Formel 1 in der Krise: Kolles kritisiert Mercedes und die FIA

Während Colin Kolles beim Thema Formel-1-Krise hart mit Mercedes und der FIA ins Gericht geht, macht "Strietzel" Stuck Verbesserungsvorschläge

(Motorsport-Total.com) - Über die Gesamtsituation der Formel 1 wird seit geraumer Zeit heiß diskutiert. Speziell, seitdem im Winter 2013/2014 der Wechsel von den V8-Saugmotoren auf die V6-Turbo-Antriebseinheiten mit Hybrid vollzogen wurde, tragen die zahlreichen Diskussionen selten einen positiven Anstrich. Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery ist längst nicht der Einzige, der beim Blick auf die Zukunft der Formel 1 einen klaren Weg statt einer Endlosschleife von Kompromissen fordert.

Titel-Bild zur News: Start zum Grand Prix von China 2015 in Schanghai

Die Formel 1 im Hybrid-Zeitalter: Mercedes dominiert, Feld so klein wie lange nicht Zoom

"Ich glaube, dass wir ein massives Reglementsproblem haben", spricht Colin Kolles gegenüber 'ServusTV' das aus, was derzeit viele denken. Der ehemalige Formel-1-Teamchef, der bis Ende der Saison 2012 den Rennstall HRT leitete, weiß, wovon er spricht. "Ich war bei vielen Sitzungen, wenn nicht bei allen Sitzungen, die den Motor betroffen haben, dabei", bemerkt Kolles und gibt Jean Todt einen Großteil der Schuld an der aktuellen Krise: "Man hat den jetzigen FIA-Präsidenten vor den heutigen Problemen gewarnt. Er hat es einfach abgelehnt, sich das anzuhören."

Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone habe laut Kolles versucht, Todts Vormarsch in Richtung des V6-Turbo-Reglements zu stoppen, doch vergeblich. "Der Herr Ecclestone hat über Jahre versucht, entgegenzuwirken. Doch seitens der FIA hat man einfach nur diesen sturen Weg weiterverfolgt, der eigentlich ein massives Problem für die gesamte Formel 1 bedeutet", so Kolles.

Colin Kolles kritisiert Toto Wolff und Jean Todt

Doch nicht nur FIA-Präsident Todt, auch Toto Wolff bekommt von Kolles sein Fett weg. "Der will ja gar nichts geändert haben", poltert der ehemalige HRT-Boss in Richtung des Mercedes-Motorsportchefs und wirft diesem inkonsequente Politik vor.

In der Formel 1 habe sich Wolff "bei allen Teamchefsitzungen gegen jeglichen Vorschlag, den man vernünftig gemacht hat, gewehrt", wie Kolles anmerkt und unterstreicht: "Er hat alles abgelehnt und alles geblockt." Dieses Verhalten steht für den 47-jährigen Deutsch-Rumänen im krassen Gegensatz zum Verhalten, das Wolff und Co. in der DTM an den Tag gelegt haben.

Colin Kolles

Ex-Teamchef Colin Kolles lässt kein gutes Haar an der aktuellen Formel 1 Zoom

"In der DTM war Mercedes vergangenes Jahr irgendwo im Hinterfeld. Dann hat man denen eine Chance gegeben, länger zu entwickeln und aufzuholen, um die Meisterschaft wieder spannend zu machen", spricht Kolles auf die berühmte "Lex Mercedes" an und bedauert es, dass ähnliche Vorschläge in den Sitzungen der Formel-1-Teamchefs ausgerechnet von Mercedes geblockt wurden.

Auf ein Durchgreifen der FIA wartet man in der aktuellen Konstellation vergeblich und so fordert Kolles die Ablösung von Jean Todt: "Der heutige FIA-Präsident mischt sich in keinster Weise in die Formel 1 ein. Er hat ganz andere Prioritäten. Da muss jemand ein Machtwort sprechen."

Stuck stellt Motoren- und Chassisregeln in Frage

In der Überlegenheit der Antriebseinheit von Mercedes, der dargelegten Resistenz von Wolff und dem Wirken beziehungsweise Nichtwirken von FIA-Präsident Todt sieht Kolles ausschlaggebende Punkt für die aktuelle Krise. Doch auch nach der Einführung der V6-Turbos sind in den Augen Kolles' Fehler gemacht worden. "Mercedes hat einen massiven Motorenvorteil. Diesen Vorsprung haben die anderen nie aufholen können", spricht der ehemalige HRT-Boss auf die 32 Token an, die den in der Formel 1 engagierten Herstellern für die Weiterentwicklung ihres jeweiligen Antriebsstrangs zur Verfügung stehen.

Hans-Joachim Stuck

DMSB-Präsident "Strietzel" Stuck spricht sich für eine Einheits-Aerodynamik aus Zoom

"Man hat nur 32 Bitcoins, die man ausgeben kann. Das gilt für alle. Das heißt, wenn einer am Anfang schon einen Riesenvorsprung hat, wird es für die anderen ganz schwierig sein, aufzuholen", so Kolles. Der ehemalige Formel-1-Teamchef ist nicht der Einzige, der das technische Reglement in diesem Punkt in Frage stellt. "Die Frage ist überhaupt, ob ich so eine Entwicklung wirklich mit Token regeln muss", sagt DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck gegenüber 'ServusTV' und denkt dabei vor allem an die (kaum vorhandene) Transparenz des Regelwerks für die Zuschauer.

Beim Blick in die Formel-1-Zukunft sieht Stuck unter den gegebenen Vorzeichen schwarz: "So, wie es jetzt läuft, wird es nicht lange vernünftig weitergehen." Im Sinne von Veränderungen müssten "vernünftige Überlegungen" angestellt werden, um "das Konzept der Formel 1 an die Zeit anzupassen", gibt der DMSB-Präsident zu bedenken.

Status der Königsklasse für die Formel 1 noch gerechtfertigt?

Im Sinne eines Auswegs aus der Krise schlägt Stuck, der es im Verlauf seiner vielseitigen Rennfahrerkarriere auf 72 Formel-1-Starts gebracht hat, "zum einen eine Vereinfachung der Technik, zum anderen eine Kostenregulierung" vor. Als konkrete Maßnahme, die seine Thesen stützen, führt er eine Abkehr vom Prinzip an, wonach jedes Team sein Chassis selbst entwirft und entwickelt: "Mit einer einheitlichen Aerodynamik kann ordentlich überholt werden und es wird viel billiger. Zudem ist dann auch der Fahrer wieder mehr gefragt."

Fakt ist: Der Reiz der Königsklasse für die Zuschauer liegt Stuck besonders am Herzen. Dass dieser Reiz derzeit auf einem Tiefpunkt angekommen ist, führt der DMSB-Präsident wiederum auf das Thema Kosten zurück. "Was wollen wir mit 20 Autos? Wir brauchen 30 Autos", so Stuck mit Blick auf das zunehmend kleiner werdende Starterfeld.

"Man hat früher für einen Antrieb ungefähr acht Millionen Euro bezahlt. Heute muss man 21 Millionen bezahlen", rechnet Kolles vor und fragt: "Wofür?". Der Ex-Formel-1-Teamchef, der heute in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ein LMP1-Team einsetzt, gibt mit Blick auf die heutige Formel 1 zu bedenken: "Man hat früher einen Motor in 45 Minuten ausgewechselt. Heute brauchst du sechs bis acht Stunden." Dies werde dem Status der Königsklasse des Motorsports nicht gerecht.

"Man hat früher einen Motor in 45 Minuten ausgewechselt. Heute brauchst du sechs bis acht Stunden." Colin Kolles

"Die Sache ist viel zu kompliziert geworden - nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Leute, die damit zu tun haben", urteilt Kolles und kommt übereinstimmend mit Stuck zum Schluss: "Die ganze Geschichte mit den Kosten und wohin es geht, ist ungesund."

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