FIA-Untersuchung: Ferrari droht keine rückwirkende Strafe

Was hinter der Mercedes-Anfrage bei der FIA steckt und warum (nicht nur) Toto Wolff ein teures Wettrüsten um und mit Juniorteams befürchtet

(Motorsport-Total.com) - Ganz egal, wie das Urteil der vier FIA-Rennkommissare (namentlich Khaled Bin Shaiban, Garry Connelly, Steve Stringwell und Derek Warwick) auch ausfallen wird: Ferrari droht keine rückwirkende Strafe für die Formel-1-Saison 2015. Das sei auch nie das Ziel der Anfrage von Mercedes bei der FIA gewesen, erklärt Sportchef Toto Wolff.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff

Mercedes-Sportchef Toto Wolff behauptet, die Anfrage richte sich nicht gegen Ferrari Zoom

Die Details der insgesamt 33 Seiten umfassenden Anfrage werden von der FIA als "Stewards Decision Doc17 - Mercedes Request" auch online zum Download angeboten. Liest man sich die Anfrage durch, wird klar, dass es Mercedes darum geht, auszuloten, wie weit eine Partnerschaft zwischen zwei Teams gehen darf - und ob Ferrari mit dem neuen 2016er-Kunden Haas rund um Technikchef Günther Steiner vielleicht einen Schritt zu weit gegangen ist.

Aber Wolff betont: "Unsere Anfrage richtet sich nicht gegen ein bestimmtes Team, es ist auch kein bestimmtes Team darin erwähnt", sagt der Österreicher. "Was wir von der FIA wollen, ist Klarheit, um zu verstehen, was innerhalb der Regeln erlaubt ist. Denn wir finden, dass das Reglement in diesem Bereich vage ist." Die Anfrage sei sogar mit Ferrari abgestimmt gewesen, bestätigt Wolff, der Ferrari in der Freitags-FIA-PK lächelnd als "Frenemy" (englisches Wortspiel aus Freund und Feind) bezeichnet hatte.

Mercedes will Klarheit für eigene Kundenteams

"Wir haben die FIA schon vor einiger Zeit um Klarheit gebeten, wie viele andere Teams übrigens auch, aber die Antworten waren vage - weil es ein schwieriges Thema ist, bei dem es keine einfachen Antworten gibt", sagt Wolff. Doch gerade vor dem Hintergrund der neuen Partnerschaft mit Manor, die Mercedes ähnliche Möglichkeiten bietet wie sie Ferrari mit Haas hat, wolle man sich nicht "in ein Projekt stürzen, das potenziell als nicht regelkonform gesehen werden könnte".

Die Anfrage ist zwar rein formell, aber nicht praktisch ein Mercedes-Alleingang. "Alle Teams stehen dahinter. Ich denke, sogar Ferrari selbst will Klarheit haben", meint etwa Williams-Chefingenieur Rob Smedley, und McLaren-Boss Ron Dennis hofft, dass die FIA die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit konkret einschränken wird, weil sich ansonsten auch McLaren nach einem Juniorpartner umsehen müsse. Aber: "Das ist nicht die Zukunft der Formel 1."

"Das ist nicht die Zukunft der Formel 1." Ron Dennis

Genau das sei übrigens der Auslöser gewesen, weshalb Mercedes die Anfrage gestellt hat, sagt Wolff, denn wenn Bereiche wie Personalausbildung oder auch technische Infrastruktur teilweise an einen Juniorpartner ausgelagert werden dürfen, dann könnte die Formel 1 seiner Meinung nach zu einem "Wettrüsten werden, wie viele Kooperationspartner man findet, um mit höchstmöglicher Geschwindigkeit weiterzuentwickeln".

Diskrete FIA leitet nicht alle Anfragen weiter

Wie weit man in der Zusammenarbeit mit einem Juniorpartner gehen darf, interessiert nicht nur Mercedes. FIA-Rennleiter Charlie Whiting wurden dazu mehrere Anfragen gestellt, seine Antworten fielen aber vage aus. Erschwerend kommt hinzu: Wenn ein Team mit einer Idee oder Anfrage zu Whiting geht, die dieser dann als regelkonform einstuft, erfährt kein anderes Team davon. Sonst könnte jede gute Idee sofort von der Konkurrenz kopiert werden.

Nur wenn Whiting sagt, eine Idee oder Anfrage sei seiner Meinung nach illegal, erfahren auch die nicht betroffenen Teams davon. Was im Umkehrschluss bedeutet: Wenn Mercedes und Co. nichts von den Ferrari-Anfragen bezüglich der Haas-Kooperation gehört haben, dass muss Ferrari genau die richtigen Fragen gestellt und die Grauzonen geschickt ausgelotet haben. Also richtet man jetzt eine transparente Anfrage an die Rennkommissare in Abu Dhabi, die dann auch transparent antworten müssen.

Gene Haas

Formel-1-Neueinsteiger Gene Haas arbeitet eng mit Ferrari zusammen Zoom

"Es geht um transparente Informationen für alle Teams, was erlaubt ist oder nicht", sagt Wolff. "Wir zeigen überhaupt nicht mit dem Finger auf irgendjemanden. Uns wurde von der FIA vor Abu Dhabi gesagt, dass die einzige Möglichkeit, eine verbindliche Antwort zu bekommen, ist, den Kommissaren eine Anfrage vorzulegen." Das ist inzwischen geschehen, diese soll laut FIA-Ankündigung bis morgen vor dem Rennen beantwortet werden.

Alle Teams sollen gleichen Informationsstand haben

Sollte die FIA-Antwort für Mercedes nicht zufriedenstellend ausfallen, besteht immer noch die Möglichkeit, das Internationale Berufungsgericht der FIA anzurufen. Wolff geht auf diese Möglichkeit nicht konkret ein, sagt aber: "Wenn die Antwort morgen ist, dass man uns nicht mehr Klarheit geben kann, dann muss man untersuchen, ob allen Teams die gleichen Informationen gegeben wurden, ob wir alle auf dem gleichen Informationsstand sind."

"Wir glauben", sagt er, "dass die Zusammenarbeit zwischen Ferrari und Haas regelkonform ist. Die FIA hat Ferrari eine Carte blanche gegeben. Es gibt nichts, was nicht als regelkonform eingeschätzt wird. Wir schauen auf 2016 und insbesondere auf 2017, wenn die Autos ganz anders sein könnten, und wir schauen auf die Entwicklungsmöglichkeiten, die sich durch die Zusammenarbeit mit einem anderen Team eröffnen. Da müssen wir verstehen, was als akzeptabel eingestuft wird und was nicht."

"Die FIA hat Ferrari eine Carte blanche gegeben. Es gibt nichts, was nicht als regelkonform eingeschätzt wird." Toto Wolff

"Natürlich klingt das alles nach einer großen Story, aber Tatsache ist, dass wir nur eine Klarstellung wollen. Dieser Prozess hat keinerlei rückwirkende Ziele. Es geht um 2016 und darüber hinaus", so der Mercedes-Sportchef. Williams-Chefingenieur Smedley nickt zustimmend: "Wir alle brauchen eine Klarstellung, um zu verstehen, was wir in Zukunft tun dürfen. Denn ohne diese Klarstellung öffnen sich ganz viele neue Wege - und damit ganz viele neue Wege, um Geld auszugeben."

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