammitglieder mit guten Führungseigenschaften. Zumindest am Renntag sind sie die wichtigsten Teammitglieder."

Frage: "Also sind sie letztlich auch mit dem Einstand von Allan McNish zufrieden?"
Brunner: "Wir sind mit beiden sehr, sehr zufrieden. Sie liefern einwandfreie Arbeit, da dürfen wir uns nicht beklagen."

"Der Motor gehört zu den besseren in der Formel 1"

Frage: "Der Motor von Toyota gilt in der Szene als echtes Prunkstück. Sind sie mit ihm sehr zufrieden?"
Brunner: "Der Motor befindet sich in einem höheren Entwicklungsstand als das Auto. Wir sind zufrieden. Was die Performance betrifft weiß ich jetzt nicht, wie viel Leistung er hat, aber sicherlich gehört er zu den besseren in der Formel 1."

Frage: "Die Zuverlässigkeit war für einen Neuling in den ersten Rennen beeindruckend. War die Standfestigkeit bei der Entwicklung das oberste Ziel?"
Brunner: "Ja. Die Standfestigkeit ist im ersten Jahr das oberste Ziel und die Performance ist eher das zweite Ziel."

"Ein Doppelausfall ist nichts Erfreuliches"

Frage: "Gibt es für Barcelona Neuerungen?"
Brunner: "Ja, ein paar Kleinigkeiten werden wir wieder am Auto haben. Wir hoffen vor allem, dass wir die Probleme, die wir in Imola hatten, alle gelöst haben. Das hat uns wehgetan, weil wir unsere Tradition fortsetzen wollten und immer ins Ziel kommen wollten. Ein Doppelausfall ist natürlich nichts Erfreuliches."

Frage: "Was hat Toyota 2003 für Ziele?"
Brunner: "Das Ziel für 2003 ist ganz einfach, dass wir Punkte erreichen wollen, und zwar mit Performance und nicht mit Glück. Und das ist schon eine gewaltige Aufgabe, die wir in einem relativ kurzen Zeitrahmen schaffen müssen."