Formel 1 nähert sich dem Langstreckensport an
Wegen des Nachtankverbots müssen die Fahrer nun wieder mehr auf die Reifen achten - Christian Horner: Intelligente Piloten im Vorteil
(Motorsport-Total.com) - Seit Einführung der Tankstopps im Jahr 1994, die für die kommende Saison wieder abgeschafft wurden, waren Formel-1-Rennen im Endeffekt meistens 90-Minuten-Sprints mit kurzen Unterbrechungen. Das wird künftig anders sein: Durch das neue Reglement sind die Fahrer gezwungen, sich phasenweise künstlich einzubremsen, um die Reifen nicht zu sehr zu verschleißen.

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Das Nachtankverbot ist eine der wichtigsten Änderungen im Reglement
Davon sind nicht alle Fans begeistert, schließlich hatte es durchaus seinen Reiz, Mensch und Maschine immer am Limit zu sehen, doch nun bieten sich eben andere Herausforderungen: "Der Fahrer hat mehr Möglichkeiten, etwas anders zu machen als ein anderer Fahrer", erklärt Gerhard Berger bei 'Servus TV'. "Er muss die Reifen schonen, mit 160 bis 200 Kilo Sprit umgehen können am Anfang. Das Auto wird über Bodenwellen und Curbs schwierig zu fahren sein und man wird sich die Kraft anders einteilen müssen."#w1#
Reifenwechsel als neues Kriterium
"Das geht bis hin zum Boxenstopp, wo die Crew beim Räderwechsel in der Vergangenheit meistens nicht aufgefallen ist, weil die Durchflussmenge des Treibstoffs das Fenster aufgemacht hat und innerhalb dieses Fensters wurden die Reifen gewechselt. Jetzt ist es aber so, wenn ein Stopp zwei Sekunden länger dauert, dann steht das Auto zwei Sekunden länger. Man wird auch auf dieser Seite Vor- und Nachteile sehen. Ich glaube, dass dieses Reglement für den Sport sehr interessant sein kann", findet der ehemalige Grand-Prix-Pilot.
Und weiter: "Es gibt so viele Faktoren, auf die die Benzinmenge Einfluss nehmen wird. Alleine die Getriebeübersetzung: Man fährt am Samstag im Qualifying mit leerem Tank und hat am nächsten Tag 200 Kilo Sprit drin. Zu unserer Zeit hat man da die Übersetzung geändert, aber heute ist das nicht mehr möglich. Die Bremsen mit leerem Tank zum Arbeiten zu bringen und dann am nächsten Tag mit 200 Kilo mehr nicht kaputt zu machen nach den ersten 15 Runden, das wird eine Riesenherausforderung. Da ist ein sehr guter Kompromiss gefragt."
¿pbvin|512|2479||0|1pb¿Vor allem die Reifen werden in den ersten Runden mit vollen Tanks so stark in Anspruch genommen, dass sie theoretisch wegen Grainings schon nach ein paar Minuten hinüber sein können - ein bisschen zu viel Wheelspin am Start, da und dort ein Verbremser im Positionsgerangel nach dem Start können ein ganzes Rennen kaputt machen. Laut Adrian Sutil werden künftig die ersten zwei, drei Runden entscheidend sein, in denen man die Pneus auf keinen Fall zu sehr strapazieren darf. Das gilt besonders für die Hitze des Saisonauftakts in Bahrain.
Material zu schonen, um für die gesamte Renndauer konkurrenzfähig zu sein, das kennt man aus Sportwagenrennen wie etwa den 24 Stunden von Le Mans. "Man kann nicht mehr jede Runde Vollgas geben", erklärt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Die intelligenteren Fahrer, das werden die mit den besseren Chancen sein. Schon beim Testen hat man gesehen, dass manche Autos mit den Reifen schonender umgehen als andere. Die Reifen, mit denen man die Q3-Zeit fährt, muss man auch ins Rennen starten. Das hat schon interessante taktische Auswirkungen."
Vorteil Schumacher?
Eigentlich sind solche Herausforderungen Typen wie Michael Schumacher auf den Leib geschneidert. Der siebenfache Weltmeister ist zudem schon zwischen 1991 und 1993 ohne Tankstopps Formel 1 gefahren. Aber: "Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass jemand einen Vorteil hat, weil er vor 15 Jahren schon einmal mit viel Benzin gefahren ist. Das hat heute keine Aussagekraft mehr", relativiert Mercedes-Sportchef Norbert Haug. "Ich glaube vielmehr, dass es junge Fahrer gibt, die sich sehr gut darauf einstellen können."
Auf jeden Fall ist das hohe Benzingewicht "eine sehr große Regeländerung", wie Red-Bull-Pilot Mark Webber erklärt: "Jedes Jahr gibt es etwas Neues: von V10 auf V8, ein neues Qualifying. Diesmal ist es ein schwereres Auto. Das ist natürlich eine enorme Veränderung, auf die sich der Fahrer relativ schnell einstellen muss", erläutert der australische Teamkollege von Sebastian Vettel. "Die Reifen sind für alle gleich, aber auch die sind für alle anders geworden. Das ist eine neue Herausforderung."
"Ich freue mich darauf! Die Rennen sollten besser werden als im Vorjahr, es wird interessantere Zweikämpfe geben. Andererseits war es auch schon, mit wenig Sprit am Limit zu sein", so Webber. "Die Reifen sind anders, aber die Autos haben sich nicht groß verändert. Von der Performance her sind die Reifen um einen Schritt zurückgegangen, denn sie müssen viel stabiler sein, um dem Nachtankverbot gerecht zu werden. Es sind nicht die besten Reifen, die wir je hatten, aber das macht es für das Publikum interessant."

