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Gerhard Berger im großen 'F1Total.com'-Interview (3)

Der Neo-Teameigentümer über sein Verhältnis zu Michael Schumacher, den Alonso-Transfer, die Deutschen und Österreicher in der Formel 1 und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Gerhard Berger ist einer der Typen, die der Formel 1 fehlen würden, wenn es sie nicht gäbe - aber zum Glück kann der 46-Jährige auch nicht ohne Formel 1, so dass sich dieses Problem quasi von selbst erübrigt. Warum er vielen fehlen würde, das belegt am besten unser großes 'F1Total.com'-Interview, von dem im Folgenden der dritte und letzte Teil nachzulesen ist.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger spricht in seinen Interviews offener als die meisten seiner Kollegen

Der 50-Prozent-Teilhaber der Scuderia Toro Rosso sprach am Hangar-7 in Salzburg unter anderem über sein Leben, das er sich ohne Motorsport nicht mehr vorstellen könnte, über Krieg und Friedensschließung mit Michael Schumacher, über Fernando Alonsos spektakulären Wechsel sowie über die neuen Deutschen und Österreicher in der Formel 1. Plus: Warum er hofft, dass Jean Alesi bald als Teamchef zurückkehrt.#w1#

Ab April, Mai kehrt Berger ganz in die Formel 1 zurück

Frage: "Gerhard, wie sehr bestimmt die Formel 1 heute dein Leben?"
Gerhard Berger: "In den letzten anderthalb Jahren überhaupt nicht. Da hat nicht die Formel 1 mein Leben bestimmt, sondern ich selbst. Das war ja gerade das Angenehme daran. Jetzt ist es auch noch nicht so weit, weil ich noch einige Dinge erledigen muss, die ich vorher schon angefangen habe. Ab April, Mai werde ich dann aber schon wieder sehr stark im Formel-1-Geschehen drin sein, auch im Formel-1-Denken. Ich möchte es aber nicht wieder so weit kommen lassen, dass die Formel 1 wieder mein Leben bestimmen wird. Das möchte ich unbedingt verhindern."

Frage: "Hauptsächlich wegen der Familie, nehme ich an..."
Berger: "Auch für mich selbst, denn ich glaube, dass man einen besseren Job macht, wenn man zu manchen Dingen einen gewissen Abstand hat."

Gerhard Berger

Ein Leben für den Motorsport: Gerhard Berger bei einer Demofahrt im Lotus Zoom

Frage: "Wäre für dich ein Leben völlig ohne Motorsport überhaupt vorstellbar?"
Berger: "Ein Leben ohne Motorsport? Ganz klar: Nein!"

Frage: "Was hättest du gemacht, wenn du nicht Rennfahrer geworden wärst?"
Berger: "Ich wäre wahrscheinlich irgendwo in einem Transport- oder Logistikladen und würde mir mit Transporten die Zeit um die Ohren schlagen."

Frage: "Bald wird auch Michael Schumacher vor dem Schritt stehen, seine Karriere beenden zu müssen. Glaubst du, dass er ohne die Formel 1 in ein Loch fallen wird?"
Berger: "Michael fällt in kein Loch! Er ist so fähig, dass man ihn eigentlich für alles verwenden kann. Es liegt an ihm, ob er etwas machen will oder nicht. Ich schätze ihn so ein, dass er sehr wenig machen wird, denn er wird sich mehr mit seiner Familie, Pferden und so weiter beschäftigen. Das hat er sich auch verdient, denn so ehrgeizig und zielstrebig, wie er seine Karriere all die Jahre hindurch vorangetrieben hat, das ist einmalig. Da ist es sowieso notwendig, dass er den Rest des Lebens für sich selbst Zeit hat."

Eddie Jordan als Teamchef von Schumachers Rennstall?

Frage: "Eddie Jordan meint, dass Michael Schumacher gemeinsam mit Volkswagen ein eigenes Formel-1-Team gründen könnte, was ja durchaus Sinn machen würde. Kannst du dir vorstellen, dass es dazu nach ein paar Jahren Pause kommen wird?"
Berger: "Dann soll Eddie Jordan Teamchef werden (lacht; Anm. d. Red.)! Michael hat mir gesagt, dass er Eddie gerne als Teamchef haben würde..."

Frage: "Du verstehst dich ja jetzt wunderbar mit Michael Schumacher, aber das war nicht immer so. Hat es irgendein Schlüsselerlebnis gegeben, weshalb sich das geändert hat?"
Berger: "Eigentlich hat das der Jean Todt geändert. Nachdem er den Michael kennen gelernt hat - damals war ich ja bei Ferrari -, sagte er immer wieder zu mir: 'Pass auf, Gerhard, der Kerl ist schon in Ordnung. Du hast einen falschen Eindruck von ihm. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass ihr euch gut verstehen würdet!' Wir haben aber nicht miteinander geredet und uns stattdessen nur gegenseitig Stolpersteine in den Weg geschmissen."

"Wir haben nicht miteinander geredet und uns stattdessen nur gegenseitig Stolpersteine in den Weg geschmissen." Gerhard Berger

Frage: "Und das noch dazu über die Medien..."
Berger: "In den Medien, ja, aber auch auf der Rennstrecke - überall eigentlich. Jean Todt hat es dann irgendwie geschafft, dass wir uns näher gekommen sind. Dabei haben wir beide festgestellt, dass wir wirklich gut miteinander auskommen. Seitdem verstehen wir uns gut und wir respektieren uns. Vor allem ich respektiere Michael wahnsinnig, denn was dieser Bursche geschafft hat, ist unglaublich. Seit damals ist dieses Thema erledigt."

Frage: "Es heißt, dass der Formel 1 die großen Typen fehlen. Gibt es die nicht mehr oder kann man sie nur nicht mehr erkennen?"
Berger: "Das ist der Punkt: Man kann sie aufgrund dieser Marketingmaschinerie nicht mehr erkennen."

Frage: "Wenn man sie nicht so sehr zügeln würde, hätten wir dann genauso einen James Hunt oder einen Gerhard Berger wie früher?"
Berger: "Die Formel 1 ist vielleicht ein bisschen zu festgefahren, zu organisiert. Dadurch kommen diese Typen nicht so zur Geltung wie früher."

Berger will die Flügel der Fahrer nicht stutzen

Frage: "Ein gutes Beispiel dafür ist Vitantonio Liuzzi: Am Anfang haben sich alle über diesen Paradiesvogel gefreut, aber als es nicht auf Anhieb lief, haben ihm seine Lockerheit alle vorgeworfen..."
Berger: "Das macht aber nichts, denn der Tonio Liuzzi ist nach wie vor ein wirklich guter Typ. Er wird bei Red Bull und speziell bei uns, bei Toro Rosso, die Freiheiten haben, auch weiterhin so zu sein."

Frage: "Aber alle wünschen sich so einen Typen, nur wenn sie ihn bekommen, passt es irgendwie auch keinem."
Berger: "Es ist doch immer dasselbe: Einer wie er gibt Fläche für ideale Vermarktung, weil er so ist, wie er eben ist, aber er gibt auch die gleiche Fläche für Kritik, wenn der Erfolg nicht passt. Das war aber schon immer so, denn der gute Typ war auch früher nur dann ein guter Typ, wenn er auch Erfolg hatte. Hatte er den nicht, dann kam er irgendwann unter die Räder."

"Der gute Typ war auch früher nur dann ein guter Typ, wenn er auch Erfolg hatte." Gerhard Berger

Frage: "Red Bull pflegt mit den Medien einen sehr offenen Umgang, verheimlicht keine Motorschäden und dergleichen - und kommt damit bei den Journalisten, die ja die öffentliche Meinung bilden, sehr gut an. Warum machen es nicht alle so?"
Berger: "Irgendwie ist die Formel 1 in den letzten Jahren so wichtig und groß geworden, was Medienpräsenz und Auswirkungen der Medien angeht, dass es für die Konzerne gar keine andere Möglichkeit gibt als so eine Haltung einzunehmen, um keinen Schaden zu erleiden. Das hat die Formel 1 dort hingebracht, wo sie heute ist."

"Wir würden uns doch alle wünschen, dass es mehr Red-Bull-Teams gibt! Dann würde auch die Balance stimmen, aber momentan stimmt sie leider nicht, weil es so viele Konzerne gibt. Das ist genau das, was Bernie Ecclestone und Max Mosley immer wieder sagen: Wir brauchen die Konzerne, wir wollen die Konzerne - aber eben nicht nur die Konzerne! Die Formel 1 braucht auch die Paradiesvögel."

Berger rechnet mit einem Ende von Ferraris Erfolgsära

Frage: "Kommen wir zur aktuellen Saison: Ferrari hat Probleme mit der Standfestigkeit, Ende der Saison laufen außerdem alle wichtigen Verträge aus. Neigt sich die Erfolgsära langsam einem Ende zu?"
Berger: "Jede Ära geht irgendwann zu Ende. Ob das dieses, nächstes oder übernächstes Jahr sein wird, weiß ich nicht. Ferrari schaut in der Tat nicht überlegen aus, aber warten wir einmal ab. Normalerweise müsste es so sein, dass der Rest auch funktioniert, wenn die Reifen funktionieren."

Frage: "Man hört, dass Ferrari 1996 mit dir und Alain Prost fahren wollte. War die Entscheidung gegen euch Altstars und für den Youngster Michael Schumacher im Nachhinein betrachtet richtig?"
Berger: "Das Team hätte immer Berger/Schumacher heißen sollen, nicht Berger/Prost. Ich hatte schon einen Vertrag mit Ferrari - oder besser gesagt eine Option, dort bleiben zu können -, habe mich dann aber für Benetton entschieden. Im Prinzip war aber Berger/Schumacher für 1996 vorgesehen. Prost war nie ein Thema."

Jean Todt, Gerhard Berger und Jean Alesi

Ferrari-Teamchef Jean Todt mit seinem damaligen Fahrern Berger und Alesi Zoom

Frage: "McLaren-Mercedes hat sehr früh die Verpflichtung von Fernando Alonso bekannt gegeben, worüber sich Niki Lauda fürchterlich aufgeregt hat. Wie stehst du zu diesem Thema?"
Berger: "Man kann sich darüber nicht aufregen, wenn man die Hintergründe nicht genau kennt. Ron Dennis hatte sicher einen Grund für diese frühe Bekanntgabe - was auch immer dieser Grund gewesen sein mag. In der Formel 1 werden solche Sachen nicht unüberlegt gemacht, sondern sie haben meistens eine Wirkung - und wenn es nur bei einem Sponsor ist. Vielleicht hat Alonso ja dazu geführt, dass 'Vodafone' bei McLaren gelandet ist. Ich weiß es nicht. Ron Dennis ist jedenfalls kein Dummer. Dem kann man schon zutrauen, dass er das mit einem Hintergedanken gemacht hat."

Frage: "Empfindest du den Transfer von Fernando Alonso wie viele andere auch als Signal, dass Renault über einen Rückzug aus der Formel 1 nachdenkt?"
Berger: "Nein, nicht unbedingt."

Alonso zählt für Berger zu den WM-Favoriten

Frage: "Wie ist es aus Fahrersicht, 2006 mit einem McLaren-Mercedes-Vertrag für 2007 für Renault an den Start gehen zu müssen?"
Berger: "Das ist überhaupt kein Problem. Alonso will gewinnen und Weltmeister werden, genau wie Renault auch. Das spielt keine Rolle."

"Alonso will gewinnen und Weltmeister werden, genau wie Renault auch." Gerhard Berger

Frage: "Fernando Alonso und Kimi Räikkönen sind die Zukunft der Formel 1..."
Berger: "Absolut!"

Frage: "Siehst du neben ihnen auch noch andere, die da nachkommen?"
Berger: "Momentan noch nicht, aber das wird dann ja schnell gehen. Ich hoffe, dass es Liuzzi und Speed sind!"

Frage: "Es gibt dieses Jahr auch neue Deutsche in der Formel 1. Fangen wir mit Nico Rosberg an..."
Berger: "Von Nico halte ich viel. Das Gesamtpaket ist bei ihm sehr gut. Er ist ein gescheiter Kerl, sportlich, jung, hat sein Leben lang nur Rennsportluft geatmet, ist schnell, hat seine Leistung in der GP2 gezeigt. Jetzt hat er eine tolle Chance in der Formel 1. Da passt alles."

Frage: "Kannst du auch zu Markus Winkelhock und Adrian Sutil etwas sagen?"
Berger: "Nein, weil ich sie zu wenig kenne. Markus Winkelhock wünsche ich aber alles Gute, denn ich bin mit seinem Vater, der dann später verunglückt ist, im selben Team gefahren. Es ist natürlich immer eine Freude, wenn man dann den Junior sieht. Dem hält man natürlich die Daumen!"

Frage: "Kommen wir zu den Österreichern: Christian Klien steht vor einer ganz entscheidenden Saison, nicht wahr?"
Berger: "Ja. Das ist die entscheidende Saison für ihn. Er hat alle Möglichkeiten, muss diese also nutzen - und er muss David Coulthard hinter sich lassen. Ob er das fahrerisch drauf hat, wird man sehen. Er muss jedenfalls - und er wird!"

Williams bekommt über Wurz wertvolle Informationen

Frage: "Alexander Wurz ist als Testfahrer zu Williams gegangen. Ein kluger Schachzug?"
Berger: "Das war ein kluger Schachzug von Williams, denn das ist der billigste und schnellste Weg, an Informationen von einem anderen Team heranzukommen."

"Das war ein kluger Schachzug von Williams, denn das ist der billigste und schnellste Weg, an Informationen heranzukommen." Gerhard Berger

Frage: "Siehst du Alexander Wurz in Zukunft noch einmal Rennen fahren?"
Berger: "Ich habe immer gesagt: Wenn irgendwo jemand in eine Notsituation gerät, dann ja, aber wenn es nur eine ganz normale Strategie in der Fahrerbesetzung ist, dann nicht."

Frage: "Patrick Friesacher ist als großes Talent in die Formel 1 gekommen, war dann aber auch schnell wieder weg vom Fenster..."
Berger: "Für den Patrick wird es schwierig, noch einmal in die Formel 1 zu kommen, glaube ich."

Frage: "Und was sagst du zu den österreichischen Nachwuchshoffnungen Andreas Zuber und Norbert Siedler?"
Berger: "Ich kenne den Vater vom Zuber aus meiner Tourenwagenzeit, aber den Sohn überhaupt nicht. Was den Norbert betrifft: Er zeigt schon Ansätze, dass er ein ganz Guter werden könnte, aber er ist nie in der richtigen Serie. Daher kann man ihn schwer einschätzen. Wenn einer in diesen B-Meisterschaften stark ist, kann man nicht so leicht sagen, wie gut er wirklich ist."

Frage: "Dann haben wir noch den Mathias Lauda, den Sohn von Niki..."
Berger: "Mathias wird DTM fahren, soweit ich weiß. Er ist ein supernetter Kerl. Ich drücke ihm die Daumen!"

Frage: "Noch eine letzte Frage: Jean Alesi ist jetzt fix bei 'Direxiv' im Management. Ist das der erste Schritt, dass wir ihn als Teamchef wieder in der Formel 1 sehen werden?"
Berger: "Jean kennt diese Leute schon seit langer Zeit sehr gut, weshalb es eigentlich nahe liegend ist, dass er dort angefangen hat. Es wäre das Schönste für mich, wenn Jean wieder in der Formel 1 auftauchen sollte. Er ist ein bunter Vogel - und solche Leute brauchen wir in der Formel 1."