Frank Williams im 'F1Total.com'-Interview (Teil 2)

Williams erklärt, warum sein Team auf die Siegerstrasse zurückkehren muss, und er spricht über Rosberg, Heidfeld, Webber und Pizzonia

(Motorsport-Total.com) - "Rollstuhlgeneral" Frank Williams hat 1997 mit Jacques Villeneuve seinen bisher letzten WM-Titel geholt, und auch der letzte Grand-Prix-Sieg liegt schon 376 Tage zurück. 2006 will der letzte echte Privatier der Formel 1 mit Cosworth-Motoren neu durchstarten, doch der Kampf gegen die übermächtigen Automobilhersteller wird eher schwieriger denn einfacher.

Titel-Bild zur News: Frank Williams

Frank Williams möchte 2006 unter den besten Drei der Konstrukteurs-WM landen

Große Hoffnungen setzt der 63-Jährige in Youngster Nico Rosberg, der diese Woche offiziell als Stammpilot für die bevorstehende Saison bestätigt wurde. Gleichzeitig weiß Williams aber, dass der Tag kommen wird, an dem er und sein 30-Prozent-Partner Patrick Head das Team in jüngere Hände übergeben müssen. Darüber und über zahlreiche weitere interessante Themen sprach der Brite vor der Rosberg-Bekanntgabe im Interview mit 'F1Total.com'.#w1#

Williams weiß, dass sein Team wieder gewinnen muss

Frage: "Herr Williams, 2006 wird mit Sicherheit ein entscheidendes Jahr für Williams. Stimmen Sie zu, dass Sie wieder auf die Siegerstraße zurückkehren müssen, um in der Formel 1 eine ernst genommene Kraft zu bleiben?"
Frank Williams: "Absolut richtig. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, die zuletzt sehr stark reduziert wurde. Wir müssen sie wieder aufpolieren."

Frage: "Jenson Button wird nicht für Sie fahren, obwohl er einen gültigen Vertrag unterschrieben hat. Immerhin hilft das aber finanziell über den Verlust von tragenden Partnern wie BMW und 'HP' hinweg, nicht wahr?"
Williams: "Natürlich bringt uns das ein wenig Geld, aber ich würde nie die beiden Partnerschaften von BMW und 'HP' miteinander vergleichen. Wir sehen uns auf dem Markt um und werden auf jeden Fall ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um nächstes Jahr zu den guten Teams zu gehören."

Frage: "Wird es nach 'HP' einen neuen Hauptsponsor geben?"
Williams: "Es ist noch zu früh, um das zu beantworten."

Frage: "Mir ist klar, dass Sie nicht über Details der Affäre um Jenson Button sprechen werden, aber die Annahme, dass er in den nächsten drei bis vier Jahren zu Ihrem Budget beitragen wird, ist doch richtig, oder?"
Williams: "Ich kann dazu keinen Kommentar abgeben."

Button ja, aber nicht um jeden Preis...

"Wenn Jenson gekommen wäre und gesagt hätte 'Hier bin ich!', hätte uns das große Freude bereitet." Frank Williams

Frage: "Hätten es überhaupt Sinn gemacht, einen Fahrer, der um jeden Preis für ein anderes Team fahren will, zu holen?"
Williams: "Wenn Jenson gekommen wäre und gesagt hätte 'Hier bin ich!', hätte uns das große Freude bereitet. Das wäre unsere bevorzugte Variante gewesen."

Frage: "Ich weiß, dass Sie von Jenson Button immer eine sehr hohe Meinung hatten. Nun hat sein Ansehen unter dieser Affäre aber doch sehr gelitten. Hat sich Ihre Meinung dadurch geändert?"
Williams: "Ich kümmere mich nicht um das Image, aber Tatsache ist, dass er ein extrem guter Rennfahrer ist. Wahrscheinlich wird er schon bald mehrere Siege feiern - leider nicht in unserem Auto. Ich hoffe, dass er nicht in einem Honda-Auto gewinnen wird, aber das ist nur eine persönliche Angelegenheit. Er ist ein außergewöhnlicher Fahrer, sehr feinfühlig - und er weiß, wie er mit seinem Material umgehen muss."

Frage: "Williams, Cosworth und Button sind sehr britische Namen in der Formel 1. Kann man daraus schließen, dass Sie einen Richtungswechsel vollziehen wollten, hin zu einer britischen Marketingstrategie?"
Williams: "Das hat alles nur mit Umständen zu tun. Wir hätten lieber mit BMW weitergemacht, wenn diese Option verfügbar gewesen wäre. Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) und Alonso konnten wir nicht bekommen, weil sie an ihre derzeitigen Teams gebunden sind, aber Jenson wurde verfügbar. Also haben wir diesen Weg eingeschlagen. Leider hat es am Ende nicht geklappt. So ist das Leben."

Die Fahrer waren 2005 am allerwenigsten schuld

Nick Heidfeld

Nick Heidfeld war aus Williams-Sicht die positive Überraschung des Jahres 2005 Zoom

Frage: "Wenn wir schon von den Fahrern sprechen: Kann man die Saison 2005 so zusammenfassen, dass Nick Heidfeld positiv überrascht hat, während Mark Webber etwas unter den Erwartungen geblieben ist?"
Williams: "Nick hat zweifellos einen guten Job gemacht. Was Mark betrifft, war die erste Saisonhälfte sicher eine Enttäuschung, aber gegen Ende der Saison wurde er definitiv zu einem stärkeren Rennfahrer. Er hat einige exzellente Rennen gezeigt."

Frage: "Antonio Pizzonia hat in den letzten paar Rennen nicht so gut abgeschnitten, wie man es von ihm erwartet hätte, nicht wahr?"
Williams: "Es stimmt, dass seine Leistungen eine Enttäuschung waren, aber auch eine Überraschung im negativen Sinn. Als er 2004 einige Rennen bestreiten durfte, wurde er von Rennen zu Rennen stärker und besser."

Frage: "Was ist sein Problem? Bei den Testfahrten macht er immer einen wunderbaren Job, aber im Rennen scheint er es nicht auf die Reihe zu bekommen..."
Williams: "2004 war das nicht so. Er hat bei den Testfahrten hervorragende Arbeit geleistet, und wie gesagt wurde er auch bei seinen Renneinsätzen immer besser. Dann musste er 2005 für Nick Platz machen - und danach kam er nie wieder auf dasselbe Niveau wie 2004."

Neuauflage von Williams' Rosberg-Connection mit Nico

Frage: "1982 wurde Keke Rosberg auf Williams-Cosworth Weltmeister. Jetzt, fast ein Vierteljahrhundert danach, haben Sie wieder einen Rosberg, Nico, im Team. Halten Sie ihn für einen zukünftigen Weltmeister?"
Williams: "Das kann man jetzt noch nicht sagen. Er verfügt jedenfalls über ein Potenzial, das uns sehr interessiert. Er ist sehr reif für sein Alter und hat in der GP2 tadellose Leistungen erbracht. Er hat sich eine Chance verdient."

Frage: "Auch für die Marketingleute ist er sicher interessant, weil er mehrere Sprachen spricht - und er gilt als ein recht intelligenter Bursche. Stimmen Sie mir da zu?"
Williams: "Das sind sehr nützliche Dinge, aber das mit deutlichem Abstand nützlichste Marketinginstrument ist ein Siegerauto. Die Sponsoren sind schließlich da, weil sie wahrgenommen werden wollen."

Wechsel zu Bridgestone ist nicht finanziell motiviert

Frage: "Viele sind noch immer erstaunt, dass Sie den Reifenhersteller wechseln - nicht so sehr wegen der reinen Performance, sondern auch wegen Ihrer bekannt guten Beziehung zu Michelin und deren Sportchef Pierre Dupasquier. Was steckt hinter diesem Wechsel?"
Williams: "Uns gefällt die Kompaktheit der Bridgestone-Operation, denn es hat in der vergangenen Saison sieben Michelin-Teams gegeben. Da sind wir in der Menge fast untergegangen. Jetzt gehören wir einer kleineren und beweglicheren Gruppe an. Es gab auch noch andere Gründe, über die ich aber nicht sprechen möchte. Nur eines kann ich versichern: Finanzielle Aspekte haben keine Rolle gespielt. Michelin hat uns immer sehr gut behandelt, und die Unterschiede in den beiden Angeboten waren kaum nennenswert. Wir sind einfach der Meinung, dass wir langfristig mit Bridgestone eine bessere Perspektive haben."

Frage: "Meinen Sie damit die Aussicht auf die Einführung eines Reifenmonopols in absehbarer Zukunft?"
Williams: "Kein Kommentar."

Frage: "Als Michelin in den Grand-Prix-Sport zurückgekehrt ist, waren Sie eines der ersten Teams. War das ein Vorteil?"
Williams: "Wir waren ihr erstes Team, um genau zu sein. Um die Frage zu beantworten: Im ersten Jahr war es eher kein Vorteil, aber wir sind dieses Risiko bewusst eingegangen. Ab 2002 hat sich diese Entscheidung dann bezahlt gemacht."

Williams möchte wieder eines der drei besten Teams werden

Frage: "Ich möchte noch zwei kurze Fragen stellen. Erstens: Was wäre 2006 ein zufrieden stellendes Abschneiden für Williams-Cosworth?"
Williams: "Ein Platz unter den besten Drei in der Konstrukteurs-WM."

Frage: "Und dann noch eine persönliche Frage: Sie sind 63 Jahre alt. Wie lange können Sie sich vorstellen, diesen Job noch auszuüben, und was wäre ein Idealszenario für das Team am Tag nach der Ära Sir Frank Williams?"
Williams: "Ein angemessener Nachfolgeplan wird derzeit innerhalb von Williams in die Wege geleitet. Die ersten Schritte wurden schon 2003 eingeleitet, als wir eine so genannte 'Senior Management Group' aus jungen Leuten geschaffen haben. Neben Patrick und mir setzt sich der Vorstand aus diesen Leuten zusammen."

Frage: "Ihre Absicht ist es also nicht, das Team wie Peter Sauber zu verkaufen, sondern Sie möchten eine interne Lösung finden. Sehe ich das richtig?"
Williams: "Nicht unbedingt. Es ist eine Frage, wem das Team gehört, aber eine andere, wer sich um das Tagesgeschäft kümmert und dafür sorgt, dass es ein Siegerteam bleibt. Darum werden sich die Leute aus der 'Senior Management Group' kümmern."

Frage: "Könnten in diesen Überlegungen auch Ihr Sohn oder Ihre Tochter eine Rolle spielen?"
Williams: "Dafür ist die ganze Sache zu komplex. Ich denke nicht, dass das zur Debatte stehen wird. Patrick und ich sind uns aber dessen bewusst, dass wir eines Tages für jüngere und möglicherweise auch bessere Leute Platz machen müssen. Das wünschen wir uns sogar, und wir tun auch etwas dafür. Wir würden dafür sterben, dass es dem Team ohne uns mindestens so gut wie bisher - oder sogar noch besser - gehen wird."

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!