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  • 29.03.2014 16:42

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Formel-1-WM 2014: Alles Mercedes oder was?

Mercedes gilt derzeit als Klassenprimus der Formel 1, doch für viele im Fahrerlager ist Red Bull noch immer eine feste Größe, mit der es unbedingt zu rechnen gilt

(Motorsport-Total.com) - 1,148 Sekunden. Das war der Abstand zwischen Mercedes und dem Rest der Formel-1-Welt im dritten Freien Training zum Großen Preis von Malaysia in Sepang. Und für die meisten Beobachter stellt dies auch eine gute Repräsentation des aktuellen Kräfteverhältnisses dar. Erst Mercedes, dann lange nichts. Die Frage nach der Favoritenrolle für die Saison 2014 dürfte sich damit erübrigen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Lewis Hamilton und Nico Rosberg in ihren W05-Autos: Mercedes ist der Favorit Zoom

Doch ganz so einfach ist es offenbar nicht. Denn Mercedes wähnt sich ganz und gar nicht einsam an der Spitze des Formel-1-Feldes, sondern rechnet vielmehr noch mit starker Gegenwehr. Insofern sei, so Lewis Hamilton, die Qualifikation in Sepang nur ein erstes Anzeichen dafür, wie es schon bald an der Spitze zugehen könnte. Denn im Nassen schien Red Bull plötzlich wieder richtig dabei zu sein.

Und was hat das zu bedeuten? Das fragt sich auch Hamilton, der beim zweiten Rennen des Jahres zum zweiten Mal auf der Pole-Position steht. Er sagt: "Ich weiß nicht, ob der Abstand geringer geworden ist oder nicht. Red Bull ist hier in jedem Fall nahe dran. Es ist klar, dass ihr Auto schon besser aufgestellt ist. Und im Nassen sind sie uns auf die Pelle gerückt. Daran müssen wir arbeiten."

Vettels zweiter Startplatz: Warnschuss oder Strohfeuer?

Als "Warnschuss" vor den Bug müsse man die Leistung von Sebastian Vettel aber nicht verstehen, ergänzt Nico Rosberg. Vettel war auf nasser Strecke mit nur 0,055 Sekunden Rückstand als Zweiter abgewinkt worden, startet am Sonntag zwischen den beiden Mercedes-Autos. "Sie müssen keine Warnsignale abgeben", meint Rosberg. "Wir wissen auch so, was wir von ihnen erwarten können."

Und das ist, so der deutsche Rennfahrer weiter, nichts Geringeres als die Übernahme der Favoritenrolle, wenn der Red Bull RB10 erst einmal richtig läuft. "Sie arbeiten ja wie verrückt", sagt Rosberg. "Wir rechnen daher damit, dass sie zu uns aufschließen. Denn sie stellen weiterhin die absolute Messlatte in dieser Meisterschaft dar." Doch Red Bull befindet sich nun in einer neuen Situation.


Fotostrecke: Fünf Gründe pro und contra Vettel

Das WM-Team der vergangenen Jahre ist nicht mehr länger der Gejagte, sondern Jäger. Ein himmelweiter Unterschied, meint Hamilton. "Es ist immer einfacher, in der Verfolgerrolle zu sein, als vorneweg zu fahren. So ist es auch aus der Perspektive im Auto. Und es ist klar, dass einige Teams alles daran setzen, die Lücke zu schließen", sagt der britische Mercedes-Pilot, hat aber offenbar keine Angst.

Red Bull: Die Konkurrenz ist auf der Hut

"Wir arbeiten ebenso hart daran, unseren Vorsprung noch zu vergrößern", erklärt Hamilton. "Wir müssen einfach damit fortfahren, die Entwicklungsarbeit voranzutreiben. Ich glaube, dass uns das mindestens mit dem gleichen Tempo gelingen sollte wie allen anderen hier im Fahrerlager." Allerdings habe Red Bull in den vergangenen Jahren auch in diesem Punkt großes Durchhaltevermögen bewiesen.

"Sie waren zuletzt die klare Nummer eins", meint Mercedes-Sportchef Toto Wolff, der die aktuelle Situation im Formel-1-Kräfteverhältnis nur als Übergangszustand verstehen will. "Es ehrt uns, wenn wir als Team derzeit dazu in der Lage sind, als aktuelle Messlatte zu dienen. Wir geben uns aber keiner Illusion hin. Denn Red Bull hat viermal in Folge die WM gewonnen", so der Österreicher.


Fotos: Großer Preis von Malaysia, Samstag


Mercedes sehe sich daher nicht in der Favoritenrolle. "Wir müssen mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und weiter hart an der Entwicklung arbeiten, damit wir eben nicht überholt werden", erklärt Wolff. Gemäß dem Zeitenklassement aus dem dritten Freien Training und der bisherigen Form scheint das auch nicht über Nacht vonstatten zu gehen. Noch sind die Silberpfeile schließlich deutlich vorn.

Liegt wirklich alles nur am Renault-Antriebsstrang?

Das sieht auch ein Außenstehender so: "Ich denke, im Trockenen liegt Red Bull noch immer eine Sekunde hinter Mercedes", sagt McLaren-Fahrer Jenson Button. Und er meint die Gründe für diesen Rückstand zu kennen: "Das meiste davon ist wahrscheinlich auf die Geraden zurückzuführen. Der Mercedes-Motor ist nämlich der beste Motor des gesamten Feldes. Im Nassen ist das nicht so wichtig."

Unter Bedingungen, wie sie im Qualifying von Malaysia geherrscht haben, seien andere Qualitäten gefragt. Qualitäten, die laut Red-Bull-Konsulent Helmut Marko am RB10 zwar vorhanden sind, aber eben noch nicht zum Tragen kommen. "Rein vom Chassis her sind wir absolute Spitze", sagt er bei 'Formula1.com'. "Woran es bei uns hapert, ist der Antriebsstrang. Im Augenblick fehlen uns etwa 80 PS."

Das zeige sich zum Beispiel bei der Topspeed-Messung, worauf auch Button schon angespielt hatte. Und in der Tat: Die schnellsten Fahrzeuge an der Formel-1-"Radarfalle" sind in Sepang allesamt mit Mercedes-Motoren bestückt. Am anderen Ende dieser Tabelle: Red Bull mit Renault-Motor. Was laut Marko der Hemmschuh ist: "Deshalb ist das volle Potenzial unseres Autos noch nicht ersichtlich."

In Europa kann schon alles anders kommen...

"Nur in schnellen Kurven oder bei regnerischen Bedingungen können wir den Unterschied machen. Da sind wir durchaus, wo wir sein wollen", erklärt der Teamberater. Und das zeigt Button: "Der Red Bull ist ein gutes Auto. Das haben wir schon im Winter festgehalten. Nach dem Motto: Wenn sie erst mal fahren, werden sie auch konkurrenzfähig sein. Das haben sie an diesem Samstag unter Beweis gestellt."

Im Trockenen, das betont der McLaren-Pilot jedoch, sehe das Kräfteverhältnis wahrscheinlich wieder ganz anders aus - weitaus weniger günstig für Red Bull, die auf Fortschritte bei Renault hoffen. So formuliert es zumindest Marko: "Bisher wurden die vereinbarten Leistungsmerkmale nicht erzielt." Man habe sich aber immerhin schon gesteigert. Und schon in Kürze werde man einen weiteren Sprung machen.


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts: Malaysia

Wie kurzfristig, das weiß Marko auch schon zu prognostizieren: "Der Realist in mir sagt: Unter normalen Rennbedingungen sollten wir in Europa wieder zu unserer alten Stärke zurückfinden." Zur Erinnerung: Schon am 11. Mai 2014 beginnt dieser von Marko angesprochene Saisonabschnitt mit dem Großen Preis von Spanien in Barcelona, dem fünften von insgesamt 19 Grands Prix.

Vettel sieht Mercedes vorn und Red Bull auf dem Vormarsch

Und deshalb hat Red Bull laut Marko noch genug Zeit, um aufzuholen. "Wir bestreiten ja gerade einmal das zweite Rennwochenende und 17 weitere liegen noch vor uns", meint er. Auch Vettel zeigt sich angesichts der aktuellen Situation gelassen: "Es sind erst eineinhalb Grands Prix absolviert." Doch er erkenne bereits erste Anzeichen, dass es voran gehe: "Das Team ist mit vollem Einsatz dabei."

"Das zahlt sich nun langsam aus, Schritt für Schritt. Damit bin ich zufrieden, denn wir hatten einen schlechten Winter. Wir haben aber trotzdem noch einen langen Weg vor uns", sagt der Weltmeister, der sich und seiner Mannschaft grundsätzlich alles zutraut. "Es besteht immer die Chance, jeden hier zu schlagen. Deshalb sind wir hier. Derzeit ist es vielleicht schwierig, aber es ist nicht unmöglich."

"Es wäre ziemlich traurig, wenn man morgens aufstehen müsste und denken würde, nur Zweiter oder Fünfter oder Achter werden zu können. Wir wollen siegen", sagt Vettel, muss aber einräumen: "Ich denke, Mercedes hat das beste Paket. Sie haben im Winter sehr gut gearbeitet. Unabhängig davon, was wir tun: Sie sind derzeit die Favoriten, würde ich sagen." Doch nur diese Position sei klar ersichtlich.


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Malaysia


"Danach geht es ziemlich eng zu, zwischen Ferrari, uns und den weiteren Mercedes-Teams. Es kommt auch auf die jeweilige Tagesform an, auf die Bedingungen und dergleichen mehr. Es ist schwierig, die Sache genau einzuschätzen", meint Vettel. Vielleicht lässt der Große Preis von Malaysia am Sonntag im Live Ticker verfolgen! schon ein paar weitere Tendenzen erkennen...