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  • 10.10.2008 13:32

  • von Fabian Hust

Finanzkrise: Panik? Nein! - Handeln? Ja!

Mario Theissen, John Howett und Nick Fry über die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Formel 1 und dringend notwendige Veränderungen im Sport

(Motorsport-Total.com) - Weltweit befinden sich die Börsen im freien Fall, auch in der Formel 1 macht man sich ernsthafte Gedanken über die Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise auf den Sport. Denn schon zu Zeiten einer entspannten Situation auf dem Finanzsektor waren sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass der Sport längst zu teuer geworden ist.

Titel-Bild zur News: John Howett, Nick Fry und Mario Theissen

John Howett, Nick Fry und Mario Theissen sind sich einig: Es ist Zeit zu handeln

"Wir haben es mit einer Finanzkrise, einer weltweiten Wirtschaftskrise zu tun", so BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. "Die Formel 1 findet auf dieser Welt statt, aus diesem Grund wird die Formel 1 so wie andere Industrien davon betroffen sein, so wie auch alle Sponsoren davon betroffen sind. Grundsätzlich ist jeder Teilnehmer der Formel 1 betroffen. Wir müssen damit umgehen wie jedes andere Unternehmen auch."#w1#

Howett sieht die Formel 1 nicht in Gefahr

Toyota-Motorsport-Präsident John Howett sieht keine unmittelbare Gefahr für die "Königsklasse des Motorsports": "Die Formel 1 ist so kraftvoll und stark. Der Inhaber der kommerziellen Rechte zeigt den Wert auf, den man erhält, wenn man die Formel 1 als Marketing-Werkzeug verwendet. Diesbezüglich müssen wir jedoch mehr Anstrengungen investieren", so der Brite im Hinblick auf die umgerechnet 1,5 bis 2,2 Milliarden Euro, die die in der Formel 1 vertretenen Sponsoren - exklusive der Automobilhersteller - jährlich in Werbemaßnahmen investieren.

Toyota als Automobilhersteller werde jedoch "unter Druck" geraten, da ein Großteil der Märkte angespannt ist, mit Ausnahme von Russland und China: "Ich denke jedoch, dass die starken Unternehmen, die weiterhin in Marketing investieren, die weiterhin in Technologie investieren, die Gewinner sein werden."

Es gibt immer Chancen

Man solle sich in schwierigen Zeiten auch den Chancen bewusst sein, die einem geboten werden: "Man kann völlig schwarz sehen oder man kann auch sagen, dass es in der Formel 1 viele positive Dinge gibt, ebenso für die gut geleiteten Formel-1-Teams und die gut geführten Automobilhersteller. Also ja, wir werden eine harte Zeit durchmachen, aber ich bin mir sicher, dass wir alles überleben werden. Womöglich wird daraus ein starker Sport hervorgehen."

In schwierigen Zeiten sollte man bekanntlich zusammenhalten, dies fordert Honda-Geschäftsführer Nick Fry: "Wir als zehn Teams müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Teams zusammenhalten, zusammen arbeiten und überleben. Wir haben eine fantastisch erfolgreiche Serie, wir kommen gerade von einem der wohl besten Wochenenden und wir müssen dies bewahren."

Erste FOTA-Treffen machen Mut

"Ich bin von der ersten Runde der FOTA-Treffen unglaublich ermutigt, aber die ersten Treffen sind für gewöhnlich die einfachsten. Wenn es um die wichtigen Elemente geht, dann wird es schwieriger werden. Es gibt eine gewaltige Vielfalt in Bezug auf die Einkommen und den Grad an Sponsoring sowie bei den Besitzverhältnissen der Teams."

"Auf der einen Seite der Skala liegt womöglich ein Unternehmen wie Honda, Toyota oder BMW, die in Bezug auf den Aktien-Wert extrem erfolgreich sind. Sicherlich hat Honda etwas besser abgeschnitten oder hat etwas weniger verloren als die anderen, aber wir sollten nicht sorglos sein. Wir müssen sicherstellen, dass andere Teams, die vielleicht kein Geld verdienen und Sponsoren haben, die durch die neueste Finanzkrise stark betroffen sind, es schaffen."

Der schwierigste Teil kommt erst noch

"Ich denke, dass die FOTA und die Treffen mit der FIA und mit Bernie Ecclestone der Mechanismus sind, um sicherzustellen, dass dies passiert", fordert der Brite. "Wir müssen wirklich zusammenhalten. Wir haben einen guten Start hinbekommen, aber der schwierige Teil kommt erst noch."

Theissen warnt vor Panikmache

In den Augen von Theissen gibt es "keinen Grund, in Panik zu verfallen", schließlich sei die Formel 1 ein sehr starkes Gebilde, das zudem von der Technologie dominiert wird. Man könne in Bezug auf die Technik jedoch über Nacht keine großen Veränderungen durchführen, müsse also eine vernünftige Herangehensweise an den Tag legen, um die Kosten im Sport zu reduzieren.

"Dies bedeutet jedoch auch, dass wir nicht innerhalb weniger Monate mit einem kostengünstigen Motor ankommen können. Dieser würde gewaltige zusätzliche Ausgaben auf Seite der Hersteller erfordern. Dies bedeutet also, dass wir uns dies für eine gewisse Zeit und ineinandergreifende Maßnahmen anschauen müssen, die uns zum schlussendlichen Ziel führen. Dieses muss kurzfristig durchführbar sein. Dann müssen wir uns langfristig gesehen auf einen kommerziell lebensfähigen Weg verständigen."

Keine Reaktion über das Knie brechen!

Howett warnt: "Ich denke, dass es katastrophal wäre, eine Reaktion über das Knie zu brechen. Wenn wir den Druck haben, dann wird uns schlussendlich ein Budget mitgeteilt und wir werden überleben. Es gibt drei Grundelemente, die Kosten erzeugen: die Manpower, Investitionen und das verwendete Material, das wir im Moment bei jedem Rennen einsetzen."

Sollte die Mutterfirma das Budget ändern, so würde man dementsprechend darauf reagieren, kommendes Jahr in der Weltmeisterschaft mit dem definierten Budget an den Start gehen und die bestmögliche Arbeit damit erledigen. Mehr Sorgen macht sich der Brite besonders um die Motorsport-Industrie in Großbritannien, die durch die Finanzkrise eine Entlassungswelle erleben könnte: "Darüber sollten sich die Leute Sorgen machen."

Kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen sind gefragt

Laut Fry müsse man wie in jedem anderen Geschäft auch auf die Finanzkrise reagieren, durch kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen: "Manche Dinge kann man einfach nicht kurzfristig erledigen. Es ist nicht möglich, einen neuen Motor innerhalb von sechs Monaten zu entwickeln. Das muss mittel- oder langfristig geschehen, innerhalb von zwei Jahren. Die Leute besitzen Angestellten-Verträge und das müssen wir respektieren, das ist ein weiteres mittelfristiges Ziel."

"Wir sollten nicht in Panik verfallen, wir müssen kurzfristige Dinge erledigen, und dies bezieht sich auf das kommende Jahr. Es ist schwierig, etwas anderes zu sagen, wenn kürzlich 5.000 Leute in einer Auto-Fabrik in Frankreich entlassen wurden. Wie kann ein Automobilhersteller zu seinen Angestellten kommen und sagen, dass er nichts tun wird? Es besteht für ein paar Formel-1-Teams die Notwendigkeit, sofort zu handeln."

"Man muss sich nur einige der Konten der Formel-1-Teams anschauen, die in den vergangenen drei Jahren Verlust gemacht haben. Der Bank-Manager wird nicht mehr Geld leihen. Wir sollten nicht in Panik verfallen, wir sollten nichts tun, das etwas Schaden zuführen wird, das sehr erfolgreich ist. Aber gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass man nichts machen soll. Es bedeutet, dass man von allem etwas tun sollte, und damit muss man nun beginnen. Das ist die Botschaft. Wir müssen mit einer angemessenen Antwort aufwarten."