Frank Williams im 'F1Total.com'-Interview (Teil 1)

Über den neuen FIA-Flügel, die enttäuschende Partnerschaft mit BMW und die Zukunft mit Cosworth: Frank Williams sagt, was er denkt...

(Motorsport-Total.com) - Es ist schon ein Erlebnis, mit Frank Williams zu sprechen: Aufgrund seiner glorreichen Vergangenheit, seiner beruhigenden Stimme und seines Lebens im Rollstuhl - seit einem Autounfall in Südfrankreich 1986 ist er querschnittgelähmt - ist der 63-Jährige so etwas wie der letzte Mythos in der Formel 1. Im Interview mit 'F1Total.com' präsentierte er sich jedoch keineswegs unnahbar, sondern höflich wie ein britischer Gentleman, ohne allerdings die faszinierende Aura einzubüßen, die ihn umgibt.

Titel-Bild zur News: Frank Williams

Frank Williams ist mit seinen 63 Jahren derzeit der älteste Teamchef der Formel 1

Das Gespräch, das wir heute und morgen in zwei Teilen auf 'F1Total.com' veröffentlichen werden, drehte sich unter anderem über den unkonventionellen CDG-Heckflügel, den die FIA für mehr Überholmanöver vorgeschlagen hat, mögliche Nachfolger von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, die gescheiterte Partnerschaft mit BMW und den Aufbruch in eine neue Zukunft mit dem unabhängigen Motorenlieferanten Cosworth.#w1#

Williams weiß, dass die Lage ernst ist, gibt aber nicht auf

Williams ließ in dem vergangene Woche geführten Interview zwischen den Zeilen durchblicken, dass 2006 eher ein Übergangsjahr als ein vorgezogener Neustart in eine Erfolgsära werden soll, dennoch wirkte er keineswegs entmutigt oder gar lustlos. Im Gegenteil: Weil er weiß, dass seine Zeit als Teamchef angesichts seines Alters bereits ein Ablaufdatum hat, möchte er sein Lebenswerk zurück auf die Siegerstraße bringen, um es eines Tages gesund an einen Nachfolger übergeben zu können.

Frage: "Herr Williams, als ich das von der FIA vorgeschlagene neue Heckflügelkonzept zum ersten Mal gesehen habe, war ich doch sehr überrascht. Es sieht ziemlich eigenartig aus, nicht wahr?"
Frank Williams: "Gut, es ist auch eigenartig. Als ich es zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: Wow, was in aller Welt soll das sein? Wenn es aber Überholmanöver wirklich einfacher macht und das Racing verbessert, dann ist es gut für die Formel 1."

"Unsere Ingenieure müssen erst noch ihre eigenen Kalkulationen anstellen, denn dafür war die Zeit, seit Max (Mosley; Anm. d. Red.) das Konzept vor ein paar Tagen allen Teams gezeigt hat, natürlich zu knapp. In den nächsten Tagen sollte das aber möglich sein. Williams ist prinzipiell bereit, dieses Konzept zu unterstützen. Wir werden es jedenfalls im Windkanal und im nächsten Jahr dann auch auf der Strecke auf Herz und Nieren testen. Das bedeutet natürlich einen zusätzlichen Arbeitsaufwand, aber wir müssen und werden uns damit beschäftigen."

Erste Präsentation des CDG-Heckflügels bereits in Shanghai

Frage: "Für uns Journalisten kam dieses Heckflügelkonzept sehr überraschend. Seit wann wissen die Teams Bescheid?"
Williams: "In China hatte Max einige Dokumente und Zeichnungen bei sich, die er einigen Teams - unseres eingeschlossen - zeigte. Wir haben uns kurz darüber unterhalten. Es war schon eine ziemliche Überraschung, aber andererseits war auch absehbar, dass etwas in diese Richtung als Vorschlag kommen würde."

Frage: "Was sagt Ihnen Ihr Gefühl: Werden wir diese Heckflügel 2007 tatsächlich in der Formel 1 sehen?"
Williams: "Es geht um mehr als nur das, zum Beispiel auch die breiteren Reifen mit weniger Haftung. Ich muss aber betonen, dass wir schon tief in der Entwicklung der neuen Autos stecken, insofern ist es schwierig, die Aufmerksamkeit der Designer und Ingenieure gerade jetzt auf dieses neue Konzept zu leiten. Es wird sicher bis Februar oder März dauern, denke ich, aber dann werden wir sehen, wie es funktioniert."

Frage: "Hatten Sie derart radikale Vorschläge für mehr Überholmanöver in der Formel 1 erwartet?"
Williams: "Es waren schon seit einiger Zeit ein paar recht unkonventionelle Ideen auf dem Tisch, also ja."

Frage: "Was halten Sie vom neuen Qualifikationsformat? Läuft man nicht wieder Gefahr, dass es die Zuschauer am Ende nicht verstehen könnten, weil es zu kompliziert ist?"
Williams: "Das denke ich nicht. Wir wollen es so gut wie möglich zum Funktionieren bringen."

Zum Geburtstag hat Williams Ecclestone eine Karte geschickt

Frage: "Bernie Ecclestone hatte kürzlich seinen 75. Geburtstag. Haben Sie ihn angerufen oder ihm eine Karte geschickt?"
Williams: "Ich habe ihm eine Karte geschickt."

Frage: "Sehen Sie eine Alternative zu Bernie Ecclestone an der Spitze des Grand-Prix-Sports? Immerhin würde ein Normalsterblicher mit 75 wahrscheinlich langsam an den Ruhestand denken..."
Williams: "Es ist noch niemand in Sicht. Ich denke, dass eine Kombination aus Ron (Dennis; Anm. d. Red.) und Flavio (Briatore; Anm. d. Red.) sehr gut wäre."

"Ob sie daran interessiert wären oder ob das auch in der Praxis Sinn machen würde, ist eine andere Frage, aber die beiden sind jedenfalls sehr intelligent, und Ron hat hervorragende Qualitäten im administrativen Bereich. Flavio ist ein ausgezeichneter Marketingmann, eine sehr charismatische Persönlichkeit. Ich finde, dass dieses Duo für die Zukunft der Formel 1 bestens geeignet wäre."

Frage: "Seit der Trennung von BMW steht Williams auch den Plänen der Automobilhersteller nicht mehr allzu nahe. Man könnte sagen, dass Sie sich irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Seiten befinden. Wie würden Sie selbst Ihre Position beschreiben?"
Williams: "Ich verbringe nicht viel Zeit damit, mir den Kopf darüber zu brechen, wo wir stehen oder wie wir aussehen. Ich glaube, dass langsam die Endphase beginnt. Alle realisieren, dass uns die Zeit davonläuft. Es gibt einen generellen Trend, eine Lösung erreichen zu wollen - und das betrifft alle Parteien: die FIA, die Banken und die Hersteller."

Frage: "Mit Lösung meinen Sie, dass die Formel 1 in ihrer derzeitigen Form weiter bestehen wird, nicht als Herstellerserie, richtig?"
Williams: "Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Es ist schwierig, dazu einen seriösen Kommentar abzugeben."

Partnerschaft mit BMW funktionierte in den ersten Jahren optimal

Ralf Schumacher

Imola 2001: "Schumi II" beschert Frank Williams den ersten Sieg mit BMW Zoom

Frage: "Die Partnerschaft mit BMW ist offiziell beendet - und das letzte Jahr ist nicht so erfolgreich wie erhofft verlaufen. Wie fällt Ihre Bilanz über die Zusammenarbeit zwischen Williams und BMW aus?"
Williams: "Wir sind enttäuscht - und das wirft kein gutes Licht auf uns. Aber es war eine schwierige Partnerschaft mit sehr unterschiedlichen Kulturen - jedenfalls unterschiedlicher, als ich es erwartet hätte. Ich denke, dass es einen Mangel an Flexibilität auf beiden Seiten gegeben hat, aber auch einige gute Resultate. Vor allem in den ersten Jahren - 2001, 2002 und 2003 - waren wir hinter dem dominierenden Rennstall Ferrari das nächstbeste Team. Erst 2004 und 2005 konnten wir die Erwartungen nicht mehr erfüllen."

Frage: "Wenn ich BMW die Frage stellen würde, warum die Partnerschaft letztendlich nicht so erfolgreich verlaufen ist wie erhofft, würde mir Mario Theissen als Grund nennen, dass es zwischen den beiden Partnern keine durchgängige Integration gegeben hat. Jetzt frage ich Sie, warum die Partnerschaft Ihrer Meinung nach nicht erfolgreicher war. Warum hat es mit BMW nicht funktioniert?"
Williams: "Die Kulturen waren einfach zu unterschiedlich, was den Integrationsprozess zu schwierig gestaltet hat. Die Integration wurde operativ eigentlich nie richtig umgesetzt."

Frage: "Kam Ihnen in all den Jahren nie der Gedanke, das Team an BMW zu verkaufen?"
Williams: "Zumindest nicht ernsthaft, nein."

Einschätzung des Motors von BMW fällt Williams schwer

Frage: "Stimmen Sie zu, dass in den meisten Jahren der Partnerschaft der Motor von BMW der stärkste oder einer der stärksten im Feld war?"
Williams: "Er war 2001 und 2002 sicher sehr konkurrenzfähig, vielleicht auch noch 2003. Sie müssen aber verstehen, dass es mir als Nicht-Ingenieur sehr schwer fällt, klare Statements über technische Spezifikationen abzugeben. Technische Resultate hängen immer von mehreren Faktoren ab. Das erfordert Mengenberechnungen und Daten. Es ist einfach, subjektiv zu sein, aber wenn man subjektiv ist, macht man Fehler. Daher kann ich die Frage nicht wirklich beantworten."

Frage: "BMW zieht nun weiter, hat mit Sauber ein Team komplett übernommen. Im Moment ist Sauber aber kein Topteam. Trauen Sie BMW dennoch Erfolg zu?"
Williams: "Das stimmt. Alles wird von der Vorgehensweise von BMW abhängen und von den Leuten. Ich sehe keinen Grund, weshalb sie nicht zu einem Topteam werden sollten."

Frage: "Ist Mario Theissen Ihrer Meinung nach der richtige Mann für den Teamchefposten?"
Williams: "Er ist inzwischen sehr, sehr erfahren, was die Formel 1 angeht - mit Abstand der erfahrenste Mann bei BMW."

"Cosworth ist eine sehr starke Firma, geprägt von einem bemerkenswerten Antrieb im Ingenieurswesen." Frank Williams

Frage: "Sie wechseln zu Cosworth, genau wie Williams ein werksunabhängiges Unternehmen. Cosworth hat V8-Erfahrung, wenn auch aus einer ganz anderen Ära. Wird diese Erfahrung helfen?"
Williams: "Es wird ihnen sicherlich helfen, ihnen außerdem Selbstvertrauen geben und Wissen, auf das sie aufbauen können. 1994 haben sie für Benetton zum letzten Mal einen siegreichen V8-Motor gebaut. Cosworth ist eine sehr starke Firma, geprägt von einem bemerkenswerten Antrieb im Ingenieurswesen. Sie haben die Möglichkeiten, erfolgreich zu sein, und ich traue ihnen im ersten Jahr eine gute Leistung zu."

Gute Cosworth-Leistungsdaten als Kundenwerbung zu verstehen?

Frage: "Patrick Head hat gesagt, dass er V8-Angebote von Cosworth und BMW gesehen hat, aber dass der Motor von Cosworth die viel versprechendere Variante war. Würden Sie dem zustimmen?"
Williams: "Ich habe diese Angebote gesehen. Man darf nicht darauf vergessen, dass Cosworth ein Geschäft machen muss. Sie sind ein Ingenieursunternehmen. Ja, es war ein ermutigendes Angebot, aber andererseits wäre für uns auch gar kein anderer Motor zum Kauf zur Verfügung gestanden. Wir hatten sehr viel Glück, diese Option wahrnehmen zu können."

Frage: "Williams hatte immer sehr schwierige Jahre mit privat finanzierten Motorenlieferanten - ich denke da zum Beispiel an 1988 mit Judd oder an 1998/99 mit Mecachrome beziehungsweise Supertec. Die Situation mit Cosworth ist ähnlich. Woraus schöpfen Sie Zuversicht?"
Williams: "Man kann die Situationen nicht wirklich miteinander vergleichen. Der Mecachrome-Motor war ein Notfallangebot von Renault, um ihren früheren Teams zu helfen. Es stand aber überhaupt keine Weiterentwicklung dahinter. Das war bei Judd nicht anders. Cosworth ist hingegen eine selbstständige Organisation, die siegen muss, um langfristig im Geschäft zu bleiben."

Frage: "Sie haben nur einen Einjahresvertrag mit Cosworth abgeschlossen. Werden Sie danach einige alte Freunde in Japan besuchen?"
Williams: "Kein Kommentar."

Teil zwei des Interviews mit Frank Williams - unter anderem über Neuzugang Nico Rosberg - kann morgen auf 'F1Total.com' nachgelesen werden.