• 22.08.2004 13:33

  • von Marco Helgert

Formel-1-Neulinge und der gestiegene Druck

Die Formel 1 und der Nachwuchs: Sich als aufstrebender Fahrer in der "Königsklasse" zu etablieren, fällt von Jahr zu Jahr schwerer

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 war noch nie dafür bekannt, dass aufstrebende Fahrer alle Zeit der Welt haben, sich zu etablieren. Doch der Trend der vergangenen Jahre zeigt, dass der gestiegene Druck auch vor den Formel-1-Neulingen nur kurz Halt macht. Die Zeiten, in denen ein Rookie eine längere Schonfrist bekam, scheinen endgültig vorüber zu sein.

Titel-Bild zur News: Christian Klien, Gianmaris Bruni, Giorgio Pantano

Klien, Bruni, Pantano - wen sehen wir 2005 erneut in der Formel 1?

Wer nicht kurz- oder mittelfristig einen Aufwärtstrend oder generell starke Leistungen zeigt, riskiert sein Formel-1-Cockpit. In den vergangenen fünf Jahren mussten dies einige Fahrer am eigenen Leib erfahren. Luciano Burti gelang der große Durchbruch weder mit Jaguar noch mit Prost - vom Brasilianer sprechen heute nur noch wenige.#w1#

Ein Ricardo Zonta verspielte als BAR-Pilot fast jeglichen Kredit, kam aber über den Umweg als Testfahrer bei Toyota wieder zu einem Stammcockpit. Dabei lernte Cristiano da Matta die Härten der "Königsklasse" kennen. Nach eineinhalb mageren Jahren durfte er bei den Japanern gehen. Allan McNish, der sich 2002 endlich seinen Traum von der Formel 1 erfüllen konnte, erging es zuvor ähnlich.

Doch auch wenn die Formel 1 schon immer ein schwieriges Pflaster für Neulinge war, seit einigen Jahren fehlt ein "Auffangnetz" für die Piloten. Neben Minardi, Jordan und Sauber befinden sich ausnahmslos Motorenhersteller in der Formel 1, die sich eine lange Entwicklungsphase ihrer Fahrer kaum leisten wollen. Ein Pilot, der erst aufgebaut werden muss, passt kaum in das Konzept.

Zudem fällt es den Privatteams immer schwerer, ihre angestammte Rolle als Talentschmiede auszufüllen. Zu groß ist der finanzielle Druck, das Talent ist bei der Vergabe des Cockpits immer weniger entscheidend. Wenn man es nicht schafft, sich gleich im Debütjahr einen Namen zu machen, landet man schneller auf dem Abstellgleis, als es einem lieb ist. Justin Wilson und Ralph Firman können davon ein Lied singen.

Auch ein Giorgio Pantano könnte am Saisonende vor einem ähnlichen Dilemma stehen. Der Italiener schlägt sich im Jordan wacker, drängte sich bisher jedoch kaum für höhere Aufgaben auf. Einen Zwischenschritt wird es jedoch nicht geben, denn die Formel 1 ist für die Fahrer eine Zweiklassengesellschaft - ohne Unterstützung ist der Aufstieg unmöglich.

Dass es auch anders geht, zeigen die Beispiele Kimi Räikkönen, Felipe Massa und Jenson Button. Sie kamen in die Formel 1, wussten zu überzeugen und sicherten sich ihre Zukunft langfristig. Wer nicht dieses Glück hat, oder, aus welchen Gründen auch immer, keine herausragenden Leistungen erbringt, darf sich zumeist nach einem anderen Betätigungsfeld umsehen.

Es ist augenscheinlich, dass der Formel 1 momentan die Plattform fehlt, einen Fahrer aufzubauen. Jedes Team steht unter sehr viel Druck. Ein Aufbaujahr, welches vor einigen Jahren die Mittelfeldteams noch garantieren konnten, ist in dieser Form nicht mehr möglich. Denn auch die Mittelfeldteams müssen sich mit aller Kraft nach vorne orientieren.

Erschwert wird die Lage noch durch das Fehlen von adäquaten Nachwuchsklassen. Die Anforderungen der Formel 1 sind sehr eigen, die Autos diffizil zu fahren. Eine niedrigere Formel-Klasse, welche die Fahrer auf die Anforderungen gut vorbereiten könnte, fehlt. Ein erfolgreich verlaufender Formel-1-Einstieg ist somit mehr und mehr vom Glück abhängig.

Ein vergebenes Jahr kann das Aus bedeuten, auch wenn der Fahrer zu mehr fähig wäre. Doch Geduld wurde in jüngster Zeit zu einem Fremdwort in der Formel 1. Ein Mika Häkkinen hätte es heute als Formel-1-Neuling wohl erheblich schwerer. Seine erste Formel-1-Saison 1991 mit Lotus war gut, aber keine Offenbarung. Doch 1992 bekam er eine erneute Chance im Tean, was ihm in der heutigen Zeit wohl viel schwieriger gefallen wäre.