Force India vs. Williams: Es wird eng im Kampf um Rang vier
Nur 15 Punkte trennen die Mannschaft von Nico Hülkenberg und Sergio Perez vom reicheren Traditionsteam aus Grove - Kopf-an-Kopf-Rennen bis zum Ende der Saison
(Motorsport-Total.com) - Wer wird "Best of the Rest" in der Formel-1-Saison 2016? Hinter den drei großen Top-Teams Mercedes, Red Bull und Ferrari liefern sich Williams und Force India ein packendes Duell um den vierten Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Nur noch 15 Punkte beträgt der Vorsprung des Traditionsrennstalls aus Grove auf den kleinen Konkurrenten, der zuletzt mächtig aufgeholt hatte. Gerade einmal sechs Punkte holte Williams aus den vier Rennen vor der Sommerpause im Juli, während Force India im selben Zeitraum 22 Zähler einfuhr.
© xpbimages.com
Force India stellt sich auf enge Duelle mit Williams bis zum Ende des Jahres ein Zoom
Das Momentum liegt also ganz klar auf der Seite der englisch-indischen Truppe - und geht es nach dem Willen des stellvertretenden Teamchefs Robert Fernley, bleibt das auch bei den verbleibenden neun Rennen ab dem Großen Preis von Belgien Ende August in Spa so. Fernley prognostiziert ein knallhartes Duell um den vierten Rang bis zum Ende der Saison. "Es ist derzeit nichts mehr zwischen uns und Williams. Ich sehe ein Kopf-an-Kopf-Rennen für den Rest des Jahres. Das wird ein aufregender und faszinierender Kampf", schätzt der Brite.
Besonders interessant ist das Duell zwischen Williams und Force India, weil beide Rennställe eine völlig unterschiedliche Herangehensweise an die Formel 1 verfolgen. Während man bei Williams nahezu jedes Teil mit Ausnahme der Antriebseinheit in der eigenen Fabrik in Grove entwickelt und herstellt, setzt man bei Force India auf Outsourcing. Das Team von Vijay Mallya gliedert einen Großteil der Aktivitäten aus, beispielsweise die Herstellung des Chassis-Monocoques, setzt auf externe Zulieferer und testet dann im angemieteten Windkanal von Toyota in Köln. Gemein haben beide Mannschaften nur den dominierenden Mercedes-Antrieb im Heck.
Force India mit Selbstvertrauen: Vierter Platz mehr als realistisch
Große Entwicklungssprünge erwartet Fernley aber für den Rest der Saison hüben wie drüben ohnehin nicht mehr. "Was jetzt am Auto ist, bleibt so für den Rest des Jahres. Wir spielen noch mit ein paar kleinen Verbesserungen rum, aber dazu nutzen wir die Teile, die wir schon haben." Es gehe nun also darum, die bestehenden Komponenten des VJM09 maximal zu verstehen und optimal zu nutzen, dann könne man gegen Williams bestehen.
Bei Force India strotzt man nach den guten Resultaten im Frühsommer inzwischen vor Selbstbewusstsein, alle im Team haben den festen Glauben, Williams noch einholen zu können. "Wir haben unser Ziel, den Anschluss herzustellen, erreicht. Wir dachten sogar, dass es noch etwas schneller gehen würde. Aber in den ersten Saisonrennen hatten wir viel Pech, das uns rund zehn Punkte oder mehr im Vergleich zu ihnen gekostet hat", bilanziert Fernley. Für den Rest des Jahres werde es nun auf Kleinigkeiten ankommen.
"Es wird Kurse geben, auf denen Williams die Nase vorn haben wird, auf anderen werden wir besser sein. Es braucht nicht viel, damit das Pendel in die eine oder die andere Richtung schlägt", will der stellvertretende Teamchef das Maximum herausholen. "Es wird noch mal eine Chance auf ein Podium kommen - und dann wird entscheidend sein, wer es sich schnappt. Man kann momentan einfach nicht voraussagen, wer am Ende vorn stehen wird, das ist sehr aufregend", freut er sich auf eine packende zweite Saisonhälfte.
Blick auf 2017: Sind neue Kräfteverhältnisse zu erwarten?
Bei der Konkurrenz von Williams herrschte zuletzt Ernüchterung, weil viele aerodynamische Updates vor der Sommerpause nicht die erhoffte Wirkung zeigten. Dennoch will man den Kampf um Platz vier nicht kampflos aufgeben. "Wir geben noch Gas. Wir haben noch Dinge geplant, die uns hoffentlich ein wenig nach vorne bringen", gibt sich Chefingenieur Rob Smedley kämpferisch, wenngleich auch er zugibt, dass der Fokus bei allen bereits voll auf der Formel-1-Saison 2017 liegt.
Das ist auch beim Force-India-Team so, das außer dem neuen technischen Reglement für 2017 mit vereinfachtem Frontflügel, mächtigem Leitwerk am Heck und breiteren Reifen, noch eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung des nächstjährigen Boliden meistern muss. "Aus Sicht von Force India wird es das erste Auto sein, das wir mit einem 60-Prozent-Modell bauen", erläutert Fernley die Entwicklungsarbeit im Toyota-Windkanal in Köln. "Alle bisherigen Autos wurden mit einem 50-Prozent-Modell designt. Das ist das erste Auto unter neuen Regeln, die ein wenig eingeschränkter sind, und daher bin ich sehr optimistisch, dass wir unsere Position behalten können."
Einen Vergleich zu den Jahren 2009 und 2013, die durch ein neues Reglement kleineren Teams ebenfalls die Chance boten, zu den Top-Teams aufzuschließen, will er aber nicht ziehen. "Der Unterschied zu 2009 und 2013 ist, dass man damals unbegrenzt mit der Aerodynamik spielen durfte. Die größeren Teams konnten 24 Stunden, sieben Tage die Woche in zwei Windkanälen arbeiten. Heute ist das sehr eingeschränkt und wir fahren alle unter den gleichen Regeln. Es geht natürlich um die Effizienz der Aerobereiche und Windkanäle, aber die Hersteller werden das besser nutzen können", glaubt er weiterhin an einen Vorsprung von Mercedes, Red Bull und Ferrari auch in der kommenden Saison.
Dass der in Fachkreisen hochgelobte TMG-Windkanal in Köln das Ass im Ärmel von Force India sein könnte, spielt Fernley herunter. Die Anlagen der großen Teams seien immer noch einen Schritt voraus. "Der Windkanal von Toyota war mal der Beste, aber Zeit vergeht. Er wurde nicht mehr auf das Formel-1-Niveau upgegradet, wie es Mercedes, Red Bull oder Ferrari haben. Es ist noch ein Schritt", so seine Einschätzung. Doch dass Force India aus weniger Möglichkeiten das Maximum herausholen kann, hat das Team bereits in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt.