• 24.06.2004 13:50

Franck Montagny und die Analyse der Kollegen

Der Renault-Testfahrer hat seinen Kollegen bei der Arbeit zugeschaut und analysiert den Fahrstil anhand von Onboard-Aufnahmen

(Motorsport-Total.com) - Es ist eine der beliebtesten Einstellungen von Regisseuren und Fernseh-Zuschauern bei jeder Formel 1-Übertragung: die Blicke aus der Onboard-Kamera auf die Lenkradarbeit der Piloten und auf die vorüberfliegende Strecke. Die häufigste Ansicht ist die Perspektive der oberhalb der Lufthutze montierten Kamera, von der aus die Fans an den Bildschirmen auf den Helm des Fahrers und seine Hände am Lenkrad blicken können.

Titel-Bild zur News: Franck Montagny

Franck Montagny beobachtet gern die Konkurrenz bei der Arbeit

"Diese Bilder sind für mich immer wieder interessant. Ich verbringe viel Zeit mit dem Studium dieser Einstellungen", berichtet Franck Montagny, der Test- und Ersatzfahrer des Renault-Teams auf 'renaulf1.de'. "Du erkennst dort zweierlei: wie gut der betreffende Pilot fährt und wie sein Auto sich benimmt."#w1#

Ein Profi wie Franck erkennt viele Fahrer und Autos schon am Stil: "Die Renault-Piloten zum Beispiel lenken am Eingang von Turn 1 in Indy ihren R24 erst ganz sanft ein und reißen dann plötzlich das Lenkrad energisch herum", erklärt er. "Auf diese Weise bringen sie Ruhe ins Chassis, denn sie provozieren ein leichtes Untersteuern. Fernando ist darin besonders gut, weil es seinem angeborenem Stil entspricht, und Jarno hat sich diese Technik schnell angeeignet. Allerdings ist es nicht einfach, es genau richtig hinzubekommen - bei einem falschen Zug verlierst du das Auto und drehst dich raus."

Beeindruckt zeigte sich Franck von Ferrari und BAR: "Beide Autos wirken relativ einfach zu fahren", fährt er fort. "Die Piloten müssen kaum korrigieren, wenn sie einmal eingelenkt haben. Das weist auf reichlich Grip hin. Als Beispiele für Autos, die sehr viel Arbeit am Lenkrad erfordern, empfehle ich McLaren, Sauber oder Jordan."

Einige Piloten verstellen während der Fahrt auch die Kontrollknöpfe am Lenkrad. "Michael Schumacher ist ein typisches Beispiel dafür", weiß der Franzose. "Er justiert ständig irgendwelche Fahrzeugfunktionen, vielleicht in Absprache mit seinen Ingenieuren. In Indy war auch bei Fernando zu sehen, dass er während seiner Qualifying-Runde die Differentzal-Einstellungen änderte."

Von großer Bedeutung ist laut Franck auch die Form der seit Jahren nicht mehr kreisrunden Lenkräder. "Einige scheinen regelrecht auf die Hände des Fahrers maßgeschneidert zu sein", erkennt der Testfahrer. "Manche sind groß, andere klein - aber entscheidend ist, dass der Fahrer sich wohl fühlt. Immerhin ist das Lenkrad sein wichtigstes Werkzeug. Oft unterscheiden sich die Lenkräder von Teamkollegen voneinander - in Details wie Form der Nabe, Polsterung oder Anordnung der Knöpfe."

Nicht zuletzt lassen auch die Kopfbewegungen interessante Rückschlüsse zu. "Wenn der Helm sich stark hin- und herbewegt, ist das Auto meist sehr nervös. Williams und Renault haben zum Beispiel sehr steife Chassis, deswegen werden auch die Köpfe der Piloten mehr gebeutelt als etwa der von Michael Schumacher oder Rubens Barrichello im Ferrari," analysiert Montagny. "Generell gilt: je mehr Lenkkorrekturen, desto mehr Kopfbewegungen - besonders auf Strecken mit wenig Grip."

Während der Rennen liefern die Onboard-Kameras ebenfalls viele Informationen: Der Fachmann erkennt, wann das Handling eines Autos nachlässt oder wenn sich sonstige Probleme anbahnen. Die Aktionen des Fahrers lassen oft auf den Zustand der Reifen schließen und verraten, bei wem sie am konstantesten arbeiten.