Großer Preis von Australien: Ferrari-Vorschau
Mit großer Zuversicht, aber zurückhaltend blickt das Weltmeister-Team dem bevorstehenden Saisonauftakt in Melbourne entgegen
(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher geht als klarer Favorit ins Melbourner Rennwochenende ? und er strahlt diese Zuversicht, die ihm von allen Seiten attestiert wird, auch aus. Unter der Woche gab er sich betont entspannt, nahm sich sogar Zeit für einen Hobby-Kick mit Bruder Ralf und ein paar Journalisten.

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Titelverteidiger Michael Schumacher gilt in Melbourne als größter Sieganwärter
"Auf das erste Rennen freut man sich ganz besonders", so der Titelverteidiger. "Endlich kann man loslegen, endlich kann man sehen, was all die Testerei und all die Arbeit über den Winter gebracht haben, endlich herrschen vergleichbare Bedingungen und haben all die Spekulationen ein Ende. Schon allein deshalb ist es immer besonders schön, nach Melbourne zu kommen, weil bei jedem das Prinzip Hoffnung groß geschrieben ist."
Ferrari schreibt es allerdings noch größer als die Konkurrenz: Zwar blieb der neue F2003-GA noch zuhause in Maranello, wo er für den Europaauftakt vorbereitet wird, doch auch der Vorjahreswagen wurde über den Winter stark verbessert und sollte der Papierform nach allen anderen Fahrzeugen deutlich überlegen sein. Als einzig möglicher Gegner stellte sich im Winter McLaren-Mercedes heraus, BMW-Williams ist mit einem Fragezeichen zu sehen.
Schumacher äußerst locker und zuversichtlich
Schumacher ist jedenfalls zuversichtlich: "Weil wir mit unserem alten Auto starten, wissen wir eigentlich ziemlich gut, dass wir durchaus kein schlechtes Gefühl haben müssen ? schließlich war dieses Auto im vergangenen Jahr das Maß aller Dinge und bei den Wintertests lief es ebenfalls gut. Auch auf die Strecke im Albert Park kann man sich freuen. Früher war ich von dem Kurs nicht ganz so begeistert, mittlerweile aber finde ich ihn gar nicht so schlecht, vor allem für einen Straßenkurs."
Abwartend zeigte sich der 34-Jährige, was das neue Reglement angeht. Dass er selbst zwar das 'HANS'-System verwenden wird, er aber nicht viel davon hält, es allen Fahrern vorzuschreiben, ist nicht neu, aber genau wie David Coulthard erwartet er wegen dem neuen Format der Rennwochenenden das eine oder andere taktische Spielchen. Die elektronische Abrüstung, die dann erst ab Silverstone greifen wird, bedauert er sowieso sehr.
Das neue Qualifying hält er für undurchsichtig: "Die Taktik wird eine Schlüsselrolle spielen und die Zuschauer wissen dann nicht mehr, wer eigentlich der schnellste Fahrer ist. Der Mann auf der Pole-Position könnte einen guten Tag erwischt haben oder mit wenig Sprit gefahren sein. Es wird Sand in die Gesichter der Wettstreiter geworfen, es entsteht ein bisschen Verwirrung. Theoretisch müssten die Teams, die taktisch gut sind, davon profitieren, aber eben nur theoretisch."
Der Deutsche sieht also "zahlreiche Unbekannte" auf sich zukommen ? auch hinsichtlich der Konkurrenz: "Unsere gefährlichsten Gegner sind sicher McLaren, aber auch Toyota, BAR, Sauber und Renault haben bei den Tests ganz gut ausgesehen. Und dann müssen wir natürlich auch abwarten, wie der Williams im Rennen läuft. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir von Anfang an gute Resultate einfahren können, ist aber groß. Ich bin sehr optimistisch."
Kleines Rückenproblem bei Rubens Barrichello
Teamkollege Rubens Barrichello, der in den Wintermonaten von der Presse fast unbemerkt arbeiten konnte, hinterließ gestern ebenfalls einen lockeren Eindruck. Obwohl er gerne einen guten Saisonstart erwischen würde, lässt er sich nicht unter Druck setzen: "Die ersten drei Rennen belasten mich nicht, auch wenn es so aussieht, als würden sich andere Leute deswegen um mich sorgen. Diese drei Rennen bedeuten nicht das Ende der Welt für mich. Ich bin mental in einer exzellenten Verfassung und weiß, dass ich ein besserer Fahrer als je zuvor bin."
Die letzten Tage vor seinem Flug nach Melbourne hat der 30-Jährige übrigens in seiner Heimat verbracht, wo er früher als ursprünglich geplant ankam, um leichte Rückenschmerzen, die ihm bei den Tests aufgefallen waren, auszukurieren: "Keine große Sache, aber ich wollte es behandeln lassen. Im Rücken hat sich ein Nerv entzündet, aber es wird schon besser und ich bin zuversichtlich, rechtzeitig 100 Prozent fit zu sein."
Das Training musste Barrichello wegen der Schmerzen nicht vernachlässigen, sondern nur umstellen: "Ich bin mehr als üblich geschwommen. In Brasilien hat es jetzt 38 Grad und mir geht es gut dabei, in der Hitze zu trainieren. Ich bin bereit und freue mich auf Melbourne." Weit mehr Sorgen macht ihm das 'HANS'-System, welches er als "wirklich schmerzhaft" empfindet: "Damit kann ich mich beim Fahren nicht voll konzentrieren."
Ein "interessantes Wochenende" erwartet Stefano Domenicali, der Sportliche Direktor des Ferrari-Teams: "Alles ist ganz neu, eine neue Entwicklung in der Formel 1. Wir beginnen mit einem weißen Blatt Papier und frischer Motivation und wollen beweisen, dass wir in kurzer Zeit wieder den besten Job machen können. Im Laufe des Wochenendes werden sicher viele Fragen auftauchen und wir werden uns da wohl mit den Stewards der FIA beratschlagen müssen."
Nach Qualifying: Nur noch zweieinhalb Stunden Zeit
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht der Italiener die neue Regel, wonach die Fahrzeuge nach dem zweiten Qualifying nur noch kurz gewartet werden dürfen. Einerseits bleibt den Ingenieuren damit viel weniger Zeit für die Rennvorbereitung, andererseits ergibt sich eine Verschnaufpause für die Crew, die in den vergangenen Jahren von Samstag auf Sonntag meist eine Nachtschicht einlegen musste.
"Nach dem Qualifying haben wir zweieinhalb Stunden Zeit, an den Autos zu arbeiten, bevor sie über Nacht wieder in den Parc Fermé gebracht werden müssen", erklärte Domenicali. "Abgesehen von kleineren Notwendigkeiten ist das die letzte Gelegenheit, am Auto vor dem Start des Rennens etwas zu erledigen." Gleichzeitig warf er ein, dass die zweieinhalb Stunden eventuell gar nicht ausgeschöpft werden könnten, "weil wir sowieso nicht mehr viel verändern dürfen."
"Wir dürfen", fuhr er fort, "Flüssigkeiten auswechseln, nur kein Benzin, die Autos mechanisch überprüfen, Daten downloaden und die Elektronik adjustieren, aber sonst fast nichts. In jeder Garage wird ein FIA-Delegierter stehen, der den Teams auf die Finger schaut und kontrolliert, dass nur die erlaubten Arbeitsschritte durchgeführt werden. Am Samstagabend und Sonntagmorgen bleibt damit viel mehr Zeit, aber wir müssen das Team irgendwie beschäftigen, damit die Anspannung dann rechtzeitig zum Rennen am Höhepunkt ist."
Obwohl nun wesentlich weniger Arbeit zu erledigen ist, bringt Ferrari ? genau wie bisher ? 60 Mitarbeiter zu jedem Grand Prix. Domenicali: "Wir benötigen noch immer dieselbe Anzahl an Spezialisten für die unterschiedlichen Aufgaben, die zu erledigen sind, aber sie werden nicht mehr ganz so viel zu tun haben."

