• 20.04.2013 19:06

  • von Dieter Rencken aufgezeichnet

Grosjeans letzter Strohhalm: "Tempo ist ja nicht verloren"

Der Lotus-Pilot verzweifelt an einem mysteriösen Reifenproblem, sieht es aber als erwiesen an, dass er sich im teaminternen Duell nicht geschlagen geben muss

(Motorsport-Total.com) - Wenn es beim so konstanten Kimi Räikkönen schon nicht rund läuft, dann klappt es bei Romain Grosjean erst recht nicht. Das Qualifying in Bahrain scheint diese These einmal mehr untermauert zu haben, schließlich schied der Franzose schon im zweiten Abschnitt aus und geht von Startplatz elf ins Rennen, während sich der Ex-Weltmeister in das Abschlusssegment rettete. Im Interview macht Grosjean einen Strategiefehler verantwortlich und hadert mit einem Abstimmungs-Mysterium am E21.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean war es anzusehen: Der Bahrain-Trip war für ihn ein Satz mit X Zoom

Frage: "Romain, bist du enttäuscht?"
Romain Grosjean: "Ich denke schon. Ich ziehe mich daran hoch, dass unser Auto sehr schonend mit den Reifen umgeht und wir in Q1 auf Rang vier standen. Bis dahin gab es kein Problem, dann aber ein Missverständnis in Q2. Sie hatten mir gesagt, die Entwicklung der Strecke sei nicht so gravierend sei. Dann hieß es, ich sollte doch nicht so viel riskieren und mein Renningenieur wusste plötzlich nicht mehr, was er tun sollte. Dann gingen die mittelharten Reifen auf das Auto und sie waren langsamer als die harten."

Frage: "Das Missverständnis war es also, nicht früher auf die Bahn zu gehen?"
Grosjean: "Ja, genau das. Richtig wäre es gewesen, früh eine Zeit zu setzen und dann direkt nachzulegen, wenn es die Umstände erfordert hätten."

Und plötzlich ist das Auto wieder schnell...

Frage: "Eric Boullier hat gesagt, dass das neue Chassis dich zuversichtlich stimmt."
Grosjean: "Mit dem Chassis, das ich in den ersten drei Rennen verwendet habe, war alles in Ordnung. Trotzdem war es gut, es zu wechseln, um die Sache aus dem Kopf zu bekommen. Gestern waren wir dann im Nirgendwo in Sachen Tempo. Gestern Abend haben wir uns das genau angesehen, haben Dinge, die falsch gelaufen waren, verändert und glaubten dort zu stehen, wo wir sein sollten. Von der ersten Runde des dritten Freien Trainings an fühlte sich der Wagen gut an, so wie ich ihn auf harten Reifen mag. Auf den mittelharten sogar noch schneller."

Frage: "Was genau läuft derzeit schief am Auto?"
Grosjean: "Es ist ein Zusammenspiel aus Fahrer, Bremsen, Reifen und der Strecke."

Frage: "Liegen dir die Reifen der aktuellen Generation weniger als anderen Piloten?"
Grosjean: "Nein, heutzutage ist die Formel 1 sehr kompliziert. Wenn man ein Auto nimmt, dass beim Anbremsen untersteuert und die Balance verstellt, dann übersteuert es plötzlich. Mit der Aerodynamik, dem KERS, der Bremswirkung des Motors, den Reifen, dem DRS, der Mechanik - alles ist differenziert und es dauert viel länger, bis man ein Problem ausfindig gemacht hat."


Fotos: Romain Grosjean, Großer Preis von Bahrain


Frage: "Was ist denn das Grundproblem?"
Grosjean: "So weit ins Detail darf ich leider nicht gehen."

Frage: "In Schanghai hast du noch gesagt, ihr hättet etwas gefunden. Habt ihr euch bei der Abstimmung verzockt?"
Grosejan: "Lass' es mich so ausdrücken: Es geht darum, wie wir die Reifen beanspruchen. Sie sind sehr sensibel. Im vergangenen Jahr waren es nur die Hinterreifen, mit den vorderen Pneus lief es meistens ganz gut. In dieser Saison betrifft es beide Achsen. Dass wir 2012 so gut die hinteren Reifen geschont haben, macht uns wegen des Frontflügels jetzt zu schaffen."

Alles Kopfsache

Frage: "Arbeitest du noch mit einem Psychologen zusammen?
Grosjean: "Ja. Es war ein schwieriger Start in die Saison. Kimi fährt physisch genau das gleiche Auto wie ich, aber ich habe die Probleme. Das ist keine einfache Situation. Solange man die Zuversicht und das Selbstbewusstsein nicht verliert, kann man die Dinge langsam wieder ins Lot bringen. Manches dauert länger. Ein Jahr entspricht zehn Formel-1-Jahren. Es wäre zu einfach zu sagen: Das ist die Lösung, deshalb musst du das und das tun. Es hängt auch daran, was in deinem Leben passiert, was in deinem Kopf passiert. Es ist der Versuch, sich mit allem auseinanderzusetzen, was einem bevorsteht."

Frage: "Im vergangenen Jahr bist du Siebter im Qualifying geworden, aber als Dritter ins Ziel gekommen. Kannst du das wiederholen?"
Grosjean: "Kimi war Elfter und ist Zweiter geworden. Alles ist möglich."

Frage: "Zwei Stopps oder drei Stopps? Was traust du den Reifen zu?"
Grosjean: "Das hängt davon ab, wie diszipliniert man ist, um tatsächlich zwei Stopps durchzuhalten. Wenn es geht, dann geht es."

Frage: "Du hast freie Reifenwahl. Wirst du auf der harten Mischung starten?"
Grosjean: "Das haben wir noch nicht entschieden. Der Strategieingenieur wird mich fragen, welche Reifen ich bevorzuge, dann diskutieren wir das."

Team steht hinter Grosjean

Romain Grosjean

Romain Grosjean und der E21 pflegen derzeit keine Liebesbeziehung Zoom

Frage: "Du scheinst gegen Kimi Räikkönen den Kürzeren zu ziehen."
Grosjean: "Es gab im vergangenen Jahr drei Rennen, bei denen Kimi mich komplett im Griff hatte und ich im Nirgendwo war. Hockenheim, Budapest und Spa-Francorchamps. Das Problem war damals genau das gleiche, das jetzt wieder da ist. Mit anderen Reifen, ja, und auf dem Papier haben wir das Problem gelöst. Aber mit den neuen Pneus kam es wieder. Es ist so schwierig, herauszufinden, was schief läuft. Das Auto untersteuert nicht mehr als Kimis. Aber ich kann den Wagen nicht so platzieren, wie ich das will. Es über-, es untersteuert und ich kille die Reifen. All das hat seinen Ursprung in der Vergangenheit und wir müssen daran arbeiten, dieses Problem zu lösen."

Frage: "Jüngere Fahrer haben oft das Problem, dass sie im Team kein Gehör finden. Glauben die Jungs dir, dass es ein Problem gibt, oder denken sie, dass du es einfach nicht in hinbekommst?"
Grosjean: "Sie würden nicht so hart arbeiten, wenn sie mir nicht glauben würden. Druck ist immer da. Das Team steht zu mir, auch die Bosse. Der Speed ist ja nicht verloren, irgendwo steckt er. Wir haben eine Menge Zeit verloren und ich behaupte gar nicht, dass das Auto am Sonntag fantastisch wäre. Aber ich hoffe, wieder das Gefühl im Auto zu haben, das ich so mag. Von diesem Punkt an können wir weiterarbeiten. Q1 zeigt, dass ich noch da bin, ich war schneller als Kimi."

Frage: "Hast du schon darüber nachgedacht, wieder Bankier zu werden?"
Grosjean: (lacht) "Nein."