Formel-1-Countdown 2010: Force India

Marc Surer analysiert: Adrian Sutils Team möchte den Aufwärtstrend von 2009 fortsetzen, doch das wird angesichts der starken Konkurrenz nicht einfach

(Motorsport-Total.com) - Am 14. März beginnt in Manama (Bahrain) die neue Formel-1-Saison - und die Königsklasse birgt dieses Jahr so viel Spannung wie schon lange nicht mehr: Vier Weltmeister, sensationelle Comebacks und klingende Namen lassen jedes Racingherz höher schlagen. 'Motorsport-Total.com' nimmt vor dem Auftaktrennen wie jedes Jahr alle Teams genau unter die Lupe. Heute: Force India.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Adrian Sutil hofft in seinem vierten Jahr endlich auf den großen Durchbruch

"2010 können wir vielleicht über Siege reden." O-Ton Vijay Mallya im November 2008, anlässlich der Bekanntgabe der technischen Partnerschaft mit McLaren und Mercedes. Man muss dem indischen Milliardär lassen: 2009 konnte Force India die Erwartungen vor allem in der zweiten Saisonhälfte erfüllen, denn mit einer Pole-Position und einem Podestplatz (Giancarlo Fisichella in Spa-Francorchamps) hätte kaum jemand gerechnet. Aber ob mit einem anvisierten Sieg die Latte nicht vielleicht doch etwas zu hoch hängt?#w1#

Bei aller Euphorie um die Force-India-Performances sollte man nämlich nicht vergessen, dass das Team 2009 nur zweimal gepunktet hat - durch Fisichellas zweiten Platz in Spa-Francorchamps und Rang vier von Adrian Sutil in Monza. Das ergab in Summe 13 Zähler und den vorletzten WM-Platz. Selbst WM-Schlusslicht Toro Rosso ist es gelungen, fünfmal zu punkten. Nur auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken war das Topspeed-Wunder VJM02 erstklassig.

Auf bewährte Stärken setzen

"Ich hoffe, sie haben das Auto wieder genauso gebaut", erklärt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer. "Da bin ich mir nicht sicher, denn wenn man ihren Aussagen zuhört, dann haben sie wohl eher die Schwächen ausgemerzt." Betriebsdirektor Otmar Szafnauer nickt bestätigend: "Unser Ziel war es, die Stärken auf einigen Strecken nicht zu verlieren und gleichzeitig in effizienter Weise mehr Abtrieb zu generieren, damit wir im Verhältnis zur Konkurrenz auch auf anderen Strecken gut dabei sein können. Ich glaube, das wir das erreicht haben."

Force-India-Mercedes VJM03

Der VJM03 soll genauso windschlüpfrig sein wie sein Vorgängermodell Zoom

Surer hält diesen Kompromiss für eine Fehlentscheidung: "Wenn du schon die Möglichkeit hast, auf einigen Strecken Rennen zu gewinnen, dann solltest du an diesen Strecken arbeiten und die Weltmeisterschaft vergessen. Weltmeister werden sie sowieso nicht. Ich an ihrer Stelle hätte versucht, den Vorteil auf den schnellen Strecken noch größer zu machen und die langsamen Strecken zu vergessen. Wenn sie versucht haben, ein Auto zu bauen, das auf allen Strecken geht, dann haben sie diesen Vorteil möglicherweise verschenkt."

Der noch am ehesten repräsentative letzte Testtag in Barcelona verlief jedoch ermutigend, denn Sutil blieb nur gut eine Zehntelsekunde hinter der Spitze zurück und belegte damit bei der "Generalprobe" vor dem Saisonauftakt in einer Woche den vierten Platz. Auch bei den Geschwindigkeitsmessungen lag Force India weiterhin im Spitzenfeld. Dazu trägt sicher nicht nur die Aerodynamik bei, sondern auch der bewährte Mercedes-V8-Motor, der unverändert im Heck steckt.

Zwei Schlüsselpersonen sind weg

¿pbvin|512|2433||0|1pb¿Rein optisch ähnelt der VJM03 dem Vorgängermodell sehr. Am stärksten verändert präsentierte sich bei den Testfahrten der Frontflügel, der mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurde. Allerdings wird die Konkurrenz in diesem Bereich rechtzeitig vor dem ersten Rennen sicher noch nachrüsten. Alles andere als ideal waren sicher auch die Verluste zweier Schlüsselfiguren: Szafnauer-Vorgänger Simon Roberts ist zu McLaren zurückgekehrt, Technikchef James Key löst bei Sauber ab 1. April Urgestein Willy Rampf ab.

Sutil ist für die kommende Saison jedenfalls optimistisch: "Ich glaube, unser Auto wird schon ganz gut sein. Ich sehe im Moment vier bis fünf Teams, die vor uns liegen könnten. Mit den anderen sollten wir mithalten können. Hoffentlich ist dann auch mal ein Podium dabei, das wäre natürlich grandios. Wir haben uns selbst im vergangenen Jahr die Messlatte hochgelegt durch die Erfolge. Das will ich natürlich toppen", sagt der in der Schweiz lebende Deutsche selbstbewusst.

Experte Surer traut Sutil "vom Speed her" eine große Karriere in der Formel 1 zu, glaubt aber, dass der 27-Jährige dafür in seiner vierten Saison endlich konstanter werden muss. Es klingt fast schon wie ein Klischee, aber Sutil zieht Kollisionen nach wie vor magisch an. Viele übersehen dabei, dass er oftmals eher unschuldig dazukommt - man denke an die Zwischenfälle mit Heikki Kovalainen in Japan oder mit Jarno Trulli in Brasilien. Doch der fahle Beigeschmack bleibt eben haften.

Der Klügere gibt nach?

"Er steckt seine Fehler leicht weg", sagt Surer. "Ich denke da zum Beispiel an die Kollision mit Räikkönen am Nürburgring. Die war überflüssig, die hätte er vermeiden können, aber er hat sie nicht vermieden. Dass man nicht nachgeben darf, ist eine Sache, aber andere haben so schon Weltmeisterschaften verloren. Du musst in der Formel 1 auch mit Kopf fahren und nicht immer nur zeigen, dass du nicht nachgibst. Manchmal musst du über der Situation stehen. Ich hoffe, er hat daraus gelernt."

Adrian Sutil und Heikki Kovalainen

Wird oftmals auch unschuldig in Kollisionen verwickelt: Adrian Sutil Zoom

Denn früher oder später möchte Sutil in ein Topteam, um sein Talent unter Beweis stellen zu können. Allerdings weiß er, dass das nicht mit dem Kopf durch die Wand geht, also setzt er sich diesbezüglich nicht groß unter Druck: "Ich möchte noch lange in der Formel 1 fahren und kann noch warten, bis ich in ein großes Team wechseln kann", sagt er. Dass das nicht unmöglich ist, weiß er seit 2007/08, als er Außenseiterchancen hatte, statt Kovalainen Nachfolger von Fernando Alonso bei McLaren zu werden.

Entgegenkommen könnte ihm 2010 eigenen Angaben nach das marginal veränderte Reglement mit zumindest am Rennstart höherem Gewicht und schmäleren Vorderreifen: "Wer sein Auto gut behandelt, also mit einem weichen Fahrstil gut zurechtkommt, ist im Vorteil. Jenson Button ist so einer, dem das zugute kommen könnte. Ich glaube, ich komme auch ganz gut damit klar", gibt der 52-fache Grand-Prix-Teilnehmer zu Protokoll.

Punkteränge als Ziel

Sein Teamkollege ist weiterhin Liuzzi, den er 2009 nach dem überraschenden Einstieg in Monza sicher im Griff hatte. Der Italiener sieht Force India weiterhin im Aufwind: "Meiner Meinung nach haben wir uns verbessert und sind näher herangekommen. Aus diesem Grund erwarten wir, mit dem Team zu einem konstanten Punktesammler zu avancieren. Wir wollen einen guten Kampf in der Punkteregion austragen."

Vitantonio Liuzzi

Der 28-jährige Italiener Vitantonio Liuzzi gilt als ewiges Talent Zoom

"Das ist natürlich nicht gerade einfach, wenn man sich mit großen Herstellern wie Ferrari, Mercedes oder McLaren auseinander setzen muss. Diese Teams sind immer vorne mit dabei", so der 28-Jährige, der schon 44 Formel-1-Rennen auf dem Buckel hat. "Ich gehe aber davon aus, dass die Lücke kleiner ist als noch 2009. In diesem Jahr kommt es allerdings nicht nur auf den Rückstand an. Vieles hängt von der Renngeschwindigkeit ab. Das könnte in den Ergebnissen für einen großen Unterschied sorgen."

Die ist Liuzzi bisher schuldig geblieben, obwohl er in jungen Jahren zu den größten Motorsporttalenten überhaupt zählte. 2001 wurde er Kart-Weltmeister und schlug in Kerpen sogar einen gewissen Michael Schumacher. 2004 sicherte er sich dann überlegen den Titel in der Formel 3000, der Vorgängerserie der heutigen GP2 - mit sieben Siegen in zehn Läufen. Doch in der Königsklasse konnte er an diese Erfolge nie anknüpfen.

Sanfte Kritik an Liuzzi

"Ich habe mich gewundert, dass sie Liuzzi verpflichtet haben", sagt Experte Surer. "Er ist ziemlich unscheinbar gefahren - wie davor schon bei Toro Rosso. Er hat mich nicht überzeugt. Warum soll das jetzt anders werden? Es ist definitiv seine letzte Chance. Wenn er die nicht nutzt, ist er selbst schuld. Vielleicht schnallt er es jetzt und kriegt es auf die Reihe, empfiehlt sich für andere Aufgaben. Eigentlich hätte er aus seinem Talent viel mehr machen müssen."

Otmar Szafnauer und Simon Roberts

Hofübergabe: Otmar Szafnauer (links) löste Simon Roberts als COO ab Zoom

Inwieweit Force India von der Partnerschaft mit McLaren und Mercedes profitiert, die pro Jahr geschätzte zehn Millionen Euro kosten soll und den kompletten Antriebsstrang sowie weiteren Transfer von Know-how beinhaltet, ist für Surer fraglich, denn: "Wenn du KERS abziehst, war der Force India das schnellere Auto. So gesehen haben die einen besseren Job gemacht. Und wenn der McLaren das schlechtere Auto war, konnte von der Seite gar nicht so viel kommen."

"Seit Gascoyne weg ist, haben sie zugeschlagen. Das Auto wurde von Rennen zu Rennen besser. Von den kleinen Teams haben sie über die Saison die größten Fortschritte gemacht", lobt der ehemalige Grand-Prix-Pilot. "Von dem her hat das Team technisch hervorragend gearbeitet und ich kann sie nur loben, denn die Voraussetzungen waren sicherlich nicht so top und das Geld war wohl auch immer knapp, wie man gehört hat. Also Superjob - Kompliment an die technische Mannschaft!"


Fotos: Force India, Testfahrten in Barcelona


Saisonstatistik 2009:

Team:

Konstrukteurswertung: 9. (13 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 1
Podestplätze: 1
Ausfallsrate: 17,6 Prozent (7.)
Durchschnittlicher Startplatz: 14,7 (9.)
Testkilometer 2010: 4.097 (9.)
Testbestzeiten 2010: 0 (8.)

Qualifyingduelle:

Sutil vs. Fisichella: 6:6
Sutil vs. Liuzzi: 4:1

Adrian Sutil (Startnummer 14):

Fahrerwertung: 17. (5 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 0
Podestplätze: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 1
Durchschnittlicher Startplatz: 13,6 (17.)
Bester Startplatz: 2.
Bestes Rennergebnis: 4.
Ausfallsrate: 23,5 Prozent (18.)
Testkilometer 2010: 1.763 (18.)
Testbestzeiten 2010: 0 (12.)

Vitantonio Liuzzi (Startnummer 15):

Fahrerwertung: 22. (0 Punkte)
Gefahrene Rennen: 5/17
Siege: 0
Podestplätze: 0
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 16,0 (20.)
Bester Startplatz: 7.
Bestes Rennergebnis: 11.
Ausfallsrate: 20,0 Prozent (15.)
Testkilometer 2010: 1.851 (17.)
Testbestzeiten 2010: 0 (12.)