• 27.10.2012 18:48

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Früher an später denken: Mercedes holt Schwung für 2013

Was du 2012 testen kannst, bringt dich 2013 voran: Wie Mercedes die letzten Saisonrennen zur Entwicklung nutzt, was man sich davon verspricht

(Motorsport-Total.com) - "Wir haben nichts davon, Achter, Siebter oder Fünfter zu werden. Wir wollen gewinnen." So beschreibt Nico Rosberg den Weg, den das Mercedes-Werksteam eingeschlagen hat. Denn der Rennstall um Teamchef Ross Brawn befindet sich bereits mitten in den Vorbereitungen für 2013. Und was noch in diesem Jahr an Erkenntnissen gesammelt werden kann, kommt dem Team in der Zukunft zugute.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher und Mercedes nutzen das Saisonfinale zu Testzwecken Zoom

Zumindest in der Theorie, die man sich im Lager der Silberpfeile zurechtgelegt hat. Nicht einzelne Ergebnisse stehen deshalb im Vordergrund, sondern vielmehr das große Gesamtbild. Das nach dem Qualifying in Indien nicht besonders gut aussieht: Rosberg startet als Zehnter, ohne in Q3 eine schnelle Runde gedreht zu haben, Michael Schumacher nimmt das Rennen nur von Rang 14 auf.

Und trotzdem zeigt sich Teamchef Brawn nicht unzufrieden mit dem Abschneiden von Mercedes: "Es ist uns gelungen, das Auto an diesem Wochenende zu optimieren. Und wir hoffen auf ein besseres Rennen als zuletzt. In den vergangenen Grands Prix hatten wir nicht immer die Chance, zu zeigen, was wir leisten können. Am Sonntag dürfte es aber besser aussehen", meint der Formel-1-Routinier.

Rosberg teilt die Meinung seines Teamchefs. Ja, man habe Fortschritte gemacht - "vor allem im Qualifying", wie der junge Deutsche betont. "Was den Sonntag angeht, bin ich mir nicht sicher. Bisher war es aber ein positives Wochenende und ein Schritt in die richtige Richtung." Ob dies schon als Trend zu werten ist? Schumacher gibt sich vorsichtig, was eine Steigerung bei Silber anbelangt.

Wie geht es voran? Abwarten!

"Ich weiß noch nicht, ob uns weitere Fortschritte gelingen werden", sagt der Rekordchampion nach dem Zeittraining auf dem Buddh International Circuit. "Da müssen wir einfach abwarten. Hinzu kommt natürlich, dass ein Auto manchmal einfach besser zu einer Strecke passt." Eine Steigerung sei also nur langfristig erkennbar und nicht unbedingt an nur einem einzigen Rennwochenende festzumachen.

Für Schumacher ist es dabei aber egal, dass er schon recht kurzfristig - in rund einem Monat - nicht mehr mit von der Partie sein wird. "Für mich ist es selbstverständlich, im Team weiterzuarbeiten, als wäre ich 2013 noch da. Und das bis zum letzten Moment", meint der Mercedes-Fahrer, der seine lange Formel-1-Karriere beim Großen Preis von Brasilien in Sao Paulo endgültig beenden wird.

Bis dahin wolle er gemeinsam mit dem Team noch einmal Vollgas geben. "Ich denke, das ist völlig normal", sagt Schumacher. "Das Team ist ja auch daran interessiert, meine Expertise und meine Meinung zu nutzen." Denn die Devise lautet: Früher an später denken. Rosberg erklärt: "Wir denken derzeit natürlich schon intensiv an das kommende Jahr. Wir tun alles, um 2013 gut dazustehen."

2013 spielt schon jetzt eine große Rolle

Eine Qualifikation wie in Indien spielt da offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Achter, Siebter oder Fünfter. Der Sieg sei das Ziel, wie Rosberg betont. "Dieses Jahr wird das aber nicht mehr möglich sein. Daher konzentrieren wir uns bei allem, was wir derzeit machen, auf das nächste Jahr. Wir wollen möglichst viel lernen und ein paar positive Ansätze finden, ein paar gute Ergebnisse erzielen."

"Wir wollen mit einem guten Schwung in den Winter. Und dann geht es natürlich um das neue Auto. Wir wollen 2013 gut durchstarten", meint der Mercedes-Fahrer. Auf technischer Seite hat das neue Rennjahr jedenfalls schon begonnen: Silber experimentierte am Freitag mit einem modifizierten Heckflügel-System, das laut Mercedes-Teamchef Brawn bereits "ein Programm für 2013" darstellt.

Lewis Hamilton

McLaren-Pilot Lewis Hamilton schlüpft 2013 in einen Silberpfeil-Rennoverall Zoom

"Es ist ziemlich schwierig, damit einen Leistungszugewinn zu erzielen. Derzeit erhalten wir neutrale Ergebnisse, doch wir bleiben da am Ball. Ob wir es auch einmal im Rennen ausprobieren, weil ich nicht", erklärt der Brite. Die gesammelten Daten gäben jedoch Aufschluss darüber, was man im kommenden Jahr zu tun und was zu lassen habe - genau wie bei der Auspuff-Anlage des Autos.

Neue Ansätze durch neue Teile

Die jüngsten Neuerungen hätten Mercedes ganz neue Möglichkeiten aufgezeigt, sagt Brawn. "Du weißt halt nie genau, was das Potenzial einer solchen Vorrichtung ist. Du siehst dir die Zahlen an, steckst viel Arbeit hinein. Und das alles für kleine Zugewinne. Du erkennst aber auch neue Ansätze. Manche davon werden wir nur am neuen Auto umsetzen können", sagt der Mercedes-Teamchef.

"Hoffentlich sind wir da noch in einem steilen Abschnitt der Lernkurve. In den vergangenen Monaten haben aber viele Fahrzeuge gerade in diesem Bereich große Fortschritte gemacht", meint Brawn und merkt an: "Wir haben hier unsere zweite Ausbaustufe am Start. Noch vor dem Ende des Jahres werden wir sicher ein komplett überholtes System haben, das dann 2013 an den Start gehen wird."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Indien


Dann aber nicht mehr mit Schumacher, sondern mit Hamilton, der von McLaren zu Mercedes wechselt. "Lewis' Vertrag läuft zum Jahresende aus. Dann kann er damit beginnen, mit uns zu arbeiten. Bevor wir testen, können wir aber schon einiges erledigen. Da insgesamt nur drei Wintertests vorgesehen sind, ist es wichtig, dass wir alle Gelegenheiten wahrnehmen", meint Brawn.

Aufbruchsstimmung bei den Silberpfeilen

Sein Rennstall sei auf Kurs, was die Vorbereitungen für 2013 und die ersten Testfahrten angehe. Und wie Mercedes-Sportchef Norbert Haug betont, tue man hinter den Kulissen alles, um eine positive Atmosphäre samt Aufbruchsstimmung zu schaffen: "Das Beste ist, den Fahrern ein gutes Auto hinzustellen, denke ich. Wir arbeiten hart daran und haben eine sehr konstruktive Atmosphäre."

"Es ist einfach wichtig, die passende Umgebung für die Piloten zu schaffen. Die Fahrer sind sehr konzentriert und mental stark. Das müssen sie aber auch sein, um in einem Rennwagen ihre Leistung zu erbringen", meint der Deutsche, der auch 2012 Gutes abgewinnt. "In schwierigen Zeiten lernt man, wie man zusammenstehen muss. Die Führungsetage muss da mit gutem Beispiel vorangehen."

"Das heißt, du solltest konstruktive Kritik üben und wissen, dass der Fahrer die Kernfigur im Team ist. Alle Techniker und Mechaniker arbeiten, um das Auto auf den Punkt zu bringen, doch letztendlich ist es der Fahrer, der im Auto die Entscheidungen trifft. Dieses Gefühl muss der Fahrer haben", sagt Haug. "Er muss spüren, sich in der richtigen Umgebung zu befinden. Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor."