Gerhard Berger im großen 'F1Total.com'-Interview (1)

Der Scuderia-Toro-Rosso-Teilhaber über den Deal mit Mateschitz, die vergangenen beiden Jahre und das nach wie vor in ihm lodernde Rennfahrerfeuer

(Motorsport-Total.com) - Genau 863 Tage nach seinem offiziellen Rücktritt als BMW Motorsport Direktor gab Gerhard Berger am 9. Februar dieses Jahres bekannt, 50 Prozent der Anteile der Scuderia Toro Rosso erworben zu haben. Im Gegenzug verscherbelte er 50 Prozent seiner im österreichischen Tirol ansässigen Spedition an seinen Freund und Geschäftspartner Dietrich Mateschitz.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger kehrt mit der Scuderia Toro Rosso in die Formel 1 zurück

'F1Total.com' traf den 46-Jährigen Anfang dieser Woche am Hangar-7 in Salzburg, der mit Red-Bull-Millionen zu einem prachtvollen Society- und Gastronomiepalast ausgebaut wurde. "Servus Christian", sagte er - und vertröstete zunächst: "Ich muss noch kurz zum Didi rauf, bin dann in 20 Minuten wieder da." Didi, das ist Dietrich Mateschitz, also jener Mann, der mit seinem Energydrink pro Jahr 2,15 Milliarden Euro Umsatz scheffelt und gleich zwei Formel-1-Teams besitzt.#w1#

Deal am Wirtshaustisch - oder doch nicht?

Als Berger dann wieder Platz nahm und geduldig die Fragen beantwortete, war zunächst natürlich sein Einstieg bei der Scuderia Toro Rosso Thema und der spektakuläre Vertragsabschluss am Wirtshaustisch - ganz so war es wohl doch nicht -, aber er sprach auch über seine Familie und warum er diese nie wieder ganz hängen lassen will. Teil eins des dabei aufgezeichneten 'F1Total.com'-Interviews kann im Folgenden nachgelesen werden.

Frage: "Gerhard, du bist jetzt hier am Hangar-7 so etwas wie ein Co-Hausherr, zumindest ein Teil der Red-Bull-Familie. Wie oft bist du hier in Salzburg beziehungsweise in Fuschl?"
Gerhard Berger: "Der Hausherr hier ist ganz klar der Didi Mateschitz, nicht ich - aber ich bin ein gern gesehener Gast und jemand, der schon seit sehr vielen Jahren bei Red Bull zu Hause ist. Insofern hat sich gegenüber vorher nicht viel geändert, denn ich war früher auch schon immer mal wieder hier."

"Ich bin ein gern gesehener Gast und jemand, der schon seit sehr vielen Jahren bei Red Bull zu Hause ist." Gerhard Berger

Frage: "Ich habe gelesen, dass ihr den Scuderia-Toro-Rosso-Deal quasi am Wirtshaustisch in Salzburg gemacht habt. War das hier am Hangar-7?"
Berger: "So richtig am Wirtshaustisch war es nicht, aber schon in lockerer Atmosphäre. Es war aber nicht hier am Hangar-7, nein."

Frage: "Wie genau ist dieses Meeting abgelaufen? Bist du schon mit dem Hintergedanken hineingegangen, wieder etwas in der Formel 1 machen zu wollen, oder ist das spontan entstanden?"
Berger: "Das ist wirklich spontan entstanden. Wir haben natürlich über viele Monate hinweg immer wieder die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit diskutiert. So etwas ist immer eine Frage des Timings - und jetzt war das Timing genau richtig. Die Diskussion hat mit einem idealen Vorschlag geendet, mit dem wir beide sehr happy sind. Das haben wir dann ruck-zuck durchgezogen."

Frage: "Wer von euch beiden hat das Tauschgeschäft 50 Prozent deiner Spedition gegen 50 Prozent der Scuderia Toro Rosso ins Spiel gebracht?"
Berger: "Erstens ist es kein Tauschgeschäft 50 Prozent gegen 50 Prozent, sondern ich habe 50 Prozent von Toro Rosso gekauft und Didi 50 Prozent meiner Firma. Das ist ein feiner Unterschied, aber es ist ein Unterschied. Wir haben gemeinsam immer wieder alle Felder diskutiert, in denen wir tätig sind, denn wir arbeiten im Transport- und Logistikbereich ja schon seit einiger Zeit zusammen. Das war in der Diskussion immer wieder ein Thema - genau wie auch der Motorsport. Irgendwann haben wir dann festgestellt, dass die beiden Themen eigentlich gut zusammenpassen."

Scuderia Toro Rosso gegen Spedition war kein Tauschgeschäft

Frage: "Über Geld spricht man normalerweise nicht, aber war es ein reines Tauschgeschäft oder ist dabei auch Geld geflossen?"
Berger: "Noch einmal: Es war kein Tauschgeschäft. Ich habe wie gesagt 50 Prozent von Toro Rosso gekauft und er 50 Prozent meiner Firma. Jeder hat für seinen Anteil bezahlt."

Frage: "Hast du schon länger mit dem Gedanken gespielt, Teile deiner Spedition zu verkaufen?"
Berger: "Nein. Das wäre vor einiger Zeit schon einmal möglich gewesen, aber ich wollte eigentlich gar nicht verkaufen. Das war kein Verkauf, sondern das Eingehen einer Partnerschaft im Motorsport mit jemandem, mit dem ich sowieso schon lange partnerschaftlich zusammenarbeite. Didi ist jemand, der sehr dazu beitragen kann, dass sich das Geschäft richtig weiterentwickelt. Daher sehe ich das nicht als Verkauf an, sondern als Weiterentwicklung des Unternehmens."

"Das war kein Verkauf, sondern das Eingehen einer Partnerschaft im Motorsport." Gerhard Berger

Frage: "Wie geht es deiner Firma jetzt? Es gab ja auch schwierige Zeiten..."
Frage: "Gut! Es hat tatsächlich schwierige Zeiten gegeben. Das war 2002, 2003. 2004 und 2005 haben wir dann aber gut die Kurve gekriegt, so dass das Unternehmen jetzt wieder gut dasteht."

Frage: "Du hast die Spedition ja von deinem verstorbenen Vater übernommen. Bist du trotzdem mit Herz bei der Sache oder siehst du diese Aufgabe eher als Last, als Verantwortung?"
Berger: "Ich würde das weder als Last noch als Herzsache bezeichnen. Es ist eine Verantwortung, denn es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich mit dem, was die Eltern aufgebaut haben, beschäftigt und auseinandersetzt. Da muss man halt schauen, wie das zu seinem eigenen Leben passt."

"Jeder muss schauen, was für sich am besten ist: Einer verkauft so eine Firma und macht mit dem Geld etwas anderes, während bei mir schon ein gewisses Herzblut drin steckt, weil ich dort gelernt habe und dort aufgewachsen bin. Es sind dort viele Mitarbeiter beschäftigt, mit denen ich schon gearbeitet habe, als ich jung war. Daher hat man eine ganz andere Beziehung dorthin. Für mich war eine Konstellation mit Red Bull, wo es eine Zukunft gibt, die beste überhaupt. Einerseits kann das Familienunternehmen, das jetzt abgesichert ist, weiterhin bestehen, und gleichzeitig kann es sich sogar noch weiterentwickeln und wachsen. Das könnte gar nicht besser sein."

Bergers Spedition wird auch für Red Bull fahren

Frage: "Werden deine Trucks auch für die beiden Rennteams von Red Bull fahren?"
Berger: "Ja. Themen wie die Logistik des Rennbetriebs oder die Druckerei des 'Red Bulletins' oder das 'Air-Race' erfordern einen großen Aufwand. Es ist schon angedacht, dass wir in diesen Bereichen mithelfen werden."

Frage: "Red Bull hat vor kurzem auch den Salzburger Fußballklub von Rudi Quehenberger gekauft, der ebenfalls eine Spedition besitzt. Kommt ihr euch da in die Quere?"
Berger: "Red Bull hat so ein Wachstum, dass in Zukunft zwei Unternehmen gut beschäftigt werden können. Auch aus Sicht von Red Bull ist es richtig, zwei Partner zu haben, damit man nicht nur auf einem Fuß steht. Das ist der Vorteil für Red Bull dabei."

Gerhard Berger und Dietrich Mateschitz

Gerhard Berger mit seinem Freund und Geschäftspartner Dietrich Mateschitz Zoom

Frage: "Wie viele Angestellte haben deine Spedition und die Scuderia Toro Rosso im Moment?"
Berger: "Bei der Spedition sind es knapp über 200, bei Toro Rosso ein bisschen weniger."

Frage: "Hättest du so einen Deal mit jedem gemacht oder war so etwas nur mit deinem Freund Dietrich Mateschitz möglich?"
Berger: "Diese Konstellation hat nur mit Didi Mateschitz gepasst. Die Konstellation, dass zwei seit 18 Jahren zusammenarbeiten, alles besprechen, Freunde sind, ein Vertrauensverhältnis haben, dass einer einen Logistikbetrieb und der andere einen Getränkekonzern mit einem riesigen Wachstum hat und seine Marketingaktivitäten im Motorsport betreibt, wo der andere das Know-how hat - das gibt es sicher nur einmal. Da greift ein Zahn in den anderen. Diese Konstellation hat es nur mit Didi gegeben."

Frage: "Wie habt ihr euch damals in den 80er Jahren eigentlich kennen gelernt?"
Berger: "Ganz am Anfang, als Didi Mateschitz sein Business begonnen hat, war ich der erste Sportler, den er kontaktiert und der mit ihm eine Zusammenarbeit begonnen hat. Vor 18 Jahren war ich also der erste Sportler, der Red Bull nach außen präsentiert hat."

Frage: "Er ist also auf dich zugegangen?"
Berger: "Ja. Das war beim Formel-1-Rennen in Zeltweg 1985 oder 1986."

Berger hatte seit 2003 mehrere Angebote vorliegen

Frage: "Es gab nach deiner Zeit bei BMW immer wieder Gerüchte über eine Rückkehr in die Formel 1. Du wurdest unter anderem mit Ferrari und sogar mit Mercedes in Verbindung gebracht. Gab es da wirklich konkrete Angebote und hätte dich eines davon gereizt?"
Berger: "Ja. Es hat einige Angebote gegeben, die mich gereizt haben und die ich mir vorstellen hätte können. Es waren wirklich tolle Angebote dabei, aber ich will darüber nicht im Einzelnen reden, denn wenn man die absagt, dann wirkt es nach außen immer so, als wäre ein Verlierer dabei. Dem war aber überhaupt nicht so, sondern es hat einfach das Timing nicht gepasst. Außerdem war bei allen Angeboten eine Wohnsitzverlegung notwendig, aber dazu war ich nicht bereit."

"Es hat einige Angebote gegeben, die mich gereizt haben und die ich mir vorstellen hätte können." Gerhard Berger

Frage: "Bist du nach wie vor hauptsächlich in Monaco?"
Berger: "Ich bin in Monaco zu Hause. Meine Kinder leben dort und gehen dort zur Schule. Dabei möchte ich es auch gerne belassen."

Frage: "Max Mosley hat angedeutet, dass du eigentlich vorgehabt haben sollst, ein GP2-Team aufzubauen und damit 2008 in die Formel 1 zu gehen. Stimmt das?"
Berger: "Ja, das stimmt. Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht. Wenn die Konstellation mit Red Bull nicht zustande gekommen wäre, hätte ich höchstwahrscheinlich selbst versucht, ein Team aufzubauen."

Frage: "Hättest du das aus dem Nichts aufgebaut?"
Berger: "Das war der Plan, ja - über den Weg der GP2. Bei den zukünftigen Reglements sollte das ja wieder möglich sein."

Berger steht seiner Familie jetzt näher als früher

Frage: "Was hast du eigentlich die vergangenen beiden Jahre gemacht?"
Berger: "Ich habe mehr Zeit für die Spedition aufgewendet, habe geschaut, dass dort alles wieder in die richtige Ordnung kommt und in die richtige Richtung geht. Außerdem habe ich ein paar Geschäfte gemacht, denn ich habe eigentlich schon immer in allen möglichen Bereichen gedealt. Ich habe mich auch um andere Dinge gekümmert, zum Beispiel zu Hause - einfach um alles, was in den letzten Jahren zu kurz gekommen ist und wo ein bisschen die Liebe zum Detail gefehlt hat, weil ich einfach nicht genug Zeit hatte."

"Außerdem habe ich ein paar Geschäfte gemacht, denn ich habe eigentlich schon immer in allen möglichen Bereichen gedealt." Gerhard Berger

"In erster Linie habe ich mich aber um meine Töchter gekümmert. Es war eine Zeit lang sogar so, dass meine mittlere Tochter Sarah mit der deutschen Sprache nicht zurechtgekommen ist. Sie hat mich nicht verstanden, so dass meine Frau, die Ana, die Übersetzung gemacht hat. Da ist mir aufgefallen, dass es so nicht weitergehen kann. Daher habe ich mich viel mit meiner Familie und mit meinen Kindern beschäftigt - und ich habe viel Sport betrieben, um wieder fit zu werden. Heute bin ich sehr glücklich, dass ich das gemacht habe, denn ich bin in dieser Zeit mit meinen Kindern sehr zusammengewachsen. Ich habe meine Familie mehr als je zuvor schätzen gelernt. Es war ein perfekter Zeitabschnitt."

Frage: "Wenn du sagst, dass deine Tochter nicht einmal Deutsch sprechen konnte: Wird bei euch Portugiesisch gesprochen?"
Berger: "Meine Frau ist Portugiesin, die Nanny ist Portugiesin - und als ich nicht zu Hause war, wurde logischerweise den ganzen Tag Portugiesisch gesprochen. Die Schwiegermutter ist auch noch Portugiesin. Alle 14 Tage bin dann ich einmal nach Hause gekommen - aber meistens nur für eine Stunde, um die Koffer zu packen. Daher war es wirklich höchste Zeit, das zu ändern."

Frage: "Ist deine Frau froh, dass du wieder auf Achse bist, denn es gibt viele Männer, die unausstehlich werden, wenn sie zu lange zu Hause sind?"
Berger: "Nein. Wir haben weder so noch so ein Problem. Meine Frau ist da relativ locker. Was immer ich entscheide, unterstützt sie. Sie hat kein Problem damit, wenn ich zu Hause bin, aber sie hat auch kein Problem damit, wenn ich nicht zu Hause bin."

Von Langeweile war bei Berger keine Spur...

Frage: "Am Tag der Scuderia-Toro-Rosso-Bekanntgabe saß ich mit unserem 'F1Total.com'-Experten Marc Surer hier am Hangar-7, der meinte, dir sei zu Hause garantiert langweilig geworden. Stimmt das?"
Berger: "Nein, eigentlich nicht. Mir wurde überhaupt nicht langweilig - im Gegenteil: Auf meinem Schreibtisch lagen viele interessante Projekte und ich fühlte mich sehr wohl. Aber ich habe gewusst: Wenn ich nicht bald wieder etwas im Motorsport mache, wachse ich zu weit von dem Geschäft weg - und dann tut man sich schwer, den Faden wieder in die Hand zu nehmen. So gesehen war es vom Timing her jetzt die richtige Zeit."

Ana und Gerhard Berger

Gerhard Berger hatte in den vergangenen zwei Jahren mehr Zeit für seine Frau Zoom

Frage: "Hat es dich nach 1997, nach deinem Ausstieg aus der Formel 1, jemals gereizt, wieder aktiv Rennen zu fahren?"
Berger: "Absolut! Ich weiß zwar, dass meine Formel-1-Zeit vorbei ist, aber ich bin zwei- oder dreimal zum Spaß ein Rennauto gefahren. Einmal zum Beispiel ein Paris-Dakar-Auto, einmal einen BMW GT3, einmal mit eurem Experten, dem Marc, einen Jaguar E-Type in Goodwood - und wenn man einmal Rennfahrer ist, dann ist man immer Rennfahrer! Das Schönste am Rennsport ist das Fahren, ein Auto am Limit zu bewegen."

"Aber man muss sich natürlich entscheiden, denn ab einem gewissen Alter kann man das eine oder andere nicht mehr so gut machen, und dann muss man sich überlegen, ob man in eine niedrigere Kategorie wechselt oder eine andere Herausforderung im Management sucht. Ich habe mich für das Management entschieden, was mir auch sehr viel Spaß macht. Das ist wahrscheinlich die zweitschönste Aufgabe, die man haben kann."

Frage: "War die Grand-Prix-Masters-Serie jemals ein Thema für dich?"
Berger: "Nein."

Frage: "Warum nicht?"
Berger: "Wenn die Autos aus einer Hand vorbereitet werden, riecht es schon aus der Ferne danach, dass man den anderen ausgeliefert ist. Die Fäden zieht man da nicht im Cockpit, sondern die zieht jemand anderer. Das interessiert mich überhaupt nicht."

Teil zwei des großen Interviews mit Gerhard Berger wird am Freitag auf 'F1Total.com' veröffentlicht.