Gascoyne: "Schneller als die Konkurrenz entwickeln"
Toyotas Technischer Direktor über den verpatzten Saisonstart, die Herausforderung Bahrain und das Qualifying-Format
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Mike, hat es irgendwelche Überraschungen gegeben, seit du hier bist?"
Mike Gascoyne: "Natürlich ist eine neue Strecke eine interessante Herausforderung für einen Ingenieur. Wir haben klarerweise unsere ganzen Simulationen erledigt, aber man muss die Strecke auch selbst sehen, ob man die Randsteine überfahren kann und so weiter. Wir wissen nicht genau über die Bodenwellen bescheid, daher können wir eventuell tiefer fahren als angenommen, aber das alles sehen wir nach der ersten Ausfahrt."

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Gascoyne sieht bei Toyota eine Wende zum Positiven auf sich zukommen
Frage: "Die Teams stellen sich mit den Übersetzungen genau auf verschiedene Strecken ein. Wie schwierig wäre es, das nach den ersten Fahrkilometern noch einmal zu ändern, wenn man merkt, man hat daneben gegriffen?"
Gascoyne: "Durch die Simulationen haben wir eine ungefähre Ahnung, womit wir es zu tun haben. Es ist kein Problem, wir besitzen Übersetzungen für alle Anforderungen, die Frage ist nur, wie viele nehmen wir mit? Wir ermitteln den ungefähren Bereich und bringen dann die entsprechenden Übersetzungen mit, also ist nicht mit einem bösen Erwachen zu rechnen."#w1#
Saisonstart für Toyota "ziemlich enttäuschend" verlaufen
Frage: "Wie sind die ersten beiden Rennen für euch gelaufen?"
Gascoyne: "Aus Toyota-Sicht war es ein ziemlich enttäuschender Saisonstart. Das ist aber nicht unbedingt überraschend, denn Toyota ist noch ein junges Team im erst dritten Jahr in der Formel 1. Da ist die Lernkurve noch steil. Als ich vor vier Monaten zum Team gestoßen bin, haben wir viele der Probleme, die in den ersten beiden Rennen aufgetreten sind, identifiziert, auch gleich damit begonnen, sie aus der Welt zu schaffen. Melbourne war ein schwieriges Rennen für Toyota und für die Michelin-Teams insgesamt, was die Situation sicherlich zusätzlich verschärft hat. Malaysia war ein besseres Rennen und ich bin zufrieden mit der Richtung, in die wir uns bewegen. Es wird ein Weilchen dauern, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Man muss Toyota sowieso lang- und nicht kurzfristig beurteilen. Bisher waren wir sehr zuverlässig, immer mit beiden Autos im Ziel, und wenn wir dann einige neue Teile auf die Autos schrauben und schneller werden, werden wir irgendwann Punkte sammeln und am Ende der Saison dort stehen, wo wir stehen wollten. Bei uns bewegt sich wirklich etwas weiter. Toyota ist nicht in die Formel 1 gekommen um irgendein durchschnittliches Team zu sein. So etwas kann man aber nicht über Nacht erreichen, es braucht dafür eine massive Organisation, und man darf auch nicht vergessen, dass Teams wie McLaren oder Williams ihre Organisation in 20 Jahren aufgebaut haben. Das in nur zwei Jahren zu erreichen, ist überaus schwierig. Es ist ein fließender Prozess. Ich bin aber happy, denn wir setzen die richtigen Schritte."
Frage: "Man hört immer wieder, dass man bis Imola abwarten muss, um ein klares Kräfteverhältnis zu zeichnen, weil davor noch nicht alle Teile für die neuen Autos verfügbar sind. Trifft das auch für euch zu?"
Gascoyne: "Die Situation ist bei uns so, dass es mehrere Updates in Australien und Malaysia gegeben hat, hier ein paar kleiner und dann wieder viele neue Teile für Imola. Wir machen genau das, was wir in den Bereichen, in denen wir einen Rückstand haben, machen müssen, um auf die Konkurrenz aufzuholen. Ich hoffe, dass wir uns schneller als die Konkurrenz weiterentwickeln werden, weil wir schon im Dezember viele Probleme angepackt haben, als ich zum Team gestoßen bin, und nicht erst nach dem ersten Rennen, wie es sonst immer der Fall ist. Für Imola gibt es ein neues Paket. Das wird zwar sicher nicht unsere Performance auf den Kopf stellen, aber wir haben im Laufe der Saison mehrere Schritte geplant, die uns laufend näher an die Spitzenteams heranbringen werden. Das sagen aber eigentlich alle und schlussendlich wird man sehen, wie es wirklich kommt. Niemand wird sich hierher setzen und sagen, sein Auto müsste in Imola langsamer sein als jetzt, also warten wir ab."
Rundenzeiten im niedrigen 1:30er-Bereich werden erwartet
Frage: "Was haben eure Simulationen hinsichtlich der Rundenzeiten ergeben? 1:30?"
Gascoyne: "Ich würde gerne eine 1:28 für uns vorhersagen, aber das hängt von so vielen Faktoren ab, dass man es unmöglich im Vorhinein sagen kann. Man kann zwar alle möglichen Simulationen anstellen, aber man weiß nicht, wie die Randsteine überfahren werden können und natürlich hat auch jeder Fahrer seinen eigenen Stil - jeder fährt anders. Es ist unvorhersehbar. Für die Übersetzungen ändert sich sowieso nicht viel, denn nach einer langsamen Kurve variieren die Ausgangsgeschwindigkeiten nicht stark und man hat die Länge der Geraden und kann anhand derer den Top-Speed berechnen, aber die Geschwindigkeiten in den Kurven haben großen Einfluss auf die Rundenzeit und sind schwer vorherzusehen."
Frage: "Jeder hat momentan so seine Ansichten zum Qualifying-Format. Wie sollten die Freitage und Samstage deiner Meinung nach in Zukunft gestaltet werden?"
Gascoyne: "Zunächst einmal wünsche ich mir, dass nicht ständig etwas verändert wird, denn ich glaube, dass das nicht gut für den Sport ist. Wir müssen es erst einmal richtig machen und dann feintunen. Das Problem mit dem alten System war, dass die schnellsten Autos vorne gestanden sind und die langsamsten hinten und nach dem Start wollte man Überholmanöver sehen, was bei dieser Konstellation natürlich nie im Leben haufenweise passieren wird. Daher denke ich, dass das Einzelzeitfahren mit der Rennspritmenge eine gute Lösung ist, denn auch wenn es für den Zuschauer nicht allzu spannend ist, trägt es doch viel zu einem interessanten Rennverlauf bei. Ich stimme aber auch zu, dass die Autos voll am Limit sein sollten und dass sie sich tatsächlich Fights gegeneinander liefern, zumindest auf der Uhr. Vielleicht könnte man eine normale Session wie früher machen und die Top 10 dann in einem Zeitfahren gegeneinander antreten lassen? Am wichtigsten ist jetzt aber, dass wir eine Lösung finden, die von den Teamchefs und Ingenieuren genau durchdacht wird. Die Zuschauer müssen wir im Endeffekt bei Laune halten, das Fernsehen und den Sport als Ganzes, also müssen wir vor weiteren Änderungen wirklich gut nachdenken."
Frage: "Noch einmal zurück zu den Übersetzungen. Wie würdet ihr darauf reagieren, wenn die mitgebrachten Gänge zu kurz übersetzt sein sollten?"
Gascoyne: "Das ist sehr unwahrscheinlich. Alle Autos haben untere und obere Drehzahlbegrenzer, man kann das Ding also eigentlich gar nicht überdrehen. Probleme können sich eher mit dem Reglement ergeben, wenn beispielsweise zwischen Qualifying und Rennen der Wind dreht und du plötzlich Rückenwind hast und viel schneller wirst, aber nichts mehr ändern darfst. Früher hätte man eben den Flügel umgestellt, aber das ist ja auch nicht mehr erlaubt. Von daher werden wir dazu neigen, eine Konfiguration zu fahren, bei der nichts schief gehen kann."

