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Glock: Von Go-Karts und der Formel 1
Die große Analyse: Warum Timo Glock bisher von Jarno Trulli geschlagen wurde, unsere Experten sich aber trotzdem keine Sorgen machen
(Motorsport-Total.com) - Zwischen Adrian Sutil und Timo Glock gibt es einige Gemeinsamkeiten: Beide sind schon vor 2008 Formel-1-Rennen gefahren, beide sind jung, beide haben einen routinierten Teamkollegen aus Italien - und beide sehen gegen diesen jeweils ziemlich schlecht aus. Und trotzdem machen sich unsere Experten um Sutil momentan mehr Sorgen als um Glock.

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Timo Glock muss am Lenkrad des TF108 noch ein wenig Erfahrung sammeln
Denn der Toyota-Pilot, der nach seinen ersten Grand-Prix-Starts 2004 über die Umwege ChampCar- und GP2-Serie in die Königsklasse des Motorsports aufstieg, zehrt noch von den Lorbeeren seines Titelgewinns 2007. Im Vorjahr folgte er nämlich den inzwischen voll etablierten Youngsters Nico Rosberg und Lewis Hamilton als GP2-Champion nach. Insofern besitzt er einen Kredit, der Sutil zum Teil schon wieder abgesprochen wird.#w1#
Zahlen sprechen eindeutig gegen Glock
Wie dem auch sei, die Zahlen sprechen im Stallduell gegen Jarno Trulli eindeutig gegen Glock. Bisher hat er in allen drei Qualifyings und Rennen schlechter abgeschnitten als der 33-jährige Routinier, an WM-Punkten ist er gar mit 0:8 ins Hintertreffen geraten. Darüber hinaus fehlten ihm in den Qualifyings im direkten Vergleich 1,066, 2,945 und 0,369, in den schnellsten Rennrunden 0,248 und 0,603 Sekunden. In Malaysia überstand er die erste Runde nicht, daher gibt es dafür auch keinen Vergleichswert.
Was sagt uns das? Erstens: Glock ist im Rennen näher an Trulli dran als im Qualifying, was nicht weiter überrascht, wenn man sich die GP2-Saison 2007 in Erinnerung ruft - auch damals war er im Rennen meist eine Klasse für sich, während sein Stallgefährte Andreas Zuber auf eine schnelle Runde oft sogar schneller war. Zweitens: Beim bisher letzten Event in Bahrain war der Zeitabstand schon in einem Bereich, den man als akzeptabel bezeichnen kann.
Daher glaubt 'Motorsport-Total.com'-Experte Hans-Joachim Stuck: "Um Timo würde ich mir keine Sorgen machen. Er ist im Team ein Newcomer. Er muss das Auto kennen lernen und das Auto an seinen Fahrstil anpassen. Timo kann von Trulli lernen und hat noch ein Jahr Kredit." Außerdem spricht für den 26-Jährigen, dass er von Toyota volle Rückendeckung genießt, speziell von Seiten John Howetts, der ihn unbedingt an Bord holen wollte.
Surer sieht Glock nicht unter Druck
Unser zweiter Experte Marc Surer sieht die Situation ähnlich wie Stuck: "Timo ist neu. Er ist in Trullis Team gekommen - und Trulli hat schließlich Ralf Schumacher mit seinen Vorstellungen aus der Formel 1 geboxt. Wenn Glock nicht schneller fahren kann als er, sondern nur in der Nähe ist, ist das gut genug im ersten Jahr", analysiert der Schweizer. Außerdem: Auch Schumacher gewann oft erst im Laufe einer Saison Land gegen Trulli.
Doch warum ist das so? Warum baut Toyota seit Jahren zunächst mal ein Auto, mit dem anscheinend nur Trulli umgehen kann, und erst später - nach zahlreichen Modifikationen - kommen dann auch die Teamkollegen damit zurecht? Was technisch dahinter steckt, können wir nicht beantworten, sehr wohl aber die Frage nach Trullis Geheimnis. Denn wie wir herausgefunden haben, fährt der Monaco-Sieger von 2004 einfach über die Probleme des aktuellen TF108 hinweg.
Das Toyota-Phänomen in der Kurzfassung: Sobald der Fahrer auf die Bremse steigt und sich das Gewicht folgerichtig von hinten nach vorne verlagert, die Hinterachse leicht wird, büßt der TF108 an Stabilität ein - ein Graus beim Bremsen. Ab dem Kurvenscheitelpunkt jedoch setzt ein Untersteuern ein, sprich das Auto schiebt nach außen - eine denkbar ungünstige Kombination, die Trullis Fahrstil aber nicht allzu stark beeinträchtigt.
Was macht Trulli anders als Glock?

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Jarno Trulli hat speziell das Anbremsen besser im Griff als Timo Glock Zoom
Trulli kompensiert dieses Fahrverhalten nämlich, indem er beim Anbremsen der Kurven gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse steigt und damit das Heck stabilisiert. Was für einen Laien zunächst kompliziert klingen mag, ist für jeden halbwegs begabten Hobbykartfahrer kein Problem, denn der gleichzeitige Tanz auf Gaspedal und Bremse wirkt sich im Kart genauso aus wie in der Formel 1. Nur: Warum kann Trulli, was Glock offenbar nicht kann?
Ganz so einfach ist es dann eben doch nicht, wie Surer erklärt: "Der Unterschied ist, dass in der Formel 1 alle vier Räder gebremst werden. Man bremst also mit den Vorderrädern mit. Wenn man gleichzeitig auf Gas und Bremse steigt, blockieren vielleicht die Vorderräder. Eventuell hat man ein Untersteuern deswegen. Das Kart bremst nur über die angetriebene Achse. Dadurch hebt sich das auf - das ist wie feinfühliges Gasgeben."
Die Gefahren des Kartstils in der Formel 1
Das gleichzeitige Linksbremsen im Kart könnte man "auch mit dem Gaspedal" regeln, weiß der gute Kartfahrer Surer, aber: "So ist es einfacher, weil man mit den Pedalen grober umgehen kann." Doch was im Kart Usus ist, ist in der Formel 1 eher unüblich, zumindest in der extremen Form, in der Trulli dieses Spiel betreibt. Eigentlich kennt man gleichzeitiges Gasgeben und Bremsen nur aus der Aufwärmrunde, wenn die Fahrer versuchen, Bremsen und Reifen auf Temperatur zu bringen.
Zieht man diesen Fahrstil über eine ganze Renndistanz hinweg durch, dann muss es gekonnt sein, denn: "Wenn man gleichzeitig Gas gibt und bremst, muss das sehr dosiert geschehen, weil man in der Formel 1 viel mehr Leistung hat. Es ist einfach komplexer, das in der Formel 1 zu machen. Dazu kommt, dass man die Bremse überhitzen kann und so weiter. Ich halte es für sehr schwierig, das hinzukriegen", nimmt er Glock in Schutz.
Generell glaubt Surer aber nicht, dass sich der Deutsche deswegen den Kopf zerbrechen sollte: "Jeder Fahrer hat seinen eigenen Fahrstil. Man darf nicht komplett umstellen, sonst ist man nicht mehr man selbst. Man muss einen Kompromiss eingehen. Er muss versuchen, das Auto ein bisschen in seine Richtung zu trimmen. Er kann dann nicht mehr genau die Abstimmung von Trulli übernehmen - das konnte Ralf ja auch nicht."
Glock relativiert die Fahrstilprobleme
Natürlich haben wir auch Glock selbst Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Thema zu äußern, und auch er schließt sich der Surer-Meinung an, dass die Eingewöhnung wohl nur eine Frage der Zeit ist. Der Durchbruch kann am kommenden Wochenende in Barcelona gelingen, aber auch das ganze Jahr nicht. "Ich möchte dazu nur sagen, dass die Herausforderungen nicht so groß sind, wie sie aktuell dargestellt werden", relativiert der Toyota-Pilot.
"Man hat schon in Australien und in Malaysia gesehen, dass ich auf einer schnellen Runde ganz nah dran bin an Jarno", verweist er auf den Saisonauftakt. "Nur leider hatte ich nicht die Chance, das Rennen zu Ende zu fahren. Auch in Bahrain war ich im Qualifying dran und konnte ja auch im Rennen seinen Speed mitgehen. Ohne die Getriebeprobleme wäre dort sogar noch mehr drin gewesen. So groß ist der Unterschied nicht."
Und weiter: "Wenn ich 2004 einrechne, war Bahrain mein siebentes Rennen in der Formel 1. Jarno hat mehr als 150 auf dem Buckel. Er hat viel mehr Erfahrung mit den Reifen und mit dem Auto, da er ja schon seit vier Jahren bei Toyota ist. Da muss man schon etwas Geduld haben. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, das hat nicht zuletzt Bahrain gezeigt. Ich bin bis jetzt ganz zufrieden. Unsere harte Arbeit an der Abstimmung zahlt sich aus. Der Abstand ist kleiner, als viele erwartet haben."
Lösung einfacher als vermutet?

© Toyota
Timo Glock (rechts) im Gespräch mit seinem Renningenieur Francesco Nenci Zoom
Außerdem ist die Lösung, an der Glock momentan zusammen mit seinem Renningenieur Francesco Nenci arbeitet, vielleicht viel einfacher, als man vermuten würde. Unser Experte Surer spricht aus eigener Erfahrung: "Ich habe das erlebt, als ich 1985 zu Brabham kam und Nelson Piquet mein Teamkollege war. Sie haben mir ein Auto hingestellt, mit dem ich nicht fahren konnte. Das Auto hat sogar auf der Geraden übersteuert. Aber als Antwort bekam ich nur: 'Nelson fährt so!'"
"Er wollte kein Untersteuern, sondern eine klebende Vorderachse - ein bisschen wie Michael Schumacher. Ich konnte damit nicht fahren", so der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer. "Irgendwann haben wir herausgefunden, dass wir nur einen andere Stabi brauchen, aber alles andere so lassen können. Und auf einmal passte es. Dieser feine Unterschied vom Fahrstil her, den muss Timo herausfinden. Vielleicht ist die Lösung relativ einfach, wenn er mal den Dreh raus hat."

