• 12.03.2017 14:02

  • von Roman Wittemeier

FW08B: Das sechsrädrige Williams-Missverständnis

Die "Wilden Achtziger" in der Formel 1 und das letzte Experiment auf sechs Rädern: Williams FW08B scheitert an überraschenden Details im Regelwerk

(Motorsport-Total.com) - Vor dem Hintergrund der erheblich veränderten Regeln zur Formel-1-Saison 2017 war die Spannung vor der Präsentation der neuen Fahrzeuge riesig. Wer zaubert trickreiche Lösungen aus dem Hut? Hat vielleicht Stardesigner Adrian Newey einen radikalen Red-Bull-Ansatz gefunden? Am Ende mussten all diese Fragen (bislang) mit einem klaren Nein beantwortet werden. Die Heckfinnen mögen sich unterscheiden, die T-Flügel sind gewöhnungsbedürftig - die große Revolution blieb allerdings aus.

Titel-Bild zur News: Williams FW07D

Williams experimentierte Anfang der 1980er-Jahre mit sechs Rädern Zoom

In den 1970er- und 1980er-Jahren war die Formel-1-Welt diesbezüglich ganz anders aufgestellt. Brabham stattete sein Ground-Effect-Monster BT46B mal eben mit einem großen Ventilator am Heck aus, Tyrrell ließ den legendären P34 mit sechs Rädern über den Asphalt hetzen. Die meisten kuriosen Ansätze wurden nach wenigen Grand-Prix-Einsätzen entweder wegen Erfolglosigkeit eingemottet, oder aber von den Regelhütern der FIA verbannt.

Etwas anders ist die Geschichte des Williams FW08B, dem letzten sechsrädrigen Fahrzeug für die Formel 1. Das britische Team hatte 1981 mit dem FW07C den Konstrukteurstitel gewonnen, die Piloten Carlos Reutemann und Alan Jones unterlagen im Titelkampf knapp gegen Nelson Piquet. Sportlich war die Mannschaft aus Grove bestens aufgestellt. Man hatte kluge Köpfe an Bord, denen jederzeit auch wildere Experimente gestattet wurden.

Vier Antriebsräder: Frank Williams wusste nichts...

Vor diesem Hintergrund entstand am Ende des Jahres 1981 der FW07D - ein Williams mit sechs Rädern. Im Gegensatz zum Tyrrell P34 wählte man ein Konzept mit zwei Antriebsachsen am Heck und einer normalen Lenkachse an der Front. Alan Jones testete das ungewöhnliche Gefährt in Donington und hob seinen Daumen: Experiment geglückt. Dies war die Grundlage für den FW08B, der im Folgejahr als sechsrädriges Mobil die Königsklasse hätte aufmischen sollen.

1982 gab es zwar die große Party im Hause Williams, weil Keke Rosberg zum WM-Triumph fahren konnte, mit dem FW08B hatte dieser Erfolg jedoch gar nichts zu tun. Das Projekt scheiterte kurz vor der Umsetzung an einem ungewöhnlichen Missverständnis. "Unser Auto war nicht verboten, weil es mit sechs Rädern ausgestattet war. Es wurde verbannt, weil es vier angetriebene Räder gab", erklärt der ehemalige Williams-Chefingenieur Frank Dernie im 'Motor Sport Magazine'.

March 1977

Vorbild für die Versuche bei Williams: Der March aus dem Jahr 1977 Zoom

"Bei einem FOCA-Meeting hatten sich die Teams und die Regelhüter darauf verständigt, aber Frank Williams hatte damals nicht realisiert, dass unser Auto ein Four-Wheel-Drive-Fahrzeug war", so der britische Techniker. "Als uns Frank in einer Mittagspause beim Sandwich davon erzählte, habe ich Patrick Head (ehemaliger Technikchef und Teilhaber von Williams; Anm. d. Red.) so wütend gesehen wie nie zuvor." Das Projekt war gestorben, weil der Teamchef die Details des Autos nicht kannte - und in eine FOCA-Falle tappte.

Grundidee stammte von Robin Herd und March

"Das Auto wäre auf jeden Fall extrem schnell gewesen", ist Dernie bis heute vom damaligen Sechsrad-Williams überzeugt. Versuche mit einem 1:4-Modell im Windkanal hatte gezeigt, dass der Luftwiderstands-Beiwert des FW08B um Welten bessere gewesen wäre als jener des FW08, mit dem Rosberg schließlich den Titel holte. Der Vorteil des wilden Mobils: Aufgrund der Länge konnten die Seitenkästen so schmal gestaltet werden, dass sie bis weit nach hinten reichten. Die erhöhte den Ground-Effekt merklich.

"So etwas hätte man mit einem normalen Auto mit vier Rädern niemals machen können, denn dann enden die Abschlusskanten des Unterboden schon vor den Hinterrädern", erklärt Dernie. "Das Auto war extrem", berichtet Jonathan Palmer, der den FW08B, der trotzdem gebaut worden war, im Oktober 1982 in Silverstone testen durfte. "Man konnte ruhig mal mehr rutschen. Wenn ein Rad Haftung verlor, dann waren da am Heck ja noch drei andere", lacht der Vater vom heutigen Renault-Werksfahrer Jolyon Palmer.


Der sechsrädrige Williams in Goodwood

"Das Auto wäre dominant gewesen", ist sich der ehemalige March-Designer Robin Herd sicher. Der Brite hatte mit seinem Ex-Team bereits 1977 an einem ganz ähnlichen Konzept gearbeitet. "40 Prozent des Luftwiderstands kam damals von den großen Hinterrädern. Mit zwei Achsen am Heck konnten wir die Räder einfach schmaler machen. Auf den Geraden unfassbar schnell und dazu noch ordentlich Traktion", sagt Herd. Das March-Projekt scheiterte damals an den zu hohen Kosten.